Fortsetzung des vorherigen posts "Daniele Ganser und sein Umfeld I: Anti-Fracking und die Instrumentalisierung von Gegenöffentlichkeit"
2. Daniele Ganser und ASPO ("Association for the Study of Peak Oil and Gas")
Die Association for the Study of Peak Oil and Gas wurde ab 2000/2002 von dem britischen GeologenColin Campbell, der zuvor in der Ölindustrie tätig gewesen war, aufgebaut. Die Zielsetzung in Eigendarstellung ist:
"1. Define and evaluate the world's endowment of oil and gas
2. Model depletion, taking due account of demand, economics, technology and politics
3. Raise awareness of the serious consequences for Mankind."
Da
es mir in meinem Einleitungs-post zunächst um Fracking gegangen war,
sei hier präzisiert, daß ein Arbeiten mit der Peak-Oil-Hypothese
natürlich nicht per se mit
Anti-Fracking-Kampagnen gleichzusetzen ist, beides aber, gerade
vermittelt über den
dritten Punkt der Zielsetzung, in engem Zusammenhang miteinander steht.
Anti-Fracking-Aktivisten beziehen sich auf Studien von
Peak-Oil-Wissenschaftlern, tauschen sich mit ihnen aus und umgekehrt.
Als Beispiel vorab mag folgendes dienen: Kjell Aleklett, der Präsident
der internatinalen ASPO, hat im März 2014 dem "European Energy Interview"
ein Interview gegeben, das in zwei Teilen als "Peak oil is more
relevant than ever" und "Fracking is not for Europeans" veröffentlicht
wurde sowie in voller Länge auch auf "Fracking Free Ireland" zu lesen ist. Fracking Free Ireland ist, zumindest der Internetpräsenz nach zu urteilen, eine der aktivsten
Anti-Fracking-Plattformen Europas und auch bei der Vernetzung über
Ländergrenzen hinweg aktiv.
ASPO selbst beschreibt sich als "informal network working with a very small budget" und betont seine politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit:
"Perhaps its informal structure is its strength. It means that it can tell the truth freed of all the political, legalistic and commercial constraints that most organisations face."
ASPO Schweiz ist wie ASPO Deutschland auch im Jahr 2006 gegründet worden. Gründungsmitglieder von ASPO Schweiz waren neben Daniele Ganser selbst Basil Gelpke (Publizist), Matthias Erne (Anwalt), Dr. Fred Stumm (Erdölgeologe) und Dr. Walter Ziegler (Erdölgeologe). Der Vorstand arbeite ehrenamtlich, der gemeinnützige Verein sei unabhängig und gehöre keiner Partei oder Industrie an, so liest man auf der ASPO-Webseite. Daniele Ganser wird mittlerweile als ehemaliger Präsident von ASPO Schweiz geführt und leitet heute das inhaltlich verwandte "Swiss Institute for Energy and Peace Research", kurz SIPER. Alexander Beaurieux, der den Ausgangspunkt meiner Blogartikel-Serie zu Daniele Ganser bildete, ist bei SIPER als einer von insgesamt zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern tätig und stellt damit das Verbindungsglied zwischen ASPO Deutschland, in dem Beaurieux selbst Vorstandsmitglied ist, und ASPO Schweiz sowie SIPER dar. Hier wird es demzufolge um drei Peak-Oil-Institutionen und ihre personellen Verbindungen über Daniele Ganser gehen.
Daniele Ganser: Ausbildung, Mentoren und erste Karriereschritte
Beginnen möchte ich hier mit einem kritischen Blick auf Daniele Gansers Werdegang. Daniele Ganser hat zunächst zwölf Jahre lang eine Rudolf Steiner-Schule besucht und dann seinen Schulabschluß am Holbein-Gymnasium gemacht. Der Schultyp Gansers ist für seine weitere Laufbahn insofern nicht unerheblich, als der Schweizer Historiker auch - wie ich in den folgenden posts zeigen werde - auch weiterhin den Kontakt zu Anthroposophen hält bzw. genauer gesagt zu deren rechtem Spektrum und sich in seinem unmittelbaren Umfeld auch weitere Vernetzungen mit rechtsesoterischen Ökokreisen finden lassen. Ab 1992 hat Ganser an den Universitäten Basel und Amsterdam Geschichte studiert, sein Lizentiat hat er 1998 abgelegt. Im Anschluß hat er an der Universität Basel und der London School of Economics zum Thema geheime Kriegsführung geforscht.
Gansers erstes Buch wurde im Jahr 2000 unter dem Titel "Reckless Gamble: The Sabotage of the United Nations in the Cuban Conflict and the Missile Crisis of 1962" publiziert; die 2001 angenommene Dissertation ist sozusagen die Verlängerung dieser Studie. In einem Interview von 2005 erklärt er zu seiner Themenfindung:
"I had finished my university studies in history in 1998 and I was looking for a Ph.D. research topic. At that time, I did research on the 1962 Cuban Missile Crisis (...) . When I compared the role of the United States government in diplomatic terms, with the parallel covert operations of the CIA, I discovered that the United Nations was helpless,when confronted with covert actions. So , by 1998, I was very interested in covert actions. William Blum, who has written on secret warfare in the United States, advised me to look at Operation Gladio. (...) I said: "I'll do it." And, nobody discouraged me."
William Blum gehört u.a. zum illustren Kreis derjenigen englischsprachigen Autoren, die von einer einigermaßen opaken Moskauer Einrichtung namens "INVISSIN" als Beispiele für eine sogenannte "alternative" Geschichtsschreibung des Westens auf Russisch publiziert werden (zu INVISSIN siehe Teil VII). Blum ist auch mit dabei bei etlichen neueren Querfrontprojekten, die sich an Diskurse der russischen Regierung und/oder duginschen Neu-Eurasismus anlehnen (auf die Hintergründe der hier genannten Organisationen und Plattformen werde ich ebenfalls in Teil VI näher eingehen): Blum ist als Autor im Kai Homilius Verlag - dem Publikationspartner Jürgen Elsässers - vertreten, er hat für Voltairenet geschrieben, ist vor allem aber auch bei globalresearch mit eigenen Artikeln umfänglich präsent.
William Blum, der hier als eine Art Mentor Daniele Gansers in Erscheinung tritt, kann anhand seiner Publikationen wie auch der hier angerissenen Netzwerke wohl gut und gerne als einer derjenigen linken Intellektuellen betrachtet werden, die vor dem Falle der Sowjetunion den Part eines "Agent of Influence" erfüllten. Das heißt, sie hatten viel Enthüllendes zum US-Imperialismus, aber wenig kritische Distanz zum Freund im Osten zu bieten und betrieben damit eine Art Imagepflege (ob nun absichtlich oder unbewußt) im prosowjetischen Sinne.
Selbst der Zusammenbruch des Kommunismus hat diesen prosowjetischen bzw. prorussischen Traditionen
und Allianzen in westlichen Intellektuellenkreisen offenbar kein Ende gesetzt. Gerade auch westliche sogenannte "Linke" sind offenbar selbst dann nicht bereit, ihre
Position gegenüber dem russischen Staat zu revidieren und sich von einem
immer autoritärer und repressiver agierenden russischen Präsidenten zu
distanzieren, wenn dies eine Aufgabe genuin linker, emanzipatorischer
Positionen erfordert und zur einer ideologischen Annäherung an rechtspopulistische, monarchistische, klerikalfaschistische u.ä. Positionen führt. Ich betone dies hier, weil man ansonsten leicht geneigt ist, von der Bedeutungslosigkeit früherer prosowjetischer Netzwerke für heutige Karrieren und Lebenswege auszugehen. Die informelle Mitbetreung von
Daniele Gansers Dissertation durch Blum könnte auch mit dazu beigetragen haben, daß Ganser bereits
zu einem frühen Zeitpunkt in problematische, weil unausgewogen,
sensationalistisch und politisch tendentiös arbeitende Akademikerkreise
eingeführt wurde.
Auch von Noam Chomsky muß Ganser unterstützt worden sein, denn in seiner 2004 unter dem Titel publizierten Doktorarbeit dankt er sowohl Chomsky als auch Blum (S.XVI):
"Furthermore my gratitude goes to the Washington-based CIA author William Blum who first drew my attention to Gladio and taught me a lot on covert action and secret warfare. Very warm thanks also go to Professor Noam Chomsky in Boston who not only encouraged my research, but also provided me with valuable contacts during our meetings in the United States and in Switzerland."
Ein Indikator dafür, daß die Unterstützung Gansers durch Noam Chomsky nicht nur ephemerer Natur war, findet sich in einem Interview, das die anthroposophische Zeitschrift "Der Europäer" im Jahr 2005 mit Ganser geführt hat. Chomsky bemühe sich, so Ganser darin, "die Dinge anzusprechen, ohne von Anfang an einen Schleier desVertuschens über die Dinge zu legen", deswegen sei er auch von "NATO's Secret Armies" fasziniert gewesen und habe vorab Gansers Typoskript gelesen. Bei dieser Gelegenheit erwähnt Ganser dann auch, daß der Austausch mit Chomsky bereits auf sein erstes Buch zur Kubakrise zurückgeht:
"Chomsky hat dieses Buch damals gelesen, er war einer der Wenigen, die mich bei dieser Arbeit unterstützten, denn er fand es wichtig, dass mal jemand am konkreten Beispiel darstellt, warum die Weltfriedensorganisation UNO gegenüber der verdeckten Kriegsführung machtlos ist. Wir sind also durch unsere Forschung und unsere Interessen verbunden und haben uns auch schon in den USA und in der Schweiz getroffen. Und so hat er auch meine Forschungen zu den NATO-Geheimarmeen begleitet und immer wieder Manuskripte gelesen. Er kennt das Material."
In einem Video-Interview mit Jan Gaspard von Nexworld TV erwähnt Ganser weitere Details. Er erwähnt die Lektüre von Chomsky-Büchern als einen wesentlichen Faktor, der ihn beim Setzen seiner eigenen Forschungsschwerpunkte beeinflußt habe. Er habe daraufhin Chomsky auch persönlich in Boston besucht und sich von ihm Rat geholt. Er habe, so Ganser zu Gaspard, viel von Chomsky gelernt und dieser habe ihm auch noch weitere Gesprächspartner vermittelt, d.h. es ist davon auszugehen, daß Chomsky den Schweizer Doktoranden an seinen eigenen akademischen Netzwerken hat teilhaben lassen. Diese Kooperation zwischen Ganser und Chomsky hat sich denn auch in weiteren Publikationen niedergeschlagen. So bezieht sich Chomsky in seinem "Hegemony and Survival: America's Quest for Global Dominance" (2003) auch explizit auch auf Gansers erstes Buch "Reckless Gamble"; im Jahr 2012 ist ein Sammelband unter dem Titel "Weapon of the Strong. Conversations on US State Terrorism" erschienen, der Aufsätze von Noam Chomsky, Judith Butler, Norman G. Finkelstein, Marjorie Cohn, Daniele Ganser u.a. vereint.
Daniele Ganser wurde 2001 an Universität Basel promoviert, seine Dissertation ist erstmals im Jahr 2005 auf Englisch veröffentlicht worden als "NATO's Secret Armies: Operation Gladio and Terrorism in Western Europe". Seit Ende 2011 leitet Daniele Ganser mit SIPER sein eigenes Forschungsinstitut. Welche Karriereschritte und Forschungsinteressen haben ihn dort hingeführt? Beschäftigen wir uns hier ein wenig näher mit der Zeit zwischen der Fertigstellung von Gansers Dissertation und der beruflichen Zwischenschritte, die ihn über ASPO und weitere Projekte zur Gründung von SIPER geführt haben.
Ganser listet seine zwischenzeitlichen außerakademischen Betätigungen in seinem Lebenslauf offen auf, füllt sie allerdings kaum mit Inhalten. Insbesondere geht er in seinen Vorträgen und Interviews nicht darauf ein, wie sich diese Karrierephase in das Bild des friedensbewegten, verantwortungsbewußten und ökologisch handelnden Ausnahmewissenschaftlers einfügen. Dabei wäre es ja durchaus nicht uninteressant gewesen, von einem individuellen Aushandlungsprozeß zwischen gesellschaftlicher Anpassung einerseits und wissenschaftlicher Autonomie andererseits zu erfahren. Ganser war von 2001-2003 als Senior Researcher bei Avenir Suisse, einem liberalen Wirtschafts-Think Tank angestellt. Wie ein kritischer, aber doch auch um Fairness bemühter indymedia-Artikel erläutert, bedeutete die Anstellung bei Avenir Suisse letztendlich auch Arbeit für die Interessen von u.a. Nestlé, Jacobs, Novartis und Roche und stellt damit - angesichts Gansers eigenen Ansprüchen an sich selbst sicher zurecht - die Frage nach der ethischen Vereinbarkeit.
Die Tätigkeit Daniele Gansers für Avenir Suisse ist jedoch jenseits moralischer Urteilsfälligen auch insofern für ein Verständnis der späteren Projekte Gansers interessant, als Avenir Suisse gezielt auch die internationale Einbindung der Schweiz thematisiert. In seinem Artikel "Jenseits der Europäischen Union? Alternativen zur Schweizer Integrationspolitik" aus dem Jahr 2003 denkt Ganser nach über Alternativen zu einem EU-Beitritt nach und erwähnt in diesem Zusammenhang ein Gespräch zwischen Robert Nef und dem russischen Ökonom Vladimir Gutnik, in dem Nef den Vorstoß gemacht haben soll, die Europäische Freihandelsorganisation (EFTA) durch neue Mitglieder wie etwa Rußland zu stärken. Robert Nef ist Co-Autor des Buches "Erfolgsmodell Schweiz" (mehr dazu unten) und soll seit 1997 Mitherausgeber der "Schweizer Monatshefte" sein, in denen der hier erwähnte Artikel von Ganser erschienen ist.
Da Ganser seinerseits wiederum über ASPO mit Matthias Erne zusammengearbeitet hat (siehe auch untenstehenden Abschnitt zu ASPO Schweiz), scheint mir, daß sich hier dann doch eine gewisse inhaltliche Kontinuität in Gansers Weg von Avenir Suisse über ASPO hin zu SIPER ergibt. Anhand dessen stellt sich die Frage, inwieweit hier nationale Schweizer Interessen bzw. die hochgestellter Kreise aus Wirtschaft und Politik einerseits und die Form von Gegenöffentlichkeit, wie sie von Daniele Ganser vertretenen wird (Anknüpfen an "linke" internationale Diskurse, aber auch Verschwörungstheorien und Rechtsesoterik) dann doch, d.h. obwohl sie auf den ersten Blick so überhaupt nicht zueinander passen wollen, ineinander verschränkt sind und mit dem Bemühen der Schweiz, gegen eine zunehmende internationale Isolierung als eine unerwünschte Folge der EU-Politik anzukämpfen.
Laut Gansers eigener Biographi war er von 2003-2006, also im Anschluß an seine Tätigkeit für Avenir Suisse, am Center for Security Studies der ETH Zürich angestellt, zu seinen dortigen Aufgabenbereichen hätten Sicherheitspolitik, Globalisierung, verdeckte Kriegsführung und Menschenrechte gehört. Ganser selbst hebt die friedenspolitischen Aspekte dieser Tätigkeit hervor und betont, daß es seine dortige Aufgabe gewesen sei, "den Einfluss der Globalisierung auf Krieg und Frieden" zu untersuchen (bzw. ausführlicher: "how Swiss and international companies support and profit from war, or alternatively, promote peace through corporate social responsibility"), sowie daß er als "Mitglied der Expertengruppe zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte im EDA" fungiert habe. Letzendlich aber stand er über die ETH auch in Kontakt mit MILAK, der an die ETH angeschlossenen Militärakademie zur Ausbildung von Berufsoffizieren. Der obengenannte indymedia-Artikel zu Daniele Ganser spricht von einem "Studium" an MILAK, hierfür habe ich allerdings keine Belege gefunden; vielleicht beruht diese Aussage auf einem Mißverständnis aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen Promotion und der Veröffentlichung von Gansers Dissertation als Buch. In einem türkischen Zeitungsbericht heißt es, Ganser habe 3 Jahre an MILAK gedient, aber auch hier kann ein Fehler bzw. ein Mißverständnis vorliegen.
Laut seinen offiziellen CVs hat Daniele Ganser an MILAK geforscht. Gansers Interesse an Geheimarmeen dürfte dabei mit den Interessen dieser Institution zur Deckung gekommen sein. In einem Artikel der ASMZ (Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift) von 2006 heißt es so nicht nur, daß Ganser " Schweizer Historiker mit Spezialgebiet verdeckte Kriegsführung" sei und er "zu diesem Themenbereich an der MILAK geforscht" habe, sondern seine Forschung wird auch in einen weiteren nationalen Zusammenhang gestellt:
"Für die Schweiz ist es wichtig herauszufinden, ob der «Krieg gegen den Terrorismus» tatsächlich der Terrorbekämpfung dient oder ob er als Täuschungsmanöver im Vorfeld einer Energiekrise geführt wird. Erst wenn diese zentrale Frage geklärt ist, kann sich die Schweiz sicherheitspolitisch geschickt für die Zukunft positionieren und entweder den Kampf gegen den Terror oder aber das Bemühen um Energiesicherheit zur ersten Priorität erklären, denn Zeit und Mittel sind beschränkt."
Darauf, daß Daniele Ganser nicht nur militärische Geheimdienstkreise untersucht, sondern auch selbst für diese forscht, könnte auch seine Mitgliedschaft im "Editorial Advisory Board" des Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies (JIPSS) hindeuten. JIPPS wird herausgegeben von ACIPSS, dem "Austrian Center for Intellligence, Propaganda and Security Studies", das wiederum mit der ÖGGPS, der Österreichischen Gesellschaft für Geheimdienst, Propaganda und Sicherheitsstudien" assoziiert ist. Die Mission von ÖGGPS wiederum scheint irgendwo im Zwischenbereich zwischen kritischer Erforschung und Bereitstellen von Grundlagen für die Praxis zu verorten zu sein, denn auch wenn der Verein betont, keine Nachwuchs-James-Bonds ausbilden zu wollen, so wird doch andererseits erklärt, daß die USA, in denen es üblicher ist, daß Geheimdienste auf Personal mit entsprechender universitärer Ausbildung zurückgreifen, bei der Gründung von ÖGGPS Modell gestanden hat.
Gansers Karriereabschnitte bei Avenir Suisse, EDA und MILAK zeigen jedoch allemal, daß das Bild von ihm als einem Geisteswissenschaftler, der auf idealistische Weise und auf individueller Basis nach Aufklärung, Wahrheit und generell einer besseren Welt strebt, verkürzt ist. Ganser ist auch ein Karrieremensch, der sich in der Welt der internationalen Konzerne und militärischer Interessen offenbar nicht schlecht zurechtgefunden hat und dessen Beschäftigung mit Geheimarmeen in weitere (nationale) Interessenslagen eingebunden war. Ich nehme zudem an, daß die auf diese Weise gesammelten Erfahrungen und Kontakte nicht unerheblich waren für das spätere Funktionieren von SIPER als "unabhängigem" Forschungsinstitut.
Von 2007-2010 war Ganser wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter des Departament Geschichte der Universität Basel; verwiesen wird auf eigenes Forschungsprojekt zu "Peak Oil", zu dem ich jedoch keine weiteren Informationen gefunden haben. Als Forschungsschwerpunkte werden benannt: Internationale Zeitgeschichte seit 1945, Verdeckte Kriegsführung und Geostrategie, Geheimdienste und Spezialeinheiten, Peak Oil und Ressourcenkriege sowie Wirtschaft und Menschenrechte. Parallel hierzu hat Ganser bereits für die 2006 gegründete ASPO gearbeitet und auch in Verband mit der Universität verschiedene APSO-Tagungen (siehe z.B. hier) durchgeführt. Betrachten wir nun also mit ASPO Schweiz die nächste Station von Gansers Wirken und sein dortiges Umfeld.
ASPO Schweiz, Fracking, VPM und "We are Change"
ASPO Schweiz hat laut Satzung u.a. folgenden Vereinszweck:
"Beitragen, dass die zuständigen Staatsorgane zeitgerecht Strategien entwickeln können, um so die Folgen einer abnehmenden Verfügbarkeit von Erdöl und Erdgas zu mildern, Energieverluste zu minimieren, Energieeffizienz zu erhöhen, erneuerbare Energiequellen zu fördern und damit die Abhängigkeit der Schweiz von Erdöl und Erdgas zu reduzieren und so in Übereinstimmung mit Art. 89 der Bundesverfassung zu einer ausreichenden Energieversorgung zu kommen, die breit gefächert, sicher, wirtschaftlich und umweltverträglich ist."
sowie
"Untersuchen, welches die Wechselwirkungen zwischen dem Phänomen Peak Oil einerseits und Ressourcenkriegen, Terror und Klimaveränderung andererseits sind."
Fracking und Kritik daran sind in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema, wenn dieses auch in erster Linie über Dr. Werner Zittel vermittelt wird, der für ASPO Deutschland tätig ist, andererseits aber auch explizit als einer der Ideengeber von ASPO Schweiz genannt wird. Bei ASPO Schweiz selbst sind die Themen "Fracking" und "Fracking-Kritik" ebenfalls nicht schwer aufzufinden. Der Newsletter 1/2014 von ASPO Schweiz widmet sich etwa ganz dem Thema "Schiefergas und Industrie. Beschert der Shale Boom der amerikanischen Industrie eine Renaissance und stösst die EU tiefer in die Krise?". Ein "Dokumentationspapier" von ASPO Schweiz aus dem Jahr 2011 untersucht den Komplex "Schiefergas. Produktion, Potential, Problematik" und diskutiert "die Umweltproblematik der Schiefergasförderung und mögliche geopolitische Implikationen". In dem Dokumentarfilm "A Crude Awakening: The Oil Crash", der von Basil Gelpke, dem ehemaligen Vizepräsidenten von ASPO Schweiz, mitproduziert wurde und in dem auch Daniele Ganser zu Wort kommt, wird das Thema immerhin gestreift (z.B. ab Minute 36). Daniele Ganser selbst baut das Thema Fracking immer wieder in seine Ausführungen zu Energiepolitik ein.
Ein Interview von Ganser explizit zum Thema Fracking ist im Mai 2013 unter dem Titel "Fracking: Die Erde aufreissen?" erschienen und bezieht sich wiederum auf Werner Zittel und die mit seiner Person in Verbindung stehende Energy Watch Group. Veröffentlicht ist das Interview in einem kleinen alternativen Presseorgan namens "Zeitpunkt", auf das einen gründlicheren Blick zu werfen sich lohnt, denn es verdeutlicht, wohin etliche der über ASPO laufenden Kontakte Daniele Gansers führen. Das Interview Gansers in dieser Zeitschrift wird mir hier als Einstieg in die Betrachtung der problematischeren Seiten von ASPO Schweiz und Gansers Aktivitäten in diesem Rahmen dienen.
Zeitpunkt ist eine kleine Schweizer Zeitschrift mit esoterisch-ökologischem Themenspektrum, deren Wirkungskreis allerdings offenbar bis nach Deutschland reicht, denn auch ein Konstanin Wecker scheint sie gerne zu lesen. Der Herausgeber des "Zeitpunkt" Christoph Pfluger hat gleich mehrfach mit kurzen Meldungen über Daniele Ganser (hier zu seinem Buch über die NATO-Geheimarmeen) und Veranstaltungen mit ihm berichtet (z.B. hier und hier). Über eine Veranstaltung, an der Ganser mit einem Vortrag zur Energiewende teilnahm, hat Zeitpunkt unter dem Titel "Heilsame Strahlen aus Gösgen" berichtet: Bei der Veranstaltung handelte es sich um eine Art Seminar der sogenannten "Aku-Wirkstatt. Forum für Zeitfragen" im Dezember 2012, bei dem Ganser nach seinen beiden Vorrednern, einem Astrologen und Maya-Experten sowie einem "Sonnenwanderer" zum Thema "Der globale Kampf ums Erdöl. Warum wir die Energiewende brauchen" vortrug. An der ersten Veranstaltung der "Aku Wirkstatt" im November 2012 waren Themen wie "die Illusion des Geldes und ihre Wirkung auf Mensch und Welt", "die unbekannte Kunst der sozialen Akupunktur" oder auch - vorgetragen von Martin Frischknecht, dem Macher des rechtsesoterischen "Alpenparlament TV" - "Die Bedeutung der Wassermoleküle für unseren Organismus-unser inneres Biotop" behandelt worden.
Publiziert wird Pflugers "Zeitpunkt" vom Synergia-Verlag, der anthroposophisch geprägt scheint und in dessen Autorenliste sich auch der Anthroposoph Thomas Meyer findet, der seinerseits die Zeitschrift "Der Europäer" herausgibt und den ebenfalls anthroposophischen Perseus-Verlag gegründet hat. Meyer hat Daniele Ganser für seine Zeitschrift "Der Europäer" mehrfach interviewt (siehe z.B. hier oder hier). Und Ganser, Thomas Meyer und Christoph Pfluger haben noch einen weiteren gemeinsamen Bezugspunkt: Sie sind alle drei Mitglieder von "911 untersuchen.
Persönlichkeiten aus der Schweiz für eine neue, unabhängige
911-Untersuchung" das, wenn
auch die Eigendarstellung anderes behauptet, eine Art Truther-Portal und Plattform für die Vernetzung von Schweizer Truthern darstellt.
Auch die Netzwerke von Martin Frischknecht, dem Schweizer Elektroingenieur, Verschwörungsideologen und Betreiber des Alpenparlament TV, und Ganser haben sich noch weitere Male überschnitten. Ganser hat sich im Folgejahr von Alpenparlament TV interviewen lassen (siehe weiter unten). Der damalige Alpenparlament TV-Mitarbeiter Michael Vogt hat Ganser nun wiederum zu einem eigenen rechtsesoterischen Projekt eingeladen hat (mehr dazu in einem weiteren post). Zudem bezieht Frischknecht seine Verschwörungstheorien u.a. von Jan van Helsing, der wiederum mit Nexworld TV kooperiert, einem Sender, bei dem sich ebenfalls ein Interview mit Daniele Ganser findet (oben bereits erwähnt).
Ich hoffe man sieht: Es entfaltet sich hier selbst bei nur flüchtiger Betrachtung fast schlagartig ein wahres Feuerwerk an Vernetzungen und Querverbindungen in (rechts-)esoterische und verschwörungstheoretische Milieus, so daß es praktisch unmöglich scheint, dem allem ohne größeren Aufwand - und vor allem auf systematische Weise - nachzugehen. Das Faszinierende an Ganser und seinen Kontakten in (rechts-)esoterische und verschwörungstheoretische Milieus jedoch ist: man kann diesen Linien in die unterschiedlichsten Richtungen folgen und kommt doch meist wieder an Knotenpunkten aus, die ganz ähnliche Themen bündeln und an denen die Wege von Personen, die einander bereits von anderswo kennen, erneut kreuzen. In weiteren Beiträgen werde ich versuchen, Ganser in diese unterschiedlichen Kontexte zu folgen - er dient mir sozusagen als rote Linie, um mich nicht heillos in diesem Gewirr von Netzwerken, Gruppen und Grüppchen zu verlieren - und exemplarisch einige der reichlich vorhandenen Querverbindungen offenzulegen. Bleiben wir hier jedoch noch ein wenig bei ASPO Schweiz, denn Ganser ist dort nicht der einzige mit einschlägigen Kontakten in Eso- und Sektenkreise.
Einen ersten Ansatzpunkt zur Aufdeckung dubioser Kontakte im ASPO-Umfeld hat mir oben bereits zitierter indymedia-Artikel zu Daniele Ganser geliefert: Er legt dar, daß mit Matthias Erne eines der Gründungsmitglieder von ASPO Schweiz ein Anhänger der VPM-Sekte war. Der "Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis" (kurz VPM) war eine Vereinigung, die vordergründig für einen gewaltfreien zwischenmenschlichen Umgang eingetreten war, sich friedenspolitische Positionen zu eigen gemacht hatte und sich vorwiegend aus Akademikern rekrutierte. Ursprünglich war das Milieu, aus dem VPM hervorging, links bzw. anarchistisch geprägt gewesen, unter Annemarie Buchholz-Kaiser nahmen die ehemaligen Schüler des Amateur-Psychologen Friedrich Liebling jedoch ab 1982 Kurs nach rechts. Laut der Rechtsextremismus-Forscher Martin Dietzsch und Anton Maegerle war VPM, der sich aus diesem Schwenk in der politischen Orientierung entwickelte der Kagetorie "Politisierende Psycho-Sekten" zuzurechnen und wurde von ihnen zu denjenigen Vereinigungen gezählt, die entweder selbst rechtsextrem sind oder rechtsextremen Positionen zuarbeiten. In der Vergangenheitsform ist hier deshalb die Rede, weil VPM aufgrund von scharfer Kritik im Jahr 2002 formal aufgelöst worden ist.
Allerdings wurde auch nach 2002 noch die "Mut zur Ethik" genannte VPM-Konferenzreihe fortgesetzt. Von hier aus reichen Verbindungen ins deutsche Querfront-Umfeld und bis hin zu den Montagsmahnwachen. Die deutsche Querfront scheint sich der VPM-Konferenzen gerade auch zur gegenseitigen Vernetzung bedient haben. So hatte etwa Jürgen Elsässer sich in diesem Umfeld bewegt und an "Mut zur Ethik"-Konferenzen und anderen VPM-Veranstaltungen teilgenommen (z.B. in den Jahren 2006 und 2010), aber auch der ehemalige Oberstleutnant Jochen Scholz (Mitglied bei Die Linke), mit dem ich mich in einem früheren blogpost bereits ausführlicher beschäftigt hatte und der nun ebenfalls mehrfach auf Mahwachen gesichtet worden sein soll.
Auch das Organ von VPM, "Zeit-Fragen" bzw. als englische Ausgabe unter dem Titel "Current Concerns" geführt, besteht weiter, die Tätigkeit der Europäischen Arbeitsgemeinschaft "Mut zur Ethik" reichte mindestens bis ins Jahr 2010. Verschiedene weitere Aktivitäten legen nahe, daß sich der Verein aufgesplittet und anders organisiert hat, das Umfeld aber weiter besteht, etwa in Form einer "Vereinigung gegen mediale Gewalt" bzw. generell über informelle Netzwerke und lose politische Interessensgemeinschaften. Der Tagesanzeiger schrieb im Jahr 2010, d.h. weit nach der formalen Auflösung, aber noch vor dem altesbedingten Tod der VPM-Gründerin Annemarie Buchholz-Kaiser (im Mai 2014):
"Heute sind die Exponenten der Psychosekte in vielen undurchsichtigen
Politgruppen aktiv, vertuschen aber ihre Herkunft und ihren
sektiererischen Hintergrund. Ihr Zentrum befindet sich in Sirnach TG,
der Kopf der Organisation ist immer noch Annemarie Buchholz-Kaiser. Es
überrascht nicht, dass sich VPM-Leute in der Vereinigung gegen mediale
Gewalt engagieren."
Der Schweizer Sekten-Experte Hugo Stamm, der in den Jahren zuvor wie andere VPM-Kritker von sSektenmitgliedern regelrecht überwacht und eingeschüchtert worden war, hatte im Jahr 2013 beobachtet, daß sich Mitglieder der früheren Sekte offenbar neu formierten und von Zürich aufs Land zögen. Er soll zudem ab 2003 einen Wandel von einer Psychosekte hin zu einer rechten Politsekte festgestellt haben; insbesondere sei es bei der SVP zu Einflußnahmen bzw. einer Unterwanderung gekommen (Quellen hierzu, leider im Original nicht mehr abrufbar, hier). Matthias Erne wurde von Stamm als SVP-naher "VPM-Aktivist" bezeichnet.
Laut NZZ war Erne sogar selbst Redakteur des VPM-Organs "Zeit-Fragen" gewesen und trat 2003 mit anderen ehemaligen VPM-Mitgliedern gegen den Umbau der Schweizer Armee, d.h. gegen das Konzept der "Sicherheit durch Kooperation" und gegen die empfundene "Auslandshörigkeit" der Schweiz an. Über das sogenannte "Eidgenössische Komitee für eine direkt-demokratische, neutrale und souveräne Schweiz" sei mittels ehemaliger VPM-Leute der "Widerstand gegen den befürchteten Ausverkauf der schweizerischen Souveränität" organisiert worden und habe als gemeinsame Triebfeder gedient. Es sei Matthias Erne gewesen, der zusammen mit einem Mitstreiter "das 2001 publizierte Gutachten des deutschen Rechtsgelehrten Karl Schachtschneider, in dem die Armee XXI als verfassungswidrig taxiert wurde", initiiert habe. Erst 2013 noch hat Erne in einem "Zeit-Fragen" Artikel gegen die "pazifistische Linie der Parteiführung" der SP gewettert; die englische Übersetzung des Artikels ist auch auf voltairenet (auf die mutmaßlichen Verbindungen zwischen VPM und voltairenet gehe ich in einem späteren Beitrag ein) erschienen.
Es bleibt zu ergänzen, daß Schachtschneider ebenfalls VPM-nah war, mittlerweile auch durch rechtsextreme Kontakte wie etwa zum Studienzentrum Weikersheim in die Kritik geraten ist und 2011 bei einer "Compact"-Veranstaltung Jürgen Elsässers aufgetreten ist. Laut psiram ist er "einer der prominenteste EU-Gegner", "eindeutig als Verschwörungstheoretiker einzuordnen", hatte zumindest im Jahr 2005 auch Kontakt zur Politsekte BÜSO/Larouche (zu ihr und Gansers Verbindungen zu dieser Organisation schreibe ich ebenfalls noch gesondert) und hat sich, genau wie Ganser, ebenfalls von Michael Vogt interviewen lassen. Ich schildere dies so detailliert, weil hier eine doch recht eng gestricktes Netzwerk zum Ausdruck kommt und mir die politische Haltung Ernes letzendlich auch mit Gansers NATO-Kritik zusammenzupassen scheint. Damit möchte ich nicht suggerieren, daß Ganser bei VPM war oder ist, sondern daß über inhaltliche Schnittmengen und gemeinsame Interessen eine gewisse Anschlußfähigkeit vorhanden ist.
Matthias Erne hat zudem 2010 zusammen mit Jürgen Elsässer das bereits erwähnte Buch mit dem Titel "Erfolgsmodell Schweiz. Direkte Demokratie, selbstbestimmte Steuern, Neutralität" veröffentlicht, erschienen ist es im Kai Homilius Verlag, dem Kooperationspartner von Elsässers "Compact". Wie bereits erwähnt befindet sich unter den beitragenden Autoren auch Robert Nef. Im Tagesanzeiger kann man ergänzend lesen, daß Matthias Erne im Rahmen eines "Mut zur Ethik"-Kongresses referiert habe und es eben dieser Vortrag sei, der im Sammelband "Erfolgsmodell Schweiz" abgedruckt ist. Die NZZ spottete in ihrer Rezension über Inhalt und Autorenkreis:
"Eine Querfront von links über liberal bis rechts präsentiert ein Trostbüchlein für die geschundene Schweizer Seele, erscheint das Land hier [d.h. in Bezug auf Deutschland als Verlagsort] doch als ein politisches, ökonomisches und bürgerrechtliches Vorbild. Die direkte Demokratie, die Selbstbestimmung bei den Steuern, das Milizsystem in Politik und Militär sowie die humanitären Leistungen werden im Stil schlichter Werbebroschüren besungen und scharf gegen den Zentralismus der verhassten EU und den «Imperialismus» der USA abgegrenzt. Der analytische Wert der kurzen, plakativen Texte dürfte für schweizerische wie für deutsche Leser eher gering sein, zumal die kritische Diskussion innerhalb der Schweiz nicht einmal in Andeutungen vorkommt."
Neben diesen personellen Zusammenhängen
ist zu beobachten, daß Gansers Werke und Ansichten auch über die
Publikationsorgane von VPM verbreitet worden sind. Da sich kein ausdrücklicher Widerspruch von seiner Seite und keine Distanzierung finden läßt, muß man wohl davon ausgehen, daß er indirekt auch von VPM-Netzwerken und deren Verbreitung seiner Werke profitiert, er über VPM bewirbt und bewerben läßt. Zeit-Fragen hat so etwa am
9. Juni 2008 unter dem Titel "Europa nach dem Zweiten Weltkrieg: Freiheitliche Demokratien oder Satelliten der USA? eine ausführliche Besprechung von Gansers
"NATO-Geheimarmeen" veröffentlicht, die Ganser sogar auf seiner eigenen
Webseite aufführt. Von einem Tobias Salander stammt ein Zeit-Fragen Artikel unter dem Titel "Gibt es eine Souveränität ohne Energie-Souveränität?"
(7.1.2013) , der sich Daniele Gansers Buch "Europa im Erdölrausch"
widmet. Dieser Artikel ist auf den Seiten von SIPER archiviert, hat also
wohl auch Gansers Zustimmung gefunden. Auf Ganser eingegangen wird auch
in
einem Artikel auf Zeit-Fragen unter dem Titel "Die Strategie der neuen Seidenstrassen – ein Friedensmodell für Eurasien" sowie in Current Concerns vom 1.6.2014 unter dem Titel "If oil and gas no longer flow and power supplies fail – then what?", ebenfalls von Tobias Salander geschrieben.
Salander ist auch einer derjenigen Rezensenten, den Ganser bei der Bewerbung seines Buches "Europa im Erdölrauch" mit einem dem Buch wohlgesonnenen Zitat anführt. In Verbindung mit einer Empfehlung von Gansers neuestem Buch "Europa im Erdölrausch" findet sich auch ein Interview mit dem Autor auf der "Seniora"-Webseite von Willy Wahl, die als Ableger von VPM gilt. Ob es sich bei diesem Interview um eine unautorisierte Kopie von einer anderen Webseite handelte oder um eine Kooperation bzw. abgesprochene Weiterverbreitung, konnte ich nicht feststellen, da die Original-Webseite nicht mehr zugänglich ist. Aber auch hier: Kein erkennbarer Widerspruch durch Daniele Ganser! Des weiteren berichtet Current Concerns über einen Veranstaltung eines "Forum Humanitäre Schweiz" aus dem Jahr 2008 und verweist dabei auf Gansers Vortrag sowie insgesamt das Thema private Militäreinheiten, worin sich wieder einmal eine recht deutliche Themen- und Interessenskonvergenz erkennen läßt. Daniele Gansers ASPO-Kollege Geri Müller hat sich vom VPM-Magazin "Zeit-Fragen" immerhin zweimal, zu einem geplanten Tierseuchengesetz und zum Krieg in Syrien, interviewen lassen.
Außer über Matthias Erne bestehen auch bei weiteren ASPO-Mitgliedern Verbindungen zwar nicht zu VPM selbst, aber zu weiteren sektiererhaften bzw. verschwörungsideologischen und tendentiell rechtsesoterischen Kreisen wie etwa zu der bereits erwähnten Plattform "911 untersuchen", bei der sowohl Daniel Vischer als auch Geri Müller (zusammen mit Daniele Ganser!) Mitglied sind, oder auch zu dem Schweizer Ableger von We Are Change. Es handelt sich nicht um weitere Vorstandsmitglieder (bzw. ich habe nicht systematisch nach den Verbindungen aller ASPO-Funktionsträger recherchiert), aber immerhin um zwei der insgesamt 11 Parlamentarier, die ASPO als Unterstützer aus der Politik gewinnen konnte: um Daniel Vischer (Nationalrat Grüne ZH) und Geri Müller (Nationalrat Grüne AG). Geri Müller ist ebenfalls politischer Partner von SIPER.
"We Are Change" ist laut Eigendarstellung eine "nonpartisan, independent media organization
comprised of individuals and groups working to expose corruption worldwide", sie bestehe aus
"independent journalists, concerned citizens, activists, and anyone who wants to shape the direction our world is going in". Ihr Ziel formuliert sie so:
"We seek to expose the lies of governments and the corporate elite who constantly trash our humanity."
Der "We Are Change"-Eintrag auf rationalwiki - ein Art online-Lexikon, das wie das deutschsprachige psiram auch kritisch über Verschwörungstheorien und -theoretiker informiert - klärt jedoch auf, daß WAC nicht nur rechtsgerichtete Werte propagiert sondern im Vorfeld der amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 tatsächlich auch eine wesentliche Rolle bei der Propagierung des republikanischen Kandidaten Ron Paul, der auch von Nazi-Verbänden wie Stormfront unterstützt wurde, gespielt haben. Dazu komme eine große Vielfalt an Verschwörungsdenken, wobei "New World Order" und "11. September" die Favoriten seien. Ein Zeit-Artikel von Joel Bedetti aus dem Jahr 2012, der explizit auch auf Schweizer Truther-Kreise, rechnet Chemtrails, Kornkreise und Illuminaten mit dazu, erwähnt allerdings auch, daß WAC-Protagonisten zunächst oft wie linke Globalisierungskritiker klingen können, was sicherlich auch das Funktionieren der im Umfeld der Truther-Bewegung praktizierten Querfrontstrategien mit erklären kann.
WAC-Gründer Luke Rudkowski wird von rationalwiki als rechtsgerichteter Aktivist und überführter Straftäter bezeichnet; seine NWO-Phantastereien gehen offenbar so weit, daß er von einer eugenischen Verschwörung einer globalen Elite ausgeht, die sich eines Teils der Weltbevölkerung entledigen wolle. Zusammen mit WAC organisiert er jährliche Proteste gegen "Illuminatentreffen" (Bilderberg und Bohemian Grove), wofür ihm anscheinend auch keine Reise zu weit ist. Aktuell betätigt sich Luke Rudkowski auch in Deutschland bzw. ist am 19.7.2014 auf der Bundeweiten Mahnwache in Berlin als Redner aufgetreten - als Redner gleich nach Evelyn Hecht-Galinsky und Rico Albrecht (Programm mit Rednerreihenfolge hier).
Wirft man einen Blick auf die Seite von "We Are Change Switzerland", so bekommt man dort u.a. auch die in Deutschland gängigen verschwörungsideologischen Querfrontmedien wie "nuoviso.tv", "Infokrieg.tv" und "Alles Schall und Rauch" empfohlen, wie auch "911untersuchen", an dem, wie oben schon gesagt, auch Ganser mitwirkt. Wie Sektenkritiker Hugo Stamm im Tagesanzeiger erläutert, hat WAC Switzerland auch Kontakte zu einheimischen sektenartigen Gruppierungen geknüpft:
"Die Geisteshaltung von WAC Switzerland kommt in der Verlinkung auf der Webseite zu anderen umstrittenen Organisationen zum Ausdruck. Aufgeführt werden die Zeitungen «Schweizerzeit» von SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer und «Zeit-Fragen», die von Exponenten der Psychosekte VPM redigiert wird. Vertreten sind auch die Anti-Zensur-Koalition, die vom Sektenführer Ivo Sasek (Organische Christus Generation) organisiert wird, und die Verschwörer von Infokrieg.tv, die das Naturrecht auf Selbstverteidigung fordern."
Aufsehen erregt hatte ein Interview, daß WAC Schweiz mit den besagten beiden Nationalräten Geri
Müller und Daniel Vischer am 23. Januar 2010 am Rande einer "Free Gaza"-Demonstration führen konnte. Für den eigentlichen medialen Skandal hatte wohl nicht allein der politische Hintergrund von WAC gesorgt, sondern auch die konkreten Reaktionen der beiden Herren. Vischer und Müller nahmen es laut Presseberichten unwidersprochen hin, als der Interviewer behauptete, daß "die Medienwelt durch zwei Organisationen zentralisiert ist: AP und Reuters. Und beide sind in der Hand einer Familie. Und die nennt sich Rothschild. Das ist keine Verschwörungstheorie." Anstatt zu protestieren, habe Müller anschließend sogar noch eine email an WAC geschrieben, in dem er die Organisation lobte, das "wohl das authentischste Interview" gemacht zu haben.
Auch Daniele Ganser hat sich von We Are Change interviewen lassen, allerdings in anderem Rahmen. Sein Interview mit
"We Are Change" wurde im Mai 2010 gemacht und bisher
- im Gegensatz zu dem WAC-Interview mit seinen ASPO-Kollegen Vischer und
Müller - offenbar
wenig bis keine kritische Beachtung gefunden. Hauptthemen des
WAC-Gespräches mit Ganser waren Gladio, die WAC-Vorstellungen von einer
"Weltregierung", denen sich Ganser - das muß man ihm zugute halten -
allerdings auf freundliche Weise verwehrte, sowie Gansers Sicht auf
9/11, auf die ich unten noch näher eigehen werde. Neben seinem Video-Interview mit WAC hat Ganser im Folgejahr (2011) noch an einer Sendung des BSCF Community Radio for Bristal zur 59. Bilderbergkonferenz in St. Moritz teilgenommen, zu der auch John Scobie von We Are Change Birmingham beitrug.
Die beiden grünen Nationalräte waren bereits zuvor, d.h. unabhängig von der WAC-Begebenheit in Kritik geraten aufgrund der Beobachtung von antisemitischen Tendenzen, ihrem Glauben an "alternative" Erklärungen für die Terroranschläge von 9/11 und dem Hang zu anderen Verschwörungstheorien, so daß man möglicherweise aus diesem Grunde hier genauer hingesehen hat als bei Daniele Ganser. Auch haben die von ihnen geäußerten Ansichten konkrete Bezüge zu ihrem politischen Engagement. Daniel Vischer ist Präsident der Gesellschaft Schweiz-Palästina und Vorstandsmitglied der Gesellschaft Schweiz- Islamische Welt. Geri Müller hat in der Schweiz offenbar seinen Ruf weg als einer derjenigen Parlamentarier, die die schärfste Israel-Kritik üben, wobei Müller dabei im Verein mit Vischer des öfteren wohl auch deutlich falsche Töne trifft und seinen Hamas- und Ahmadinedschad-Sympathien wenig Zwang anzutun scheint. Geri Müller und Daniel Vischer haben zusammen im Jahr 2007 eine Iranreise unternommen, die nicht zuletzt deswegen von der Schweizer Presse besprochen wurde, weil Geri Müller einer 21-jährigen Bernerin aus dem Iran heraus pornographische Aufnahmen seiner selbst geschickt hatte.
Die beiden Herren Nationalräte scheinen sich auch über die politische Lage im Nahen Osten hinaus einer international ausgerichteten Querfrontachse verschrieben zu haben. Geri Müller ist Präsident der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Rußland und demonstriert in seinen außenpolitischen Äußerungen immer wieder eine Nähe zur russischen Regierung.
Explizit hat Geri Müller sich gerade auch zur angespannten Situation im Kaukasus geäußert. Auf seinem blog findet sich ein Plädoyer für die Eigenstaatlichkeit von Ossetien und Abchasien. Die Rolle Rußlands, das Müller von der westlichen Staatengemeinschaft unfair behandelt wähnt, bewertet er dabei vorwiegend positiv:
"Die Russische Föderation schützt die Autonomiebestrebungen der beiden, in Südossetien werden russische Friedenstruppen stationiert. Russland versteht sich als Ordnungskraft in ihrem Einflussgebiet."
Von Tscherkessen bzw. Adygen, die den Abchasiern kulturell und historisch sehr nahe standen, ist bei ihm nicht die Rede, was angesichts der Realpolitik in der Kaukasusregion auch nicht verwunderlich ist: Im Falle der Abchasen und Osseten war Rußland deren Wunsch nach Unabhängigkeit von Georgien entgegengekommen, konnte Rußland so doch die von Georgien abgespaltenen Regionen unter eine Art Protektorat stellen; im Falle der innerhalb der Russischen Föderation beheimateten Tscherkessen würde sich dagegen alles Streben nach mehr Rechten und Autonomie gegen den russischen Zentralstaat richten. So äußert Müller denn auch kein Verständnis für Dekolonialisierungsbestrebungen von Nordkaukasiern innerhalb der Russischen Föderation; diejenigen Bevölkerungsgruppen, die nördlich der heutigen Landesgrenzen von Abchasien beheimatet waren bzw. in Überresten noch vorhanden sind, werden von ihm ignoriert.
In dieser ungleichen Bewertung zeigt sich denn, daß für Müller, anders als er es darstellt, weniger das Wohlergehen der Nordkaukasier und deren Recht auf Selbstbestimmung im Vordergrund steht als die geopolitischen Interessen der Rußländischen Föderation, sprich, es soll ein Ausgleich hergestellt werden für die von ihm wahgenommene stetige Expansion der Nato nach Osten, die seiner Meinung nach über die westliche Unterstützung für Autonomiebewegungen an der Peripherie des ehemaligen Ostblocks von statten geht. Auf Boykottforderungen im Vorfeld von Sotschi 2014 reagierte Müller folglich auch ablehnend und warnte: "Das wäre ein Riesenfehler. Damit erreicht man gar nichts."
Noch im Zusammenhang der Olympischen Spiele in Sotschi äußerte sich Müller auch zu Putins Ukrainepolitik. Die Basler Zeitung schreibt:
"Grünen-Nationalrat Geri Müller hat eine etwas andere Sicht als die
derzeitige medienbeherrschende Weltöffentlichkeit. Die Androhung eines
russischen Militärschlags sei «auch innenpolitische Rhetorik», sagt er
auf Anfrage von baz.ch/Newsnet. Putin hätte ursprünglich viel höhere
Forderungen gehabt. Dass er mit militärischer Präsenz das ehemals
sowjetische Gebiet besetze, sei aus seiner Sicht «verständlich». «Die
Schweiz würde sich aus dem Spiel nehmen, wenn sie in diesem Konflikt auf eine Seite kippte», sagt der Leiter der parlamentarischen Gruppe Schweiz - Russland. [...] Auf die Frage, ob man die Androhung eines Militärschlags akzeptieren
soll, sagt Müller: «Man muss es nicht akzeptieren. Aber genauso könnte
man die Einmischung des deutschen Aussenministers Frank-Walter
Steinmeier infrage stellen.»"
In einem wenig später veröffentlichten Interview hat Müller hinsichtlich der Ukraine-Krise darauf verwiesen, daß die Schweiz aufgrund der Fürsprache des russischen Gesandten auf dem Wiener Kongreß 1814 u.a. auch Rußland ihre (fortgesetzte) Existenz verdanke. Vor diesem Hintergrund plädiert er für eine Vermittlerrolle der Schweiz im Ukraine-Konflikt, der in seiner Sicht "einfach ein weiterer Konflikt gewissermassen im Vorgarten Russlands vergleichbar etwa mit dem Georgien-Konflikt" ist und fordert:
"Die Schweiz muss ganz einfach dafür sorgen, dass alle zu Wort kommen, die von diesem Konflikt betroffen sind. Sie muss alle an einen Tisch bringen. Dabei muss sie sich bewusst sein, dass die Ukraine als Konflikt zum Hegemonialbereich der Grossmacht Russland gehört. Putin erhebt dort Anspruch auf Vormacht."
Im Juni 2014 hat Müller ein geplantes aber aufgrund der Entwicklungen der letzten Monate verschobenes Freihandelsabkommen mit Rußland befürwortet und Gespräche für wichtiger als politische Signale befunden. Auf Anfrage habe er folgende Einschätzung der Situation mitgeteilt:
"Die Menschenrechte stehen in diesem Fall nicht zuoberst."
Sebst nach dem MH17-Abschuß sprach sich Müller noch gegen Sanktionen gegen Rußland aus, aus historischer Perspektive empfindet er Maßnahmen gegen Rußland als ungerecht und erwidert mit einem typisch postsowjetischen Whataboutism:
"Die Praxis muss überall gleich sein. Als die USA in den Irak einmarschierten, haben wir auch keine Sanktionen gegen die USA ergriffen."
Kaum weniger interessant als die Präsidentschaft Geri Müllers bei der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz Rußlands dürfte ein Detail aus der Biographie Daniel Vischers sein: Daniel Vischer hatte wohl auch DDR-Kontakte, genauer gesagt, Kontakte mit einem Stasi-Spion gehabt hatte und dieser hatte seinem eigenen Führungsoffizier gegenüber Vischer als Person beschrieben, die sich "für eine konspirative Arbeit für den Sozialismus" eigne. Hierin könnte man also ebenfalls einen Anknüpfungspunkt für russische Regierungsinteressen sehen. Unzweifelhaft dürfte jedenfalls sein, daß Vischer früher stramm die Linie der sojwetischen Machthaber verteten hatte. Die Weltwoche schreibt im Jahr 2008, Vischer habe in den 1960ern zu der moskautreuen POCH gehört und habe in seiner Funktion als deren Sekretär die Niederschlagung des Prager Aufstands als "nötige Kurskorrektur" gerechtfertigt. Zusammen mit seiner Partei habe Vischer für die Schweiz, so die Weltwoche, "den umgekehrten Weg" angestrebt, die Integrierung der Schweiz in das östliche System. Der Artikel schließt mit der Feststellung:
"In Vischers Welt herrscht sibirischer Frost statt Prager Frühling."
Bisher scheinen diese international ausgerichteten politischen Querfrontsumtriebe von Schweizer Nationalräten medial eher partiell wahrgenommen worden zu sein, d.h. vorrangig mit regionalem Bezug auf den Iran, Israel/Palästina und thematisch konzentriert auf Hinweise auf Antisemitismusverdachtsfälle und den Hang zu Verschwörungstheorien. Ausführlicher und systematischer ist dagegen ein Zeit-Artikel zur Truther-Bewegung aus dem Jahr 2012. Der Beitrag von Joel Bedetti geht explizit auch auf We Are Change und die Nähe eines Daniel Vischer, Geri Müller und sogar die eines Daniele Ganser zu Verschwörungstheoretikern im Truther-Umfeld ein. Detaillierter geschildert wird ein Auftritt Daniele Gansers in einer Fabrikhalle in Thun auf Einladung des Truthers Thomas Gasser (offenbar ein Mitglied von We Are Change); Ganser habe dort zwei Stunden lang seine Zweifel in Bezug auf die offizielle 9/11-Geschichtsversion präsentiert. Gemeint ist offenbar diese per Videoaufzeichnung festgehaltene Veranstaltung vom 7.9.2012, die vom Moderator mit einem Zitat
aus den Werken des Rundum-Verschwörungstheoretikers Gerhard Wisnewski eingeleitet wird:
Der Zeit-Artikel kommentiert zu dieser Veranstaltung:
"Der Historiker bewegt sich auf dem schmalen Grat, der einen Verschwörungstheoretiker von einem kritischen, aber mit Evidenz arbeitenden Historiker trennt. Selbst versichert er, ihm gehe es nur darum, Fragen zu stellen. Das unterscheide ihn von den meisten Truthern, die von einer Verschwörung überzeugt seien. »Ich weiß nicht, was am 11. September passiert ist«, sagt Ganser, er fordere nur eine neue Untersuchung. Mit ihm tun dies einige linke Schweizer Parlamentarier. Der Grüne Geri Müller, auch er hat eine entsprechende Onlinepetition unterschrieben, sagt, es gebe noch mehr Politiker, die Zweifel an der offiziellen Version von 9/11 hätten, aber sie wollten nicht dazu stehen. »Sobald man sich in dieser Sache äußert, ist man gebrandmarkt«, sagt er. Und das fördere das Misstrauen in die Politik. »Wenn man zu gewissen Themen nicht einmal Fragen stellen darf, stimmt etwas nicht.«"
Mir ergibt sich hier angesichts der bis hierher aufgezeigten Verflechtungen und gewisser inhaltlicher Konvergenzen der Eindruck, daß etwas mit Daniele Ganser wie auch mit ASPO bzw. zumindest eines Teils von ASPO und dessen Umfeld ganz und gar nicht ganz stimmen kann und in diesem Sinne kritisches Fragen dringend erforderlich ist. Verschwörungsideologisches zu 9/11, das ich in meinem nächsten blogpost thematisieren werde, einen wesentlicher Teil von Daniele Gansers Arbeit im Rahmen von SIPER aus und fließt - wie wir bereits einstiegs anhand des Vortrags von Alex Beaurieux ansatzweise gesehen hatten, auch in die Arbeit von ASPO Deutschland mit ein.
Wie groß der Einfluß der beiden grünen Nationalräte, Daniele Ganser wie auch Matthias Ernes auf die politische und weltanschauliche Ausrichtung von APSO Schweiz im Vergleich zu dem der übrigen ASPO-Mitglieder ist, ließe sich sicher ohne eine noch weitaus tiefer gehende Analyse nicht auf seriöse und sachliche Weise feststellen; es führt für mich an dieser Stelle schlicht zu weit, auch die verbliebenen ASPO Schweiz-Mitglieder auf ihren politischen und weltanschaulichen Kontext hin zu durchleuchten. Ganz unerheblich dürfte die Nähe zu Verschwörungsideologien samt des darin enthaltenen intellektuell doch recht schlichten Antiamerikanismus allerdings nicht sein, nicht zuletzt dürfte dieser Einfluß sich auch dadurch noch verstärken, daß Geri Müller seit 2003 Präsident der Schweizerischen Energiestiftung ist, mit der ASPO dann wiederum zusammenarbeitet.
Aktuell ist eine Fachtagung der Energiestiftung unter dem Titel "Fossile Schweiz. Der Preis der Abhängigkeit" für September 2014 geplant, auf der die Association for the Study of Peak Oil neben Geri Müller auch durch Daniele Ganser und Werner Zittel repräsentiert sein wird. Thema der Tagung sind u.a. auch "[u]nkonventionelle fossile Ressourcen wie Schiefergas und -öl", im Konferenzprogramm heißt es dazu:
"Es stellt sich die Frage, ob sich mit Ösand und Schiefergas Peak Oil sozusagen wegfracken lässt. Ausserdem sind die Umweltschäden bei der unkonventionellen Förderung massiv: Bei der Ölsandförderung werden in Kanada ganze Landstriche und Flüsse verseucht. Bei der Schiefergasförderung mittels Fracking sind die Gefahren der Verunreinigung von Trinkwasser eklatant."
Als
Referent geladen ist auch Andy Gheorghiu, der im Tagungsprogramm als
"[e]iner der Koordinatoren der Anti-Fracking-Bewegung in Deutschland"
vorgestellt wird, aber wohl auch an der internationalen Vernetzung von Anti-Fracking-Bewegungen keinen geringen Anteil hat. Andy Gheorghiu wurde jüngst in der TAZ unter der Schlagzeile "Den Anfängen wehren. Andy
Gheorghiu und viele andere engagieren sich mit Wissen und Leidenschaft
gegen das Fracking – weil die Behörden versagen." als einer der Anwärter
für den TAZ-Panterpreis vorgestellt. Ich erwähne das, um noch einmal
zumindest punktuell zu verdeutlichen, daß die Kontakte von ASPO Schweiz
und SIPER in der Tat bis in deutsche Anti-Fracking-Bewegung reichen.
In meinem folgenden post werde ich dann jedoch versuchen aufzuzeigen,
welchen Stellenwert 9/11-Theorien in Bezug auf SIPER haben, was von
Gansers Plädoyers für Wissenschaftsfreiheit und von seinem Monieren
versuchter Zensur zu halten ist, sowie daß Gansers Kontakte ins
rechtsesoterische Umfeld
dann letzendlich doch auch eine gewisse inhaltliche Affinität erzeugen und umgekehrt.
Irma Kreiten (Istanbul, den 22.8.2014)
Hinweis: Die hier wiedergegebenen Ansichten sind - wie stets - ausschließlich meine eigenen und nur von mir selbst zu verantworten. Links und Quellenangaben drücken kein Zustimmung zu den verlinkten Inhalten aus; ich distanziere mich für ausdrücklich von allen extremistischen Inhalten und/oder solchen, die rechtliche Bestimmungen und/oder den menschlichen Anstand verletzen und weise ausdrücklich darauf hin, daß derartige links lediglich zu Beleg- und Illustrationszwecken gesetzt werden.
2. Daniele Ganser und ASPO ("Association for the Study of Peak Oil and Gas")
Die Association for the Study of Peak Oil and Gas wurde ab 2000/2002 von dem britischen GeologenColin Campbell, der zuvor in der Ölindustrie tätig gewesen war, aufgebaut. Die Zielsetzung in Eigendarstellung ist:
"1. Define and evaluate the world's endowment of oil and gas
2. Model depletion, taking due account of demand, economics, technology and politics
3. Raise awareness of the serious consequences for Mankind."
Association for the Study of Peak Oil, Schweiz (Homepage) |
ASPO selbst beschreibt sich als "informal network working with a very small budget" und betont seine politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit:
"Perhaps its informal structure is its strength. It means that it can tell the truth freed of all the political, legalistic and commercial constraints that most organisations face."
ASPO Schweiz ist wie ASPO Deutschland auch im Jahr 2006 gegründet worden. Gründungsmitglieder von ASPO Schweiz waren neben Daniele Ganser selbst Basil Gelpke (Publizist), Matthias Erne (Anwalt), Dr. Fred Stumm (Erdölgeologe) und Dr. Walter Ziegler (Erdölgeologe). Der Vorstand arbeite ehrenamtlich, der gemeinnützige Verein sei unabhängig und gehöre keiner Partei oder Industrie an, so liest man auf der ASPO-Webseite. Daniele Ganser wird mittlerweile als ehemaliger Präsident von ASPO Schweiz geführt und leitet heute das inhaltlich verwandte "Swiss Institute for Energy and Peace Research", kurz SIPER. Alexander Beaurieux, der den Ausgangspunkt meiner Blogartikel-Serie zu Daniele Ganser bildete, ist bei SIPER als einer von insgesamt zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern tätig und stellt damit das Verbindungsglied zwischen ASPO Deutschland, in dem Beaurieux selbst Vorstandsmitglied ist, und ASPO Schweiz sowie SIPER dar. Hier wird es demzufolge um drei Peak-Oil-Institutionen und ihre personellen Verbindungen über Daniele Ganser gehen.
Daniele Ganser: Ausbildung, Mentoren und erste Karriereschritte
Beginnen möchte ich hier mit einem kritischen Blick auf Daniele Gansers Werdegang. Daniele Ganser hat zunächst zwölf Jahre lang eine Rudolf Steiner-Schule besucht und dann seinen Schulabschluß am Holbein-Gymnasium gemacht. Der Schultyp Gansers ist für seine weitere Laufbahn insofern nicht unerheblich, als der Schweizer Historiker auch - wie ich in den folgenden posts zeigen werde - auch weiterhin den Kontakt zu Anthroposophen hält bzw. genauer gesagt zu deren rechtem Spektrum und sich in seinem unmittelbaren Umfeld auch weitere Vernetzungen mit rechtsesoterischen Ökokreisen finden lassen. Ab 1992 hat Ganser an den Universitäten Basel und Amsterdam Geschichte studiert, sein Lizentiat hat er 1998 abgelegt. Im Anschluß hat er an der Universität Basel und der London School of Economics zum Thema geheime Kriegsführung geforscht.
Karrierestationen in Eigendarstellung |
"I had finished my university studies in history in 1998 and I was looking for a Ph.D. research topic. At that time, I did research on the 1962 Cuban Missile Crisis (...) . When I compared the role of the United States government in diplomatic terms, with the parallel covert operations of the CIA, I discovered that the United Nations was helpless,when confronted with covert actions. So , by 1998, I was very interested in covert actions. William Blum, who has written on secret warfare in the United States, advised me to look at Operation Gladio. (...) I said: "I'll do it." And, nobody discouraged me."
William Blum gehört u.a. zum illustren Kreis derjenigen englischsprachigen Autoren, die von einer einigermaßen opaken Moskauer Einrichtung namens "INVISSIN" als Beispiele für eine sogenannte "alternative" Geschichtsschreibung des Westens auf Russisch publiziert werden (zu INVISSIN siehe Teil VII). Blum ist auch mit dabei bei etlichen neueren Querfrontprojekten, die sich an Diskurse der russischen Regierung und/oder duginschen Neu-Eurasismus anlehnen (auf die Hintergründe der hier genannten Organisationen und Plattformen werde ich ebenfalls in Teil VI näher eingehen): Blum ist als Autor im Kai Homilius Verlag - dem Publikationspartner Jürgen Elsässers - vertreten, er hat für Voltairenet geschrieben, ist vor allem aber auch bei globalresearch mit eigenen Artikeln umfänglich präsent.
William Blum, der hier als eine Art Mentor Daniele Gansers in Erscheinung tritt, kann anhand seiner Publikationen wie auch der hier angerissenen Netzwerke wohl gut und gerne als einer derjenigen linken Intellektuellen betrachtet werden, die vor dem Falle der Sowjetunion den Part eines "Agent of Influence" erfüllten. Das heißt, sie hatten viel Enthüllendes zum US-Imperialismus, aber wenig kritische Distanz zum Freund im Osten zu bieten und betrieben damit eine Art Imagepflege (ob nun absichtlich oder unbewußt) im prosowjetischen Sinne.
Abby Martin (RT) interviewt Blum |
Auch von Noam Chomsky muß Ganser unterstützt worden sein, denn in seiner 2004 unter dem Titel publizierten Doktorarbeit dankt er sowohl Chomsky als auch Blum (S.XVI):
"Furthermore my gratitude goes to the Washington-based CIA author William Blum who first drew my attention to Gladio and taught me a lot on covert action and secret warfare. Very warm thanks also go to Professor Noam Chomsky in Boston who not only encouraged my research, but also provided me with valuable contacts during our meetings in the United States and in Switzerland."
Ein Indikator dafür, daß die Unterstützung Gansers durch Noam Chomsky nicht nur ephemerer Natur war, findet sich in einem Interview, das die anthroposophische Zeitschrift "Der Europäer" im Jahr 2005 mit Ganser geführt hat. Chomsky bemühe sich, so Ganser darin, "die Dinge anzusprechen, ohne von Anfang an einen Schleier desVertuschens über die Dinge zu legen", deswegen sei er auch von "NATO's Secret Armies" fasziniert gewesen und habe vorab Gansers Typoskript gelesen. Bei dieser Gelegenheit erwähnt Ganser dann auch, daß der Austausch mit Chomsky bereits auf sein erstes Buch zur Kubakrise zurückgeht:
"Chomsky hat dieses Buch damals gelesen, er war einer der Wenigen, die mich bei dieser Arbeit unterstützten, denn er fand es wichtig, dass mal jemand am konkreten Beispiel darstellt, warum die Weltfriedensorganisation UNO gegenüber der verdeckten Kriegsführung machtlos ist. Wir sind also durch unsere Forschung und unsere Interessen verbunden und haben uns auch schon in den USA und in der Schweiz getroffen. Und so hat er auch meine Forschungen zu den NATO-Geheimarmeen begleitet und immer wieder Manuskripte gelesen. Er kennt das Material."
Buchcover (Pluto Press) |
In einem Video-Interview mit Jan Gaspard von Nexworld TV erwähnt Ganser weitere Details. Er erwähnt die Lektüre von Chomsky-Büchern als einen wesentlichen Faktor, der ihn beim Setzen seiner eigenen Forschungsschwerpunkte beeinflußt habe. Er habe daraufhin Chomsky auch persönlich in Boston besucht und sich von ihm Rat geholt. Er habe, so Ganser zu Gaspard, viel von Chomsky gelernt und dieser habe ihm auch noch weitere Gesprächspartner vermittelt, d.h. es ist davon auszugehen, daß Chomsky den Schweizer Doktoranden an seinen eigenen akademischen Netzwerken hat teilhaben lassen. Diese Kooperation zwischen Ganser und Chomsky hat sich denn auch in weiteren Publikationen niedergeschlagen. So bezieht sich Chomsky in seinem "Hegemony and Survival: America's Quest for Global Dominance" (2003) auch explizit auch auf Gansers erstes Buch "Reckless Gamble"; im Jahr 2012 ist ein Sammelband unter dem Titel "Weapon of the Strong. Conversations on US State Terrorism" erschienen, der Aufsätze von Noam Chomsky, Judith Butler, Norman G. Finkelstein, Marjorie Cohn, Daniele Ganser u.a. vereint.
Daniele Ganser wurde 2001 an Universität Basel promoviert, seine Dissertation ist erstmals im Jahr 2005 auf Englisch veröffentlicht worden als "NATO's Secret Armies: Operation Gladio and Terrorism in Western Europe". Seit Ende 2011 leitet Daniele Ganser mit SIPER sein eigenes Forschungsinstitut. Welche Karriereschritte und Forschungsinteressen haben ihn dort hingeführt? Beschäftigen wir uns hier ein wenig näher mit der Zeit zwischen der Fertigstellung von Gansers Dissertation und der beruflichen Zwischenschritte, die ihn über ASPO und weitere Projekte zur Gründung von SIPER geführt haben.
Ganser listet seine zwischenzeitlichen außerakademischen Betätigungen in seinem Lebenslauf offen auf, füllt sie allerdings kaum mit Inhalten. Insbesondere geht er in seinen Vorträgen und Interviews nicht darauf ein, wie sich diese Karrierephase in das Bild des friedensbewegten, verantwortungsbewußten und ökologisch handelnden Ausnahmewissenschaftlers einfügen. Dabei wäre es ja durchaus nicht uninteressant gewesen, von einem individuellen Aushandlungsprozeß zwischen gesellschaftlicher Anpassung einerseits und wissenschaftlicher Autonomie andererseits zu erfahren. Ganser war von 2001-2003 als Senior Researcher bei Avenir Suisse, einem liberalen Wirtschafts-Think Tank angestellt. Wie ein kritischer, aber doch auch um Fairness bemühter indymedia-Artikel erläutert, bedeutete die Anstellung bei Avenir Suisse letztendlich auch Arbeit für die Interessen von u.a. Nestlé, Jacobs, Novartis und Roche und stellt damit - angesichts Gansers eigenen Ansprüchen an sich selbst sicher zurecht - die Frage nach der ethischen Vereinbarkeit.
Jürgen Elsässer wirbt für "Erfolgsmodell Schweiz" |
Die Tätigkeit Daniele Gansers für Avenir Suisse ist jedoch jenseits moralischer Urteilsfälligen auch insofern für ein Verständnis der späteren Projekte Gansers interessant, als Avenir Suisse gezielt auch die internationale Einbindung der Schweiz thematisiert. In seinem Artikel "Jenseits der Europäischen Union? Alternativen zur Schweizer Integrationspolitik" aus dem Jahr 2003 denkt Ganser nach über Alternativen zu einem EU-Beitritt nach und erwähnt in diesem Zusammenhang ein Gespräch zwischen Robert Nef und dem russischen Ökonom Vladimir Gutnik, in dem Nef den Vorstoß gemacht haben soll, die Europäische Freihandelsorganisation (EFTA) durch neue Mitglieder wie etwa Rußland zu stärken. Robert Nef ist Co-Autor des Buches "Erfolgsmodell Schweiz" (mehr dazu unten) und soll seit 1997 Mitherausgeber der "Schweizer Monatshefte" sein, in denen der hier erwähnte Artikel von Ganser erschienen ist.
Da Ganser seinerseits wiederum über ASPO mit Matthias Erne zusammengearbeitet hat (siehe auch untenstehenden Abschnitt zu ASPO Schweiz), scheint mir, daß sich hier dann doch eine gewisse inhaltliche Kontinuität in Gansers Weg von Avenir Suisse über ASPO hin zu SIPER ergibt. Anhand dessen stellt sich die Frage, inwieweit hier nationale Schweizer Interessen bzw. die hochgestellter Kreise aus Wirtschaft und Politik einerseits und die Form von Gegenöffentlichkeit, wie sie von Daniele Ganser vertretenen wird (Anknüpfen an "linke" internationale Diskurse, aber auch Verschwörungstheorien und Rechtsesoterik) dann doch, d.h. obwohl sie auf den ersten Blick so überhaupt nicht zueinander passen wollen, ineinander verschränkt sind und mit dem Bemühen der Schweiz, gegen eine zunehmende internationale Isolierung als eine unerwünschte Folge der EU-Politik anzukämpfen.
Laut Gansers eigener Biographi war er von 2003-2006, also im Anschluß an seine Tätigkeit für Avenir Suisse, am Center for Security Studies der ETH Zürich angestellt, zu seinen dortigen Aufgabenbereichen hätten Sicherheitspolitik, Globalisierung, verdeckte Kriegsführung und Menschenrechte gehört. Ganser selbst hebt die friedenspolitischen Aspekte dieser Tätigkeit hervor und betont, daß es seine dortige Aufgabe gewesen sei, "den Einfluss der Globalisierung auf Krieg und Frieden" zu untersuchen (bzw. ausführlicher: "how Swiss and international companies support and profit from war, or alternatively, promote peace through corporate social responsibility"), sowie daß er als "Mitglied der Expertengruppe zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte im EDA" fungiert habe. Letzendlich aber stand er über die ETH auch in Kontakt mit MILAK, der an die ETH angeschlossenen Militärakademie zur Ausbildung von Berufsoffizieren. Der obengenannte indymedia-Artikel zu Daniele Ganser spricht von einem "Studium" an MILAK, hierfür habe ich allerdings keine Belege gefunden; vielleicht beruht diese Aussage auf einem Mißverständnis aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen Promotion und der Veröffentlichung von Gansers Dissertation als Buch. In einem türkischen Zeitungsbericht heißt es, Ganser habe 3 Jahre an MILAK gedient, aber auch hier kann ein Fehler bzw. ein Mißverständnis vorliegen.
Laut seinen offiziellen CVs hat Daniele Ganser an MILAK geforscht. Gansers Interesse an Geheimarmeen dürfte dabei mit den Interessen dieser Institution zur Deckung gekommen sein. In einem Artikel der ASMZ (Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift) von 2006 heißt es so nicht nur, daß Ganser " Schweizer Historiker mit Spezialgebiet verdeckte Kriegsführung" sei und er "zu diesem Themenbereich an der MILAK geforscht" habe, sondern seine Forschung wird auch in einen weiteren nationalen Zusammenhang gestellt:
"Für die Schweiz ist es wichtig herauszufinden, ob der «Krieg gegen den Terrorismus» tatsächlich der Terrorbekämpfung dient oder ob er als Täuschungsmanöver im Vorfeld einer Energiekrise geführt wird. Erst wenn diese zentrale Frage geklärt ist, kann sich die Schweiz sicherheitspolitisch geschickt für die Zukunft positionieren und entweder den Kampf gegen den Terror oder aber das Bemühen um Energiesicherheit zur ersten Priorität erklären, denn Zeit und Mittel sind beschränkt."
Aus Daniele Gansers ASZM-Artikel |
Gansers Karriereabschnitte bei Avenir Suisse, EDA und MILAK zeigen jedoch allemal, daß das Bild von ihm als einem Geisteswissenschaftler, der auf idealistische Weise und auf individueller Basis nach Aufklärung, Wahrheit und generell einer besseren Welt strebt, verkürzt ist. Ganser ist auch ein Karrieremensch, der sich in der Welt der internationalen Konzerne und militärischer Interessen offenbar nicht schlecht zurechtgefunden hat und dessen Beschäftigung mit Geheimarmeen in weitere (nationale) Interessenslagen eingebunden war. Ich nehme zudem an, daß die auf diese Weise gesammelten Erfahrungen und Kontakte nicht unerheblich waren für das spätere Funktionieren von SIPER als "unabhängigem" Forschungsinstitut.
Von 2007-2010 war Ganser wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter des Departament Geschichte der Universität Basel; verwiesen wird auf eigenes Forschungsprojekt zu "Peak Oil", zu dem ich jedoch keine weiteren Informationen gefunden haben. Als Forschungsschwerpunkte werden benannt: Internationale Zeitgeschichte seit 1945, Verdeckte Kriegsführung und Geostrategie, Geheimdienste und Spezialeinheiten, Peak Oil und Ressourcenkriege sowie Wirtschaft und Menschenrechte. Parallel hierzu hat Ganser bereits für die 2006 gegründete ASPO gearbeitet und auch in Verband mit der Universität verschiedene APSO-Tagungen (siehe z.B. hier) durchgeführt. Betrachten wir nun also mit ASPO Schweiz die nächste Station von Gansers Wirken und sein dortiges Umfeld.
ASPO Schweiz, Fracking, VPM und "We are Change"
ASPO Schweiz hat laut Satzung u.a. folgenden Vereinszweck:
"Beitragen, dass die zuständigen Staatsorgane zeitgerecht Strategien entwickeln können, um so die Folgen einer abnehmenden Verfügbarkeit von Erdöl und Erdgas zu mildern, Energieverluste zu minimieren, Energieeffizienz zu erhöhen, erneuerbare Energiequellen zu fördern und damit die Abhängigkeit der Schweiz von Erdöl und Erdgas zu reduzieren und so in Übereinstimmung mit Art. 89 der Bundesverfassung zu einer ausreichenden Energieversorgung zu kommen, die breit gefächert, sicher, wirtschaftlich und umweltverträglich ist."
sowie
"Untersuchen, welches die Wechselwirkungen zwischen dem Phänomen Peak Oil einerseits und Ressourcenkriegen, Terror und Klimaveränderung andererseits sind."
Fracking und Kritik daran sind in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema, wenn dieses auch in erster Linie über Dr. Werner Zittel vermittelt wird, der für ASPO Deutschland tätig ist, andererseits aber auch explizit als einer der Ideengeber von ASPO Schweiz genannt wird. Bei ASPO Schweiz selbst sind die Themen "Fracking" und "Fracking-Kritik" ebenfalls nicht schwer aufzufinden. Der Newsletter 1/2014 von ASPO Schweiz widmet sich etwa ganz dem Thema "Schiefergas und Industrie. Beschert der Shale Boom der amerikanischen Industrie eine Renaissance und stösst die EU tiefer in die Krise?". Ein "Dokumentationspapier" von ASPO Schweiz aus dem Jahr 2011 untersucht den Komplex "Schiefergas. Produktion, Potential, Problematik" und diskutiert "die Umweltproblematik der Schiefergasförderung und mögliche geopolitische Implikationen". In dem Dokumentarfilm "A Crude Awakening: The Oil Crash", der von Basil Gelpke, dem ehemaligen Vizepräsidenten von ASPO Schweiz, mitproduziert wurde und in dem auch Daniele Ganser zu Wort kommt, wird das Thema immerhin gestreift (z.B. ab Minute 36). Daniele Ganser selbst baut das Thema Fracking immer wieder in seine Ausführungen zu Energiepolitik ein.
Daniele Ganser in "A Crude Awakening - The Oil Crash" |
Ein Interview von Ganser explizit zum Thema Fracking ist im Mai 2013 unter dem Titel "Fracking: Die Erde aufreissen?" erschienen und bezieht sich wiederum auf Werner Zittel und die mit seiner Person in Verbindung stehende Energy Watch Group. Veröffentlicht ist das Interview in einem kleinen alternativen Presseorgan namens "Zeitpunkt", auf das einen gründlicheren Blick zu werfen sich lohnt, denn es verdeutlicht, wohin etliche der über ASPO laufenden Kontakte Daniele Gansers führen. Das Interview Gansers in dieser Zeitschrift wird mir hier als Einstieg in die Betrachtung der problematischeren Seiten von ASPO Schweiz und Gansers Aktivitäten in diesem Rahmen dienen.
Zeitpunkt ist eine kleine Schweizer Zeitschrift mit esoterisch-ökologischem Themenspektrum, deren Wirkungskreis allerdings offenbar bis nach Deutschland reicht, denn auch ein Konstanin Wecker scheint sie gerne zu lesen. Der Herausgeber des "Zeitpunkt" Christoph Pfluger hat gleich mehrfach mit kurzen Meldungen über Daniele Ganser (hier zu seinem Buch über die NATO-Geheimarmeen) und Veranstaltungen mit ihm berichtet (z.B. hier und hier). Über eine Veranstaltung, an der Ganser mit einem Vortrag zur Energiewende teilnahm, hat Zeitpunkt unter dem Titel "Heilsame Strahlen aus Gösgen" berichtet: Bei der Veranstaltung handelte es sich um eine Art Seminar der sogenannten "Aku-Wirkstatt. Forum für Zeitfragen" im Dezember 2012, bei dem Ganser nach seinen beiden Vorrednern, einem Astrologen und Maya-Experten sowie einem "Sonnenwanderer" zum Thema "Der globale Kampf ums Erdöl. Warum wir die Energiewende brauchen" vortrug. An der ersten Veranstaltung der "Aku Wirkstatt" im November 2012 waren Themen wie "die Illusion des Geldes und ihre Wirkung auf Mensch und Welt", "die unbekannte Kunst der sozialen Akupunktur" oder auch - vorgetragen von Martin Frischknecht, dem Macher des rechtsesoterischen "Alpenparlament TV" - "Die Bedeutung der Wassermoleküle für unseren Organismus-unser inneres Biotop" behandelt worden.
"Heilsame Strahlen aus Gösgen" |
Auch die Netzwerke von Martin Frischknecht, dem Schweizer Elektroingenieur, Verschwörungsideologen und Betreiber des Alpenparlament TV, und Ganser haben sich noch weitere Male überschnitten. Ganser hat sich im Folgejahr von Alpenparlament TV interviewen lassen (siehe weiter unten). Der damalige Alpenparlament TV-Mitarbeiter Michael Vogt hat Ganser nun wiederum zu einem eigenen rechtsesoterischen Projekt eingeladen hat (mehr dazu in einem weiteren post). Zudem bezieht Frischknecht seine Verschwörungstheorien u.a. von Jan van Helsing, der wiederum mit Nexworld TV kooperiert, einem Sender, bei dem sich ebenfalls ein Interview mit Daniele Ganser findet (oben bereits erwähnt).
Ich hoffe man sieht: Es entfaltet sich hier selbst bei nur flüchtiger Betrachtung fast schlagartig ein wahres Feuerwerk an Vernetzungen und Querverbindungen in (rechts-)esoterische und verschwörungstheoretische Milieus, so daß es praktisch unmöglich scheint, dem allem ohne größeren Aufwand - und vor allem auf systematische Weise - nachzugehen. Das Faszinierende an Ganser und seinen Kontakten in (rechts-)esoterische und verschwörungstheoretische Milieus jedoch ist: man kann diesen Linien in die unterschiedlichsten Richtungen folgen und kommt doch meist wieder an Knotenpunkten aus, die ganz ähnliche Themen bündeln und an denen die Wege von Personen, die einander bereits von anderswo kennen, erneut kreuzen. In weiteren Beiträgen werde ich versuchen, Ganser in diese unterschiedlichen Kontexte zu folgen - er dient mir sozusagen als rote Linie, um mich nicht heillos in diesem Gewirr von Netzwerken, Gruppen und Grüppchen zu verlieren - und exemplarisch einige der reichlich vorhandenen Querverbindungen offenzulegen. Bleiben wir hier jedoch noch ein wenig bei ASPO Schweiz, denn Ganser ist dort nicht der einzige mit einschlägigen Kontakten in Eso- und Sektenkreise.
Einen ersten Ansatzpunkt zur Aufdeckung dubioser Kontakte im ASPO-Umfeld hat mir oben bereits zitierter indymedia-Artikel zu Daniele Ganser geliefert: Er legt dar, daß mit Matthias Erne eines der Gründungsmitglieder von ASPO Schweiz ein Anhänger der VPM-Sekte war. Der "Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis" (kurz VPM) war eine Vereinigung, die vordergründig für einen gewaltfreien zwischenmenschlichen Umgang eingetreten war, sich friedenspolitische Positionen zu eigen gemacht hatte und sich vorwiegend aus Akademikern rekrutierte. Ursprünglich war das Milieu, aus dem VPM hervorging, links bzw. anarchistisch geprägt gewesen, unter Annemarie Buchholz-Kaiser nahmen die ehemaligen Schüler des Amateur-Psychologen Friedrich Liebling jedoch ab 1982 Kurs nach rechts. Laut der Rechtsextremismus-Forscher Martin Dietzsch und Anton Maegerle war VPM, der sich aus diesem Schwenk in der politischen Orientierung entwickelte der Kagetorie "Politisierende Psycho-Sekten" zuzurechnen und wurde von ihnen zu denjenigen Vereinigungen gezählt, die entweder selbst rechtsextrem sind oder rechtsextremen Positionen zuarbeiten. In der Vergangenheitsform ist hier deshalb die Rede, weil VPM aufgrund von scharfer Kritik im Jahr 2002 formal aufgelöst worden ist.
Dreiecksbeziehung: Jürgen Elsässer - VPM/Mut zur Ethik - Kai Homilius Verlag |
Allerdings wurde auch nach 2002 noch die "Mut zur Ethik" genannte VPM-Konferenzreihe fortgesetzt. Von hier aus reichen Verbindungen ins deutsche Querfront-Umfeld und bis hin zu den Montagsmahnwachen. Die deutsche Querfront scheint sich der VPM-Konferenzen gerade auch zur gegenseitigen Vernetzung bedient haben. So hatte etwa Jürgen Elsässer sich in diesem Umfeld bewegt und an "Mut zur Ethik"-Konferenzen und anderen VPM-Veranstaltungen teilgenommen (z.B. in den Jahren 2006 und 2010), aber auch der ehemalige Oberstleutnant Jochen Scholz (Mitglied bei Die Linke), mit dem ich mich in einem früheren blogpost bereits ausführlicher beschäftigt hatte und der nun ebenfalls mehrfach auf Mahwachen gesichtet worden sein soll.
Auch das Organ von VPM, "Zeit-Fragen" bzw. als englische Ausgabe unter dem Titel "Current Concerns" geführt, besteht weiter, die Tätigkeit der Europäischen Arbeitsgemeinschaft "Mut zur Ethik" reichte mindestens bis ins Jahr 2010. Verschiedene weitere Aktivitäten legen nahe, daß sich der Verein aufgesplittet und anders organisiert hat, das Umfeld aber weiter besteht, etwa in Form einer "Vereinigung gegen mediale Gewalt" bzw. generell über informelle Netzwerke und lose politische Interessensgemeinschaften. Der Tagesanzeiger schrieb im Jahr 2010, d.h. weit nach der formalen Auflösung, aber noch vor dem altesbedingten Tod der VPM-Gründerin Annemarie Buchholz-Kaiser (im Mai 2014):
Kritischer Nachruf im Schweizer Tagesanzeiger |
Der Schweizer Sekten-Experte Hugo Stamm, der in den Jahren zuvor wie andere VPM-Kritker von sSektenmitgliedern regelrecht überwacht und eingeschüchtert worden war, hatte im Jahr 2013 beobachtet, daß sich Mitglieder der früheren Sekte offenbar neu formierten und von Zürich aufs Land zögen. Er soll zudem ab 2003 einen Wandel von einer Psychosekte hin zu einer rechten Politsekte festgestellt haben; insbesondere sei es bei der SVP zu Einflußnahmen bzw. einer Unterwanderung gekommen (Quellen hierzu, leider im Original nicht mehr abrufbar, hier). Matthias Erne wurde von Stamm als SVP-naher "VPM-Aktivist" bezeichnet.
Laut NZZ war Erne sogar selbst Redakteur des VPM-Organs "Zeit-Fragen" gewesen und trat 2003 mit anderen ehemaligen VPM-Mitgliedern gegen den Umbau der Schweizer Armee, d.h. gegen das Konzept der "Sicherheit durch Kooperation" und gegen die empfundene "Auslandshörigkeit" der Schweiz an. Über das sogenannte "Eidgenössische Komitee für eine direkt-demokratische, neutrale und souveräne Schweiz" sei mittels ehemaliger VPM-Leute der "Widerstand gegen den befürchteten Ausverkauf der schweizerischen Souveränität" organisiert worden und habe als gemeinsame Triebfeder gedient. Es sei Matthias Erne gewesen, der zusammen mit einem Mitstreiter "das 2001 publizierte Gutachten des deutschen Rechtsgelehrten Karl Schachtschneider, in dem die Armee XXI als verfassungswidrig taxiert wurde", initiiert habe. Erst 2013 noch hat Erne in einem "Zeit-Fragen" Artikel gegen die "pazifistische Linie der Parteiführung" der SP gewettert; die englische Übersetzung des Artikels ist auch auf voltairenet (auf die mutmaßlichen Verbindungen zwischen VPM und voltairenet gehe ich in einem späteren Beitrag ein) erschienen.
Es bleibt zu ergänzen, daß Schachtschneider ebenfalls VPM-nah war, mittlerweile auch durch rechtsextreme Kontakte wie etwa zum Studienzentrum Weikersheim in die Kritik geraten ist und 2011 bei einer "Compact"-Veranstaltung Jürgen Elsässers aufgetreten ist. Laut psiram ist er "einer der prominenteste EU-Gegner", "eindeutig als Verschwörungstheoretiker einzuordnen", hatte zumindest im Jahr 2005 auch Kontakt zur Politsekte BÜSO/Larouche (zu ihr und Gansers Verbindungen zu dieser Organisation schreibe ich ebenfalls noch gesondert) und hat sich, genau wie Ganser, ebenfalls von Michael Vogt interviewen lassen. Ich schildere dies so detailliert, weil hier eine doch recht eng gestricktes Netzwerk zum Ausdruck kommt und mir die politische Haltung Ernes letzendlich auch mit Gansers NATO-Kritik zusammenzupassen scheint. Damit möchte ich nicht suggerieren, daß Ganser bei VPM war oder ist, sondern daß über inhaltliche Schnittmengen und gemeinsame Interessen eine gewisse Anschlußfähigkeit vorhanden ist.
Matthias Erne hat zudem 2010 zusammen mit Jürgen Elsässer das bereits erwähnte Buch mit dem Titel "Erfolgsmodell Schweiz. Direkte Demokratie, selbstbestimmte Steuern, Neutralität" veröffentlicht, erschienen ist es im Kai Homilius Verlag, dem Kooperationspartner von Elsässers "Compact". Wie bereits erwähnt befindet sich unter den beitragenden Autoren auch Robert Nef. Im Tagesanzeiger kann man ergänzend lesen, daß Matthias Erne im Rahmen eines "Mut zur Ethik"-Kongresses referiert habe und es eben dieser Vortrag sei, der im Sammelband "Erfolgsmodell Schweiz" abgedruckt ist. Die NZZ spottete in ihrer Rezension über Inhalt und Autorenkreis:
"Eine Querfront von links über liberal bis rechts präsentiert ein Trostbüchlein für die geschundene Schweizer Seele, erscheint das Land hier [d.h. in Bezug auf Deutschland als Verlagsort] doch als ein politisches, ökonomisches und bürgerrechtliches Vorbild. Die direkte Demokratie, die Selbstbestimmung bei den Steuern, das Milizsystem in Politik und Militär sowie die humanitären Leistungen werden im Stil schlichter Werbebroschüren besungen und scharf gegen den Zentralismus der verhassten EU und den «Imperialismus» der USA abgegrenzt. Der analytische Wert der kurzen, plakativen Texte dürfte für schweizerische wie für deutsche Leser eher gering sein, zumal die kritische Diskussion innerhalb der Schweiz nicht einmal in Andeutungen vorkommt."
Review von Current Concerns |
Salander ist auch einer derjenigen Rezensenten, den Ganser bei der Bewerbung seines Buches "Europa im Erdölrauch" mit einem dem Buch wohlgesonnenen Zitat anführt. In Verbindung mit einer Empfehlung von Gansers neuestem Buch "Europa im Erdölrausch" findet sich auch ein Interview mit dem Autor auf der "Seniora"-Webseite von Willy Wahl, die als Ableger von VPM gilt. Ob es sich bei diesem Interview um eine unautorisierte Kopie von einer anderen Webseite handelte oder um eine Kooperation bzw. abgesprochene Weiterverbreitung, konnte ich nicht feststellen, da die Original-Webseite nicht mehr zugänglich ist. Aber auch hier: Kein erkennbarer Widerspruch durch Daniele Ganser! Des weiteren berichtet Current Concerns über einen Veranstaltung eines "Forum Humanitäre Schweiz" aus dem Jahr 2008 und verweist dabei auf Gansers Vortrag sowie insgesamt das Thema private Militäreinheiten, worin sich wieder einmal eine recht deutliche Themen- und Interessenskonvergenz erkennen läßt. Daniele Gansers ASPO-Kollege Geri Müller hat sich vom VPM-Magazin "Zeit-Fragen" immerhin zweimal, zu einem geplanten Tierseuchengesetz und zum Krieg in Syrien, interviewen lassen.
Außer über Matthias Erne bestehen auch bei weiteren ASPO-Mitgliedern Verbindungen zwar nicht zu VPM selbst, aber zu weiteren sektiererhaften bzw. verschwörungsideologischen und tendentiell rechtsesoterischen Kreisen wie etwa zu der bereits erwähnten Plattform "911 untersuchen", bei der sowohl Daniel Vischer als auch Geri Müller (zusammen mit Daniele Ganser!) Mitglied sind, oder auch zu dem Schweizer Ableger von We Are Change. Es handelt sich nicht um weitere Vorstandsmitglieder (bzw. ich habe nicht systematisch nach den Verbindungen aller ASPO-Funktionsträger recherchiert), aber immerhin um zwei der insgesamt 11 Parlamentarier, die ASPO als Unterstützer aus der Politik gewinnen konnte: um Daniel Vischer (Nationalrat Grüne ZH) und Geri Müller (Nationalrat Grüne AG). Geri Müller ist ebenfalls politischer Partner von SIPER.
WAC Schweiz - Interview mit Daniele Ganser |
comprised of individuals and groups working to expose corruption worldwide", sie bestehe aus
"independent journalists, concerned citizens, activists, and anyone who wants to shape the direction our world is going in". Ihr Ziel formuliert sie so:
"We seek to expose the lies of governments and the corporate elite who constantly trash our humanity."
Der "We Are Change"-Eintrag auf rationalwiki - ein Art online-Lexikon, das wie das deutschsprachige psiram auch kritisch über Verschwörungstheorien und -theoretiker informiert - klärt jedoch auf, daß WAC nicht nur rechtsgerichtete Werte propagiert sondern im Vorfeld der amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 tatsächlich auch eine wesentliche Rolle bei der Propagierung des republikanischen Kandidaten Ron Paul, der auch von Nazi-Verbänden wie Stormfront unterstützt wurde, gespielt haben. Dazu komme eine große Vielfalt an Verschwörungsdenken, wobei "New World Order" und "11. September" die Favoriten seien. Ein Zeit-Artikel von Joel Bedetti aus dem Jahr 2012, der explizit auch auf Schweizer Truther-Kreise, rechnet Chemtrails, Kornkreise und Illuminaten mit dazu, erwähnt allerdings auch, daß WAC-Protagonisten zunächst oft wie linke Globalisierungskritiker klingen können, was sicherlich auch das Funktionieren der im Umfeld der Truther-Bewegung praktizierten Querfrontstrategien mit erklären kann.
WAC-Gründer Luke Rudkowski wird von rationalwiki als rechtsgerichteter Aktivist und überführter Straftäter bezeichnet; seine NWO-Phantastereien gehen offenbar so weit, daß er von einer eugenischen Verschwörung einer globalen Elite ausgeht, die sich eines Teils der Weltbevölkerung entledigen wolle. Zusammen mit WAC organisiert er jährliche Proteste gegen "Illuminatentreffen" (Bilderberg und Bohemian Grove), wofür ihm anscheinend auch keine Reise zu weit ist. Aktuell betätigt sich Luke Rudkowski auch in Deutschland bzw. ist am 19.7.2014 auf der Bundeweiten Mahnwache in Berlin als Redner aufgetreten - als Redner gleich nach Evelyn Hecht-Galinsky und Rico Albrecht (Programm mit Rednerreihenfolge hier).
Wirft man einen Blick auf die Seite von "We Are Change Switzerland", so bekommt man dort u.a. auch die in Deutschland gängigen verschwörungsideologischen Querfrontmedien wie "nuoviso.tv", "Infokrieg.tv" und "Alles Schall und Rauch" empfohlen, wie auch "911untersuchen", an dem, wie oben schon gesagt, auch Ganser mitwirkt. Wie Sektenkritiker Hugo Stamm im Tagesanzeiger erläutert, hat WAC Switzerland auch Kontakte zu einheimischen sektenartigen Gruppierungen geknüpft:
"Die Geisteshaltung von WAC Switzerland kommt in der Verlinkung auf der Webseite zu anderen umstrittenen Organisationen zum Ausdruck. Aufgeführt werden die Zeitungen «Schweizerzeit» von SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer und «Zeit-Fragen», die von Exponenten der Psychosekte VPM redigiert wird. Vertreten sind auch die Anti-Zensur-Koalition, die vom Sektenführer Ivo Sasek (Organische Christus Generation) organisiert wird, und die Verschwörer von Infokrieg.tv, die das Naturrecht auf Selbstverteidigung fordern."
Aufsehen erregt hatte ein Interview, daß WAC Schweiz mit den besagten beiden Nationalräten Geri
Müller und Daniel Vischer am 23. Januar 2010 am Rande einer "Free Gaza"-Demonstration führen konnte. Für den eigentlichen medialen Skandal hatte wohl nicht allein der politische Hintergrund von WAC gesorgt, sondern auch die konkreten Reaktionen der beiden Herren. Vischer und Müller nahmen es laut Presseberichten unwidersprochen hin, als der Interviewer behauptete, daß "die Medienwelt durch zwei Organisationen zentralisiert ist: AP und Reuters. Und beide sind in der Hand einer Familie. Und die nennt sich Rothschild. Das ist keine Verschwörungstheorie." Anstatt zu protestieren, habe Müller anschließend sogar noch eine email an WAC geschrieben, in dem er die Organisation lobte, das "wohl das authentischste Interview" gemacht zu haben.
WAC-Interview: Daniel Vischer erklärt den Nahostkonflikt |
Die beiden grünen Nationalräte waren bereits zuvor, d.h. unabhängig von der WAC-Begebenheit in Kritik geraten aufgrund der Beobachtung von antisemitischen Tendenzen, ihrem Glauben an "alternative" Erklärungen für die Terroranschläge von 9/11 und dem Hang zu anderen Verschwörungstheorien, so daß man möglicherweise aus diesem Grunde hier genauer hingesehen hat als bei Daniele Ganser. Auch haben die von ihnen geäußerten Ansichten konkrete Bezüge zu ihrem politischen Engagement. Daniel Vischer ist Präsident der Gesellschaft Schweiz-Palästina und Vorstandsmitglied der Gesellschaft Schweiz- Islamische Welt. Geri Müller hat in der Schweiz offenbar seinen Ruf weg als einer derjenigen Parlamentarier, die die schärfste Israel-Kritik üben, wobei Müller dabei im Verein mit Vischer des öfteren wohl auch deutlich falsche Töne trifft und seinen Hamas- und Ahmadinedschad-Sympathien wenig Zwang anzutun scheint. Geri Müller und Daniel Vischer haben zusammen im Jahr 2007 eine Iranreise unternommen, die nicht zuletzt deswegen von der Schweizer Presse besprochen wurde, weil Geri Müller einer 21-jährigen Bernerin aus dem Iran heraus pornographische Aufnahmen seiner selbst geschickt hatte.
Aus dem Bericht Daniel Vischers & Geri Müllers (Iranreise) |
Explizit hat Geri Müller sich gerade auch zur angespannten Situation im Kaukasus geäußert. Auf seinem blog findet sich ein Plädoyer für die Eigenstaatlichkeit von Ossetien und Abchasien. Die Rolle Rußlands, das Müller von der westlichen Staatengemeinschaft unfair behandelt wähnt, bewertet er dabei vorwiegend positiv:
"Die Russische Föderation schützt die Autonomiebestrebungen der beiden, in Südossetien werden russische Friedenstruppen stationiert. Russland versteht sich als Ordnungskraft in ihrem Einflussgebiet."
Von Tscherkessen bzw. Adygen, die den Abchasiern kulturell und historisch sehr nahe standen, ist bei ihm nicht die Rede, was angesichts der Realpolitik in der Kaukasusregion auch nicht verwunderlich ist: Im Falle der Abchasen und Osseten war Rußland deren Wunsch nach Unabhängigkeit von Georgien entgegengekommen, konnte Rußland so doch die von Georgien abgespaltenen Regionen unter eine Art Protektorat stellen; im Falle der innerhalb der Russischen Föderation beheimateten Tscherkessen würde sich dagegen alles Streben nach mehr Rechten und Autonomie gegen den russischen Zentralstaat richten. So äußert Müller denn auch kein Verständnis für Dekolonialisierungsbestrebungen von Nordkaukasiern innerhalb der Russischen Föderation; diejenigen Bevölkerungsgruppen, die nördlich der heutigen Landesgrenzen von Abchasien beheimatet waren bzw. in Überresten noch vorhanden sind, werden von ihm ignoriert.
In dieser ungleichen Bewertung zeigt sich denn, daß für Müller, anders als er es darstellt, weniger das Wohlergehen der Nordkaukasier und deren Recht auf Selbstbestimmung im Vordergrund steht als die geopolitischen Interessen der Rußländischen Föderation, sprich, es soll ein Ausgleich hergestellt werden für die von ihm wahgenommene stetige Expansion der Nato nach Osten, die seiner Meinung nach über die westliche Unterstützung für Autonomiebewegungen an der Peripherie des ehemaligen Ostblocks von statten geht. Auf Boykottforderungen im Vorfeld von Sotschi 2014 reagierte Müller folglich auch ablehnend und warnte: "Das wäre ein Riesenfehler. Damit erreicht man gar nichts."
Noch im Zusammenhang der Olympischen Spiele in Sotschi äußerte sich Müller auch zu Putins Ukrainepolitik. Die Basler Zeitung schreibt:
Co-Präsident, parlamentar. Gruppe Schweiz-Rußland, Sotschi |
In einem wenig später veröffentlichten Interview hat Müller hinsichtlich der Ukraine-Krise darauf verwiesen, daß die Schweiz aufgrund der Fürsprache des russischen Gesandten auf dem Wiener Kongreß 1814 u.a. auch Rußland ihre (fortgesetzte) Existenz verdanke. Vor diesem Hintergrund plädiert er für eine Vermittlerrolle der Schweiz im Ukraine-Konflikt, der in seiner Sicht "einfach ein weiterer Konflikt gewissermassen im Vorgarten Russlands vergleichbar etwa mit dem Georgien-Konflikt" ist und fordert:
"Die Schweiz muss ganz einfach dafür sorgen, dass alle zu Wort kommen, die von diesem Konflikt betroffen sind. Sie muss alle an einen Tisch bringen. Dabei muss sie sich bewusst sein, dass die Ukraine als Konflikt zum Hegemonialbereich der Grossmacht Russland gehört. Putin erhebt dort Anspruch auf Vormacht."
Im Juni 2014 hat Müller ein geplantes aber aufgrund der Entwicklungen der letzten Monate verschobenes Freihandelsabkommen mit Rußland befürwortet und Gespräche für wichtiger als politische Signale befunden. Auf Anfrage habe er folgende Einschätzung der Situation mitgeteilt:
"Die Menschenrechte stehen in diesem Fall nicht zuoberst."
Sebst nach dem MH17-Abschuß sprach sich Müller noch gegen Sanktionen gegen Rußland aus, aus historischer Perspektive empfindet er Maßnahmen gegen Rußland als ungerecht und erwidert mit einem typisch postsowjetischen Whataboutism:
"Die Praxis muss überall gleich sein. Als die USA in den Irak einmarschierten, haben wir auch keine Sanktionen gegen die USA ergriffen."
Quelle: 25 Jahre Grüne Partei in der Schweiz |
Kaum weniger interessant als die Präsidentschaft Geri Müllers bei der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz Rußlands dürfte ein Detail aus der Biographie Daniel Vischers sein: Daniel Vischer hatte wohl auch DDR-Kontakte, genauer gesagt, Kontakte mit einem Stasi-Spion gehabt hatte und dieser hatte seinem eigenen Führungsoffizier gegenüber Vischer als Person beschrieben, die sich "für eine konspirative Arbeit für den Sozialismus" eigne. Hierin könnte man also ebenfalls einen Anknüpfungspunkt für russische Regierungsinteressen sehen. Unzweifelhaft dürfte jedenfalls sein, daß Vischer früher stramm die Linie der sojwetischen Machthaber verteten hatte. Die Weltwoche schreibt im Jahr 2008, Vischer habe in den 1960ern zu der moskautreuen POCH gehört und habe in seiner Funktion als deren Sekretär die Niederschlagung des Prager Aufstands als "nötige Kurskorrektur" gerechtfertigt. Zusammen mit seiner Partei habe Vischer für die Schweiz, so die Weltwoche, "den umgekehrten Weg" angestrebt, die Integrierung der Schweiz in das östliche System. Der Artikel schließt mit der Feststellung:
"In Vischers Welt herrscht sibirischer Frost statt Prager Frühling."
Bisher scheinen diese international ausgerichteten politischen Querfrontsumtriebe von Schweizer Nationalräten medial eher partiell wahrgenommen worden zu sein, d.h. vorrangig mit regionalem Bezug auf den Iran, Israel/Palästina und thematisch konzentriert auf Hinweise auf Antisemitismusverdachtsfälle und den Hang zu Verschwörungstheorien. Ausführlicher und systematischer ist dagegen ein Zeit-Artikel zur Truther-Bewegung aus dem Jahr 2012. Der Beitrag von Joel Bedetti geht explizit auch auf We Are Change und die Nähe eines Daniel Vischer, Geri Müller und sogar die eines Daniele Ganser zu Verschwörungstheoretikern im Truther-Umfeld ein. Detaillierter geschildert wird ein Auftritt Daniele Gansers in einer Fabrikhalle in Thun auf Einladung des Truthers Thomas Gasser (offenbar ein Mitglied von We Are Change); Ganser habe dort zwei Stunden lang seine Zweifel in Bezug auf die offizielle 9/11-Geschichtsversion präsentiert. Gemeint ist offenbar diese per Videoaufzeichnung festgehaltene Veranstaltung vom 7.9.2012, die vom Moderator mit einem Zitat
aus den Werken des Rundum-Verschwörungstheoretikers Gerhard Wisnewski eingeleitet wird:
Daniele Ganser unter Truthern (Thun, den 7.9.2012) |
"Der Historiker bewegt sich auf dem schmalen Grat, der einen Verschwörungstheoretiker von einem kritischen, aber mit Evidenz arbeitenden Historiker trennt. Selbst versichert er, ihm gehe es nur darum, Fragen zu stellen. Das unterscheide ihn von den meisten Truthern, die von einer Verschwörung überzeugt seien. »Ich weiß nicht, was am 11. September passiert ist«, sagt Ganser, er fordere nur eine neue Untersuchung. Mit ihm tun dies einige linke Schweizer Parlamentarier. Der Grüne Geri Müller, auch er hat eine entsprechende Onlinepetition unterschrieben, sagt, es gebe noch mehr Politiker, die Zweifel an der offiziellen Version von 9/11 hätten, aber sie wollten nicht dazu stehen. »Sobald man sich in dieser Sache äußert, ist man gebrandmarkt«, sagt er. Und das fördere das Misstrauen in die Politik. »Wenn man zu gewissen Themen nicht einmal Fragen stellen darf, stimmt etwas nicht.«"
Mir ergibt sich hier angesichts der bis hierher aufgezeigten Verflechtungen und gewisser inhaltlicher Konvergenzen der Eindruck, daß etwas mit Daniele Ganser wie auch mit ASPO bzw. zumindest eines Teils von ASPO und dessen Umfeld ganz und gar nicht ganz stimmen kann und in diesem Sinne kritisches Fragen dringend erforderlich ist. Verschwörungsideologisches zu 9/11, das ich in meinem nächsten blogpost thematisieren werde, einen wesentlicher Teil von Daniele Gansers Arbeit im Rahmen von SIPER aus und fließt - wie wir bereits einstiegs anhand des Vortrags von Alex Beaurieux ansatzweise gesehen hatten, auch in die Arbeit von ASPO Deutschland mit ein.
Wie groß der Einfluß der beiden grünen Nationalräte, Daniele Ganser wie auch Matthias Ernes auf die politische und weltanschauliche Ausrichtung von APSO Schweiz im Vergleich zu dem der übrigen ASPO-Mitglieder ist, ließe sich sicher ohne eine noch weitaus tiefer gehende Analyse nicht auf seriöse und sachliche Weise feststellen; es führt für mich an dieser Stelle schlicht zu weit, auch die verbliebenen ASPO Schweiz-Mitglieder auf ihren politischen und weltanschaulichen Kontext hin zu durchleuchten. Ganz unerheblich dürfte die Nähe zu Verschwörungsideologien samt des darin enthaltenen intellektuell doch recht schlichten Antiamerikanismus allerdings nicht sein, nicht zuletzt dürfte dieser Einfluß sich auch dadurch noch verstärken, daß Geri Müller seit 2003 Präsident der Schweizerischen Energiestiftung ist, mit der ASPO dann wiederum zusammenarbeitet.
Aktuell ist eine Fachtagung der Energiestiftung unter dem Titel "Fossile Schweiz. Der Preis der Abhängigkeit" für September 2014 geplant, auf der die Association for the Study of Peak Oil neben Geri Müller auch durch Daniele Ganser und Werner Zittel repräsentiert sein wird. Thema der Tagung sind u.a. auch "[u]nkonventionelle fossile Ressourcen wie Schiefergas und -öl", im Konferenzprogramm heißt es dazu:
"Es stellt sich die Frage, ob sich mit Ösand und Schiefergas Peak Oil sozusagen wegfracken lässt. Ausserdem sind die Umweltschäden bei der unkonventionellen Förderung massiv: Bei der Ölsandförderung werden in Kanada ganze Landstriche und Flüsse verseucht. Bei der Schiefergasförderung mittels Fracking sind die Gefahren der Verunreinigung von Trinkwasser eklatant."
Andy Gheorghiu, Panterpreis-Anwärter |
Programm der Fachtagung "Fossile Schweiz" |
Irma Kreiten (Istanbul, den 22.8.2014)
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