Die Gesellschaft für bedrohte Völker kritisiert in einer aktuellen Stellungnahme das einseitige Augenmerk der russischen Regierung auf russische Minderheiten im Ausland, während Minderheitenrechte im eigenen Land unbeachtet bleiben und beklagt die dadurch entstehende Instrumentalisierung von Minderheitenpolitik.
GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER
PRESSEMITTEILUNG
Berlin / Göttingen, den 3. März 2014
Krise in der Ukraine: Präsident Putin instrumentalisiert russische
Minderheit
Verlogene Minderheiten-Politik Russlands scharf kritisiert
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Russlands
Staatspräsident Wladimir Putin eine verlogene Minderheiten – Politik
vorgeworfen. Die seit mehr als 40 Jahren für Minderheiten in Russland
engagierte Menschenrechtsorganisation kritisierte, Putin
instrumentalisiere Minderheiten nach Belieben, missachte jedoch
systematisch ihre Rechte und Forderungen im eigenen Land. „Präsident
Putin spielt die Minderheitenkarte – natürlich nur zum Schutz der
russischen Minderheit – genau dann, wenn es ihm Vorteile bringt und er
glaubt, damit die EU vorführen zu können“, kritisiert Sarah Reinke,
GUS-Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker in Berlin. So habe
er sich immer wieder für die russisch-sprachigen Minderheiten in den
baltischen Staaten verwendet, und der EU sowie dem Europarat
vorgeworfen, mit zweierlei Maß zu messen. Wenn er sich mit der
russischen Regierung nun als Schutzmacht der Russen auf der Krim
präsentiert, ist das zutiefst verlogen. Denn in Russland selbst werden
die vielen Minderheiten, Volksgruppen, religiösen Gemeinschaften und
indigenen Völker zunehmend diskriminiert, verfolgt, unterdrückt oder
auch, wie im Falle Tschetschenien, mit Krieg überzogen.“
„Putin schaut mit der kolonialen Brille auf weite Gebiete der Russischen
Föderation – sei es auf den im 19. Jahrhundert blutig eroberten
Nordkaukasus oder auf Gebiete Sibiriens, in denen Öl- und Gasreserven
sowie Bodenschätze lagern, die Russlands Wirtschaftskraft ausmachen“,
erklärte Reinke. Dort siedeln seit Jahrhunderten viele indigene Völker,
die immer weiter verdrängt und diskriminiert werden. In Russland, wo
Parlament, Justiz und Medien Putin folgen und die Opposition seit Jahren
gegängelt wird, sind Angehörige von Minderheiten Opfer
fremdenfeindlicher Übergriffe sowie von Polizei- und Justizwillkür.
Tschetschenienkrieg zeigt Instrumentalisierung von Minderheiten
Der Tschetschenienkrieg und seine Folgen sind das dramatischste Beispiel
zum Verständnis von Präsident Putins Minderheitenpolitik. Der Beginn des
zweiten Tschetschenienkrieges markiert zugleich den Aufstieg Putins an
die Spitze der russischen Regierung. Mit markigen Worten und dem
brutalen Vorgehen gegen die Bevölkerung Tschetscheniens gewann Putin die
Präsidentschaftswahlen im März 2000. Er ließ die russische Luftwaffe
Städte, Dörfer, Schulen, Flüchtlingstrecks und Krankenhäuser
bombardieren. Zehntausende Männer und Frauen wurden in so genannten
Filtrationslagern vergewaltigt, gefoltert und getötet. Russische
Soldaten verübten während so genannter „Säuberungen“ tschetschenischer
Dörfer entsetzliche Verbrechen an Zivilisten. 80.000 Opfer soll dieser
zweite Krieg gefordert haben. Im Ersten Tschetschenien-Krieg (1992-94)
kamen unter Präsident Boris Jelzin gleichfalls rund 80.000 Menschen ums
Leben. Heute regiert der von Putin eingesetzte und protegierte Ramzan
Kadyrow Tschetschenien als Diktator.
Krieg und Terrorismus haben sich von Tschetschenien auf die
Nachbarrepubliken Dagestan, Kabardino-Balkarien, Inguschetien und
Karatschai-Tscherkessien ausgeweitet. Durch Putins Politik entstand in
der russischen Gesellschaft ein pauschales Feindbild von Kaukasiern. Sie
werden in Moskau oder St. Petersburg systematisch von der Polizei
kontrolliert, sind immer wieder Opfer von Übergriffen, haben große
Schwierigkeiten, Wohnung und Arbeit zu finden.
Unter Präsident Putin ist die Presse- und Meinungsfreiheit massiv
eingeschränkt worden. Die russischen Medien werden bis heute genutzt, um
Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Der Präsident setzt sie aktuell dazu
ein, Propaganda gegen die neue Regierung in Kiew zu machen und sich als
Retter der russisch-sprachigen Bevölkerung in der Ukraine zu profilieren.
Unterdrückung indigener Völker, Sterben von Sprachen der Minderheiten in
der Russischen Föderation
Die Angehörigen der über 40 indigenen Völker (Völker mit weniger als
50.000 Angehörigen) Russlands sterben im Durchschnitt zehn Jahre früher
als ethnische Russen, leben am Rand der Gesellschaft und sind Opfer von
Diskriminierung und Rassismus. Ihr Dachverband, die Organisation RAIPON,
wurde durch massive Wahlfälschung auf der letzten Vollversammlung 2013
auf die politische Linie des Kremls eingeschworen. Wer sich dennoch für
die Rechte indigener Völker engagiert, riskiert vom Geheimdienst FSB
verhört, mit Gerichtsprozessen überzogen und so mundtot gemacht zu werden.
131 der 170 Sprachen, die in der Russischen Föderation gesprochen
werden, sind nach Angaben der UNESCO gefährdet. Erst im letzten Jahr hat
die russische Regierung ein neues Bildungsgesetz erlassen, das den
Primat der russischen Sprache nochmals festschreibt. In den Schulen ist
der Unterricht in einer der Minderheitensprachen fakultativ, es fehlt an
Ausbildungsmöglichkeiten, Lehrern, Schulbüchern und Medien von Minderheiten.
Gesetz über Landsleute
25 Millionen Russen sollen nach Angaben des russischen Außenministeriums
derzeit im Ausland leben. Russland ist bemüht, sie zur Rückkehr zu
bewegen und setzt parallel große finanzielle Mittel ein, um die
russische Sprache und Kultur in jenen Staaten, die einen hohen
Bevölkerungsanteil an Russen haben, zu fördern. Seit 2006 gibt es
Programme zur Aufnahme von „Landsleuten“. Diese gelten nicht für alle,
die ihre Heimat in der heutigen Russischen Föderation sehen.
Tscherkessen, die nach dem Ende des kaukasischen Krieges vor 150 Jahren
kollektiv aus dem Kaukasus deportiert wurden und heute z.B. aus dem
Bürgerkriegsgebiet Syriens nach Russland zurückkehren möchten, werden
davon ausgeschlossen. Auch ihre Visaanträge werden abgelehnt. Erst Mitte
Februar bekamen drei tscherkessische-stämmige Studenten, die aus Syrien
eingereist waren, die Ausreiseaufforderung.
Verhöhnte Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine
1932/33 verhungerte ein Viertel der Landbevölkerung im Süden und Osten
der damaligen ukrainischen Sowjetrepublik Ukraine. Die Sowjetunion unter
der Führung Josef Stalins organisierte die Hungersnot in der Ukraine
bewusst, um den Widerstand gegen die brutal durchgesetzte
Kollektivierung zu brechen. Historiker gehen von 4-6 Millionen Opfern
des als Holodomor bezeichneten Genozids aus. Dieses Verbrechen wurde von
der russischen Regierung nie anerkannt. Im Gegenteil versuchte die
russische Führung Initiativen der Ukraine zur internationalen
Anerkennung dieses Völkermords zu unterbinden.
Die Krimtataren sind die eigentlichen Ureinwohner der Krim. Sie wurden
im Jahr 1944 durch den sowjetischen Diktator Josef Stalin deportiert.
Die heute auf der Krim lebende russisch-sprachige Bevölkerung wurde
größtenteils erst im 18. Jahrhundert angesiedelt, nachdem das Zarenreich
die Halbinsel dem Osmanischen Reich abgenommen hatte. Dessen Herrscher
hatten dem im Mittelalter eroberten Khanat der Krimtataren relativ große
Autonomierechte gewährt und sich dadurch dessen Loyalität gesichert.
Am 18. Mai 2014 werden die Krimtataren der Deportation ihres gesamten
Volkes 1944 durch Stalin gedenken. Stalin ließ alle Krimtataren auf
Viehwaggons verladen und nach Zentralasien deportieren. Bis zu 44
Prozent der Deportierten starben. Dieser Völkermord gehört mit weiteren
Deportationen von damals in der Sowjetunion ansässigen Völkern zu den
schlimmsten Verbrechen der jüngeren europäischen Geschichte. So wurde
alles getan, um jegliche Spuren der Krimtataren zu verwischen. Ihre
Häuser wurden niedergerissen, ihre Gärten ließ man verwildern, ihre
Friedhöfe wurden umgepflügt und die sterblichen Überreste ihrer
Vorfahren entfernt. Alles auf Krimtatarisch Geschriebene und Gedruckte
wurde verbrannt. Unaufhörlich wandten sich die Krimtataren aus dem
fernen zentralasiatischen Exil über Jahrzehnte an die verschiedenen
sowjetischen Regierungen. Nachdem Appelle von mehr als 120.000
Krimtataren unterzeichnet, ignoriert und ihre Initiatoren in
Arbeitslager verbannt wurden, intensivierten sie ihre
Rückkehrbemühungen. Sie sandten 4.000 Repräsentanten nach Moskau und
setzten schließlich in den späten 1980er Jahren die Rückkehr ihres
Volkes in die historische Heimat durch. Mustafa Dschemilew, der als Kind
die Deportation überlebte, wurde zur zentralen Figur der
Rückkehrbewegung. Er verbrachte 15 Jahre in sowjetischer Lagerhaft und
wurde erst während des Umbruchs des Ostblocks freigelassen. 1991 wurde
er zum Präsidenten des Krimtatarischen Parlaments gewählt und engagierte
sich für die ukrainische Unabhängigkeit. Nach der Deportation der
Krimtataren wurden ethnische Russen auf ihrem Land und in ihren Dörfern
auf der Krim angesiedelt.
GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER
PRESSEMITTEILUNG
Berlin / Göttingen, den 3. März 2014
Krise in der Ukraine: Präsident Putin instrumentalisiert russische
Minderheit
Verlogene Minderheiten-Politik Russlands scharf kritisiert
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Russlands
Staatspräsident Wladimir Putin eine verlogene Minderheiten – Politik
vorgeworfen. Die seit mehr als 40 Jahren für Minderheiten in Russland
engagierte Menschenrechtsorganisation kritisierte, Putin
instrumentalisiere Minderheiten nach Belieben, missachte jedoch
systematisch ihre Rechte und Forderungen im eigenen Land. „Präsident
Putin spielt die Minderheitenkarte – natürlich nur zum Schutz der
russischen Minderheit – genau dann, wenn es ihm Vorteile bringt und er
glaubt, damit die EU vorführen zu können“, kritisiert Sarah Reinke,
GUS-Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker in Berlin. So habe
er sich immer wieder für die russisch-sprachigen Minderheiten in den
baltischen Staaten verwendet, und der EU sowie dem Europarat
vorgeworfen, mit zweierlei Maß zu messen. Wenn er sich mit der
russischen Regierung nun als Schutzmacht der Russen auf der Krim
präsentiert, ist das zutiefst verlogen. Denn in Russland selbst werden
die vielen Minderheiten, Volksgruppen, religiösen Gemeinschaften und
indigenen Völker zunehmend diskriminiert, verfolgt, unterdrückt oder
auch, wie im Falle Tschetschenien, mit Krieg überzogen.“
„Putin schaut mit der kolonialen Brille auf weite Gebiete der Russischen
Föderation – sei es auf den im 19. Jahrhundert blutig eroberten
Nordkaukasus oder auf Gebiete Sibiriens, in denen Öl- und Gasreserven
sowie Bodenschätze lagern, die Russlands Wirtschaftskraft ausmachen“,
erklärte Reinke. Dort siedeln seit Jahrhunderten viele indigene Völker,
die immer weiter verdrängt und diskriminiert werden. In Russland, wo
Parlament, Justiz und Medien Putin folgen und die Opposition seit Jahren
gegängelt wird, sind Angehörige von Minderheiten Opfer
fremdenfeindlicher Übergriffe sowie von Polizei- und Justizwillkür.
Tschetschenienkrieg zeigt Instrumentalisierung von Minderheiten
Der Tschetschenienkrieg und seine Folgen sind das dramatischste Beispiel
zum Verständnis von Präsident Putins Minderheitenpolitik. Der Beginn des
zweiten Tschetschenienkrieges markiert zugleich den Aufstieg Putins an
die Spitze der russischen Regierung. Mit markigen Worten und dem
brutalen Vorgehen gegen die Bevölkerung Tschetscheniens gewann Putin die
Präsidentschaftswahlen im März 2000. Er ließ die russische Luftwaffe
Städte, Dörfer, Schulen, Flüchtlingstrecks und Krankenhäuser
bombardieren. Zehntausende Männer und Frauen wurden in so genannten
Filtrationslagern vergewaltigt, gefoltert und getötet. Russische
Soldaten verübten während so genannter „Säuberungen“ tschetschenischer
Dörfer entsetzliche Verbrechen an Zivilisten. 80.000 Opfer soll dieser
zweite Krieg gefordert haben. Im Ersten Tschetschenien-Krieg (1992-94)
kamen unter Präsident Boris Jelzin gleichfalls rund 80.000 Menschen ums
Leben. Heute regiert der von Putin eingesetzte und protegierte Ramzan
Kadyrow Tschetschenien als Diktator.
Krieg und Terrorismus haben sich von Tschetschenien auf die
Nachbarrepubliken Dagestan, Kabardino-Balkarien, Inguschetien und
Karatschai-Tscherkessien ausgeweitet. Durch Putins Politik entstand in
der russischen Gesellschaft ein pauschales Feindbild von Kaukasiern. Sie
werden in Moskau oder St. Petersburg systematisch von der Polizei
kontrolliert, sind immer wieder Opfer von Übergriffen, haben große
Schwierigkeiten, Wohnung und Arbeit zu finden.
Unter Präsident Putin ist die Presse- und Meinungsfreiheit massiv
eingeschränkt worden. Die russischen Medien werden bis heute genutzt, um
Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Der Präsident setzt sie aktuell dazu
ein, Propaganda gegen die neue Regierung in Kiew zu machen und sich als
Retter der russisch-sprachigen Bevölkerung in der Ukraine zu profilieren.
Unterdrückung indigener Völker, Sterben von Sprachen der Minderheiten in
der Russischen Föderation
Die Angehörigen der über 40 indigenen Völker (Völker mit weniger als
50.000 Angehörigen) Russlands sterben im Durchschnitt zehn Jahre früher
als ethnische Russen, leben am Rand der Gesellschaft und sind Opfer von
Diskriminierung und Rassismus. Ihr Dachverband, die Organisation RAIPON,
wurde durch massive Wahlfälschung auf der letzten Vollversammlung 2013
auf die politische Linie des Kremls eingeschworen. Wer sich dennoch für
die Rechte indigener Völker engagiert, riskiert vom Geheimdienst FSB
verhört, mit Gerichtsprozessen überzogen und so mundtot gemacht zu werden.
131 der 170 Sprachen, die in der Russischen Föderation gesprochen
werden, sind nach Angaben der UNESCO gefährdet. Erst im letzten Jahr hat
die russische Regierung ein neues Bildungsgesetz erlassen, das den
Primat der russischen Sprache nochmals festschreibt. In den Schulen ist
der Unterricht in einer der Minderheitensprachen fakultativ, es fehlt an
Ausbildungsmöglichkeiten, Lehrern, Schulbüchern und Medien von Minderheiten.
Gesetz über Landsleute
25 Millionen Russen sollen nach Angaben des russischen Außenministeriums
derzeit im Ausland leben. Russland ist bemüht, sie zur Rückkehr zu
bewegen und setzt parallel große finanzielle Mittel ein, um die
russische Sprache und Kultur in jenen Staaten, die einen hohen
Bevölkerungsanteil an Russen haben, zu fördern. Seit 2006 gibt es
Programme zur Aufnahme von „Landsleuten“. Diese gelten nicht für alle,
die ihre Heimat in der heutigen Russischen Föderation sehen.
Tscherkessen, die nach dem Ende des kaukasischen Krieges vor 150 Jahren
kollektiv aus dem Kaukasus deportiert wurden und heute z.B. aus dem
Bürgerkriegsgebiet Syriens nach Russland zurückkehren möchten, werden
davon ausgeschlossen. Auch ihre Visaanträge werden abgelehnt. Erst Mitte
Februar bekamen drei tscherkessische-stämmige Studenten, die aus Syrien
eingereist waren, die Ausreiseaufforderung.
Verhöhnte Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine
1932/33 verhungerte ein Viertel der Landbevölkerung im Süden und Osten
der damaligen ukrainischen Sowjetrepublik Ukraine. Die Sowjetunion unter
der Führung Josef Stalins organisierte die Hungersnot in der Ukraine
bewusst, um den Widerstand gegen die brutal durchgesetzte
Kollektivierung zu brechen. Historiker gehen von 4-6 Millionen Opfern
des als Holodomor bezeichneten Genozids aus. Dieses Verbrechen wurde von
der russischen Regierung nie anerkannt. Im Gegenteil versuchte die
russische Führung Initiativen der Ukraine zur internationalen
Anerkennung dieses Völkermords zu unterbinden.
Die Krimtataren sind die eigentlichen Ureinwohner der Krim. Sie wurden
im Jahr 1944 durch den sowjetischen Diktator Josef Stalin deportiert.
Die heute auf der Krim lebende russisch-sprachige Bevölkerung wurde
größtenteils erst im 18. Jahrhundert angesiedelt, nachdem das Zarenreich
die Halbinsel dem Osmanischen Reich abgenommen hatte. Dessen Herrscher
hatten dem im Mittelalter eroberten Khanat der Krimtataren relativ große
Autonomierechte gewährt und sich dadurch dessen Loyalität gesichert.
Am 18. Mai 2014 werden die Krimtataren der Deportation ihres gesamten
Volkes 1944 durch Stalin gedenken. Stalin ließ alle Krimtataren auf
Viehwaggons verladen und nach Zentralasien deportieren. Bis zu 44
Prozent der Deportierten starben. Dieser Völkermord gehört mit weiteren
Deportationen von damals in der Sowjetunion ansässigen Völkern zu den
schlimmsten Verbrechen der jüngeren europäischen Geschichte. So wurde
alles getan, um jegliche Spuren der Krimtataren zu verwischen. Ihre
Häuser wurden niedergerissen, ihre Gärten ließ man verwildern, ihre
Friedhöfe wurden umgepflügt und die sterblichen Überreste ihrer
Vorfahren entfernt. Alles auf Krimtatarisch Geschriebene und Gedruckte
wurde verbrannt. Unaufhörlich wandten sich die Krimtataren aus dem
fernen zentralasiatischen Exil über Jahrzehnte an die verschiedenen
sowjetischen Regierungen. Nachdem Appelle von mehr als 120.000
Krimtataren unterzeichnet, ignoriert und ihre Initiatoren in
Arbeitslager verbannt wurden, intensivierten sie ihre
Rückkehrbemühungen. Sie sandten 4.000 Repräsentanten nach Moskau und
setzten schließlich in den späten 1980er Jahren die Rückkehr ihres
Volkes in die historische Heimat durch. Mustafa Dschemilew, der als Kind
die Deportation überlebte, wurde zur zentralen Figur der
Rückkehrbewegung. Er verbrachte 15 Jahre in sowjetischer Lagerhaft und
wurde erst während des Umbruchs des Ostblocks freigelassen. 1991 wurde
er zum Präsidenten des Krimtatarischen Parlaments gewählt und engagierte
sich für die ukrainische Unabhängigkeit. Nach der Deportation der
Krimtataren wurden ethnische Russen auf ihrem Land und in ihren Dörfern
auf der Krim angesiedelt.