Eine Marburger Historikerin reflektiert über politische Repression im Nordkaukasus und Behinderung von historischer Aufarbeitung
Vorgetragen wurden einige der entsprechenden Ansichten in einem zynischen, schnoddrigen, überheblichen Tonfall, der dem Gegenstand wohl kaum angemessen gewesen sein dürfte. Während Wendland selbst gerne von "Verantwortungsethik" spricht und andere (im vorausgegangenen Falle: auf recht pauschale Weise Atomkraftgegner bzw. -kritiker) für ein unbefugtes Einnehmen einer Opferrolle und (auch hier zu lesen) eine Art "Wettbwerb im Alleingestelltsein" (bzw. Selbsthervorstreichungen) kritisiert, äußern sich über Inbezugsetzungen zum Nordkaukasus bei ihr deutlich verschobene Maßstäbe und Perspektiven. Hier sollen nun Aussagen und rhetorische Strategien, wie sie sich im Rahmen untenstehender Diskussion äußerten, noch einmal begutachtet und politisch kontextualisiert werden. Die Diskussion begann damals mit einem Mißverständnis, bzw. mit einer für meine Begriffe verdruckst, verquer und auf ambivalente Weise vorgetragenen Positionierung, die mit einer an andere Menschen gerichteten Handlungsaufforderung durch Anna Veronika Wendland verbunden war:
Ich hatte A. V. Wendland angesichts dieses ersten Kommentars nicht geradeheraus eine Identifizierung mit Böhmermann und dessen populistischen Seiten unterstellen wollen - hätte ich das damals nur mal getan. Ich war mir nicht sicher gewesen, ob sie sagen wollte, daß es ihr in ihrer Wahrnehmung "ähnlich" gehe wie dem bekannten Fernsehmoderator, oder "ähnlich" wie seinen Kritikern und damit den Kritikern rechtspopulistischer Zusammenhänge und von Böhmermanns mangelnder Abgrenzung dazu (letzteren wird schnell das eine oder andere unlautere Motiv untergeschoben). Ich habe deswegen erst im Verlauf, gegen Ende unserer Diskussion, nachgefragt, wie denn ihr "ähnlich" gemeint war, dann allerdings darauf auch keine Antwort erhalten. Als "linke" Atomkraftbefürworterin identifiziert sich Wendland jedoch - das zeigt ein erneutes Lesen und Zusammendenken mit ihren übrigen Publikationen - auf eine gewissse Weise mit dem Satiriker Böhmermann, sieht sich wohl mit ihm in eine Opferrolle gedrängt, bzw. sie fühlt sich zusammen mit anderen in eine "Ecke" (wie es in rechtspopulistischen Kreisen so schön heißt) gestellt und betont vor diesem Hintergrund, wie sie sich trotzdem eine mutige, unangepaßte Haltung bewahrt habe.
Da ich ihren Gefühlshaushalt in Bezug auf Böhmemann bzw. ihre entsprechenden Projektionsflächen nicht kannte, habe ich dann angenommen, daß solche Aufforderungen auch auf mich und meine Arbeitsthemen gemünzt waren (ansonsten hätte ich sie wohl noch einmal direkt auf den Satiriker und dessen Schüren von Vorurteilen angesprochen, die Diskussion hätte sich dann möglicherweise in andere Richtung entwickelt). Das partielle Mißverständnis bzw. meine Annahme, Wendland könne sich nicht in der Rolle eines Menschen gesehen haben, der für das Vortragen rassistischer und religiöser Stereotypen von rechter bzw. neurechter Seite aus beklatscht wurde, ändern jedoch nichts an ihrem deutlichen Verkennen von Perspektiven und Verhältnismäßigkeit, das sie sich nun auch an andere Orten äußert, ich allerdings gleich damals, noch in ihrer Gegenwart, zu thematisieren versucht hatte.
Wendland liefert mit ihrem ersten Kommentar eine Selbstinszenierung als rundum widerständige Person und betrachtet sich wohl als Vorbild für Andere. Sie spornt an - mit welchem Recht? vor welchem Hintergrund? - und fordert dazu auf, eine widerspenstige, originelle, eigenständige Haltung an den Tag zu legen - "egal auf welchem politischen Feld". Wie sie mit einer widerständigen Meinung und konsequenten Positionierungen auf dem Feld der genozidalen Gewalt und des umfangreichen Beschweigens von Vorkommnissen im Nordkaukasus und fortgesetztem kolonialen Beherrschungsdenken (auch in unseren akademischen Institutionen und "westlichen" Publikationsorganen vorhanden) umgeht und wie wenig da von ihr "schwierige", differenzierte und unabhängige Haltungen in der Praxis geschätzt werden, zeigt sie alsbald darauf. Ihr primäres Argument in der darauffolgenden Diskussion war, daß eine Äquivalenz zwischen dem Vertreten atomkratfreundlicher Positionen in der deutschen Öffentlichkeit und dem Einsatz für eine von Rußland verfolgte, zahlenmäßig stark dezimierte, bedrohte Minderheit bestehe.
Unterschiedliche Benachteilungen, wi sie die Tscherkessen als Minderheit erleben, summieren sich in dem Sinne, daß sie in Rußland einen mächtigen und noch dazu großteils a-demokratischen Gegner haben, sie muslimisch geprägt sind bzw. im Zuge eines kreuzzughaft entworfenen Kolonialprojektes vernichtet wurden und auch heute nicht derart im Geflecht internationaler geopolitischer Interessen stehen, daß sie daraus nennenswerte Vorteile für sich ziehen könnten. An den Tscherkessen zeigt sich meines Erachtens, wie wenig auf abstrakte, allgemeingültige Regelungen wie "Menschenrechte" und "Völkerrecht" im praktischen Sinne Verlaß ist, daß auch heute kaum auf zivilgesellschaftliches Engagement und individuelle Aufmerksamkeit zu vertrauen ist - jedenfalls dann nicht, wenn entsprechende Großinteressenslagen fehlen oder dem gar entgegenstehen. Unser Grad an Menschlichkeit und Humanismus äußert sich darum auch gerade darin, wie wir mit den Tscherkessen, deren heutigen Rechten und der russisch-tscherkessisch-europäischen Geschichte (mit ihrem Vorlagencharakter für heutige Prozesse) umgehen. Die Stille ist bislang erdrückend.
Wendland spricht von "Prügel[n]", die sie bezogen haben will. Sie schreib etwa, sie habe für ihre "linksföderalistischen Überlegungen zur möglichen politischen Reform der Ukraine, schon viel Prügel von ukrainischen Nationalisten eingesteckt" oder sie sagt (siehe unten), sie habe "bereits einige Schlachten mit den AfDlern ausgefochten". Sie meint dies allerdings rein metaphorisch.
In neuem, nunmehr klarer rechtspopulistischem Kontext bzw. auch im Zuge eigener rechtspopulistisch anverwandelter Rhetorik entrüstet sie sich darüber, daß ihr aufgrund ihrer Haltung zu Atomkraft und zu nuklearen Katastrophen bzw. zivilen Strahlenopfern eine zynische, menschenfeindliche Einstellung vorgeworfen werde. Sie habe unter einem " Schwall von schmähenden Zuschriften" zu leiden bzw. so etwas behindere und beeinträchtige Atomkraftbefürworter so sehr, daß sich "hierzulande niemand mehr" traue, "eine sachlich-kritische Diskussion über die Energiepolitik unter Einbeziehung der nuklearen Option noch durchzustehen".
Mir gegenüber behauptet Wendland (siehe unten) bzw. versucht zu suggerieren, bei uns spiele sich jeglicher Konflikt, jede Auseinandersetzung allein auf rhetorischer Ebene ab, es sei darum nichts zu befürchten bzw. zu riskieren. Ein Eintreten für schwierige Positionen erscheint damit im Grunde als belang- und folgenlos für Andere.
Wendland weiß um den strategischen Einsatz verquerer Vergleiche bzw. schiefer Logiken und deren manipulative, destruktive Wirkung (siehe ihren feuilletonistischen Beitrag "Lingua Russiae Imperii").
Das Apfel-Birne-Argument, das Wendland da kritisert, wo es ihr persönlich und karrieretechnisch (und anderen wohl geopolitisch) entgegenkommen dürfte, wird von ihr selbst, gegen nordkaukasische Interessen gewandt, eingesetzt..Wer auf nordkaukasischer Seite echte Prügel wegen Aktivismus für Minderheitenrechte bezieht (teils sogar wiederholt), wird von ihr zunächst nicht einmal verbal zur Kenntnis genommen bzw. sie scheint in der untenstehenden Diskussion mit vagen, ausweichenden aber pejorativen Formulierungen ursprünglich versucht zu haben, derartige Vorkommnisse (sie reichen von der Beendigung von Karrieren/Herabstufung im Amt/Arbeitsplatzverlust über die Beseitigung von Ausstellungen, die Schwierigkeit, zu publizieren und beispielsweise vor Ort zu filmen und Nachstellungen und zermürbende Anschuldigungen bis hin zu sehr konkreten Drohungen, Entführungen, Folter und Mord) abzuwiegeln bzw. sie ganz als persönliches Hirngespinst abzutun.
In Deutschland ist immerhin mit handfesten Diskriminierungen und politisch motivierter Verdrängung aus dem öffentlichen Raum, die auch die dort lebenden Tscherkessen betrifft, zu rechnen. Die Sorge um repressierte Aktivisten und Intellektuelle und ein Pflichtgefühl in Bezug auf diese, wie auch das versuchte Ansprechen, was das Ignorieren von gewaltsamen Eingriffen in ein ganzes Themenfeld mit dem gesamten weiteren, internationalen Forschungskontext macht, daß dies zu Krieg und möglichen weiteren Formen von destruktiver Gewalt führt, wird von ihr mit sarkastischen Entgegnungen und persönlich beleidigenden Entgleisungen gekontert.
Nennt man Frau Wendland, was es tatsächlich kostet oder mit was man zumindest rechnen muß, wenn man sich für die Aufarbeitung russischer Kolonialgewalt im Nordkaukasus einsetzt oder wenn man sich zumindest für einen angemesseneren Umgang mit den Spätfolgen des Völkermordes einsetzt, dann tut sie dies, ohne klar zu benennen, was denn daran nun so absurd oder abstrus sei, als "unterstellerisch und wahnwichtelig" ab. Eine Diskussion wünschte sie nicht, das hatte sie mehrfach betont. Auch Wendlands Kollege Jörg Baberowski hat seine Kontrahenten und Kritiker - öffentlich - als "Spinner" oder "die Untersteller" (bzw. laut Spiegel auch als "die Bekloppten" und "die Irren") bezeichnet. Einen bloßen Vorschlag von deutscher Seite, künftig dezidierter gegen illegale Haßkommentare und Nazi-Propaganda im Internet vorzugehen, hält Wendland dagegen für eine verdeckte Absichtserklärung duch einen "Möchtegern-Zensor", der, was ihm nicht passe, "zum Verschwinden bringen" wolle. Sie fühlt sich diskriminiert und wohl auch persönlich getroffen davon, daß ein Gastautor in einer deutschen Zeitung "Atomkraftbefürworter, Maskulisten, Evolutionsleugner, Verschwörungstheoretiker, Antisemiten und Nazis" Seite an Seite aufgelistet hat.
In ihrem neueren Artikel "Wir Menschenverächter" hatte Anna Veronika Wendland einen Gegensatz zwischen Herz und Verstand (nur in seiner facebook-Version Version auch wörtlich so benannt) aufgemacht, während sie scheinbar ein "Dazwischen" einforderte. Tatsächlich allerdings hatte sie in einer Schwarz-Weiß-Optik argumentiert und die entsprechenden Gegensätze und Gegenüberstellungen bestärkt. Ihre auf diese Dichotomien gegründende, wortreich postulierte "Verantwortungsethik" fällt allerdings alsbald in sich zusammen, wenn die Überprüfung in der Praxis droht bzw. das Gespräch zufällig auf entsprechende Themen und Sachverhalte zusteuert und da evtl. eine Stellungnahme notwendig wäre. Nachdem ich extra noch einmal - wörtlich - herausgestellt hatte, daß es mir nicht "um ein gleichgartetes inhaltliches Interesse", sondern um "Rechte" bzw. einen "Einsatz für die Rechte anderer" "[a]uch [...] wenn einen [...] Arbeitsthemen vielleicht dann nicht so sehr persönlich interessieren oder man einer anderen politischen Linie folgt" geht, schrieb mir Wendland als Replik (direkt darauf):
"[..] Tatsächlich bin ich aufgrund dieses Mangels an Ubiquitarität unsolidarisch mit 99% der Verfolgten dieser Erde, von denen es 70% noch dreckiger gehen dürfte als den Tscherkessen. Und damit erlaube ich mir, mich aus dieser überaus bizarren Diskussion zu verabschieden. Denn fb ist für mich keine Zwangsverpflichtung zu irgendetwas, und sei es auch eine noch so gute Sache."
- Anna Veronika Wendland -
Mit dieser Begründung ließe sich so ziemlich jede Handlungsaufforderung und jegliche bürgerliche Verpflichtung benachteiligten Mitmenschen und Gruppierungen gegenüber unterminieren und aushebeln. Es sind dann zufällig vielleicht immer gerade die falschen Zielgruppen, denen man Hilfe und Schutz angedeihen lassen müßte, während man selbst 'eigene Prioritäten', 'andere Interessensschwerpunkte', 'berufliche Spezialisierungen", "persönliche Vorlieben", unterschiedliche Aufmerksamkeitsfokusse und "emotionale Verbundenheit" zu gerade nicht "diesen" besitzt und ein eigenes Nichteingreifen und Ignorieren mit einer scheinbar zufälligen, interessenlosen, nicht gesellschaftlich vermittelten individuellen Auswahl von dem, was einem "liegt", begründen kann. Die vermeintliche Beliebigkeit der persönlichen Auswahl verdeckt zudem , daß auch individuelles "Interesse" politisch bzw. gesellschaftlich konstituiert wird. Zumindest im deutschen Rahmen sollte man sich entsprechend für die Wahrung demokratischer Verhältnisse einsetzen.
Ein Handeln allein nach "persönlichen" Interessen und Vorlieben kann absolut destruktive Tendenzen befördern. Die Publizstin Caroline Emcke sagte in ihrer Friedenspreisrede dazu: "Menschenrechte sind kein Nullsummenspiel. Niemand verliert seine Rechte, wenn sie allen zugesichert werden. Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden. Es gibt keine Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit jemand als Mensch anerkannt und geschützt wird. Zuneigung oder Abneigung, Zustimmung oder Abscheu zu individuellen Lebensentwürfen, sozialen Praktiken oder religiösen Überzeugungen dürfen keine Rolle spielen. Das ist doch der Kern einer liberalen, offenen, säkularen Gesellschaft."
Zur Beschädigung öffentlicher Diskurse durch "Fanatiker" (sie meint wohl, was ich Extremisten unterschiedlicher Couleur nennen würde), angesichts derer sich alle angesprochen fühlen müßten, erklärte Emcke: "Sie beschädigen den öffentlichen Diskurs mit ihrem Aberglauben, ihren Verschwörungstheorien und dieser eigentümlichen Kombination aus Selbstmitleid und Brutalität. Sie verbreiten Angst und Schrecken und reduzieren den sozialen Raum, in dem wir uns begegnen und artikulieren können. Sie wollen, dass nur noch Jüdinnen und Juden sich gegen Antisemitismus wehren, dass nur noch Schwule gegen Diskriminierung protestieren, sie wollen, dass nur noch Muslime sich für Religionsfreiheit engagieren, damit sie sie dann denunzieren können als jüdische oder schwule »Lobby« oder »Parallelgesellschaft«, sie wollen, dass nur noch Schwarze gegen Rassismus aufbegehren, damit sie sie als »zornig« diffamieren können, sie wollen, dass sich nur Feministinnen gegen Machismo und Sexismus engagieren, damit sie sie als »humorlos« abwerten können."
Wendland führt in ihren Kommentare merkwürdige, vor allem angedeutete Hierarchisierungen ein, die man sich genauer ansehen sollte: Sie scheint im entsprechenden Zusammenhang auf der Basis von Dringlichkeit und Masse (sie spricht u.a. ironisch von den "Verfolgten dieser Erde, von denen es 70% noch dreckiger gehen dürfte als den Tscherkessen") entscheiden zu wollen, was an Themen, Angelegenheiten und Menschen zuvorderst (auf gesellschaftlicher Ebene) behandelt gehört. Dabei würde bereits die einfachste Priorisierung voraussetzen, daß man sich mit gewissen Themen und politischen Zusammenhängen anhand von Faktenlagen auseinandersetzt und sie in ihren unterschiedlichen Aspekten durchdiskutiert. Dem verweigert sich Wendland aber. Sie wechselt hin und her zwischen "persönlichen Vorlieben" als legitimem Argument und "persönlichen Vorlieben" als Delegitimierungsinstrument und unterlegt letzteres mit Formulierungen wie "Wettbewerb im Alleingestelltsein", "Lieblingsthema" und "Herzensssache". Dies deckt sich mit ihren auf "achgut" eingesetzten rhetorischen Strategien (siehe dazu meinen vorangegangenen Artikel).
Eine rationale Beschäftigung mit Völkermord und dem realen gesellschaftlichen (auch internationalen ) Nutzen von geschichtswissenschaftlicher Arbeit und entsprechender Bildungspolitik (z.B. zur Konfliktprävention) findet nicht statt. Auf eine absolute Unkenntnis des akademischen "Stoffes", zu dem Wendland so stark wertende Aussagen vornimmt, ließe sogar ihre Behauptung schließen, ich habe aus einem "ganz anderen Thema" heraus etwas "konstruiert"- demzufolge hätte sich Wendland denn tatsächlich noch nie mit Islamophobie, deren Geschichte und entsprechend gebräuchlichen Stereotypen beschäftigt Vielleicht war allerdings auch dies nur vorgeschoben. Mittels rhetorischer Kniffs und Tricks wird durch sie der Eindruck vermittelt, als sei Vergangenheitsaufarbeitung zuvorderst eine Angelegenheit von Minderheiten und als ob das ensprechende Engagement einzig und allein darauf ausgerichtet sei, den Tscherkessen 'einen Gefallen' zu erweisen. Damit würde sich Völkermordaufarbeitung dann indirekt als egoistische Betätigung gestalten. Tatsächlich ist es Wendland, die eine stark emotionalisierte und personalisierte/ auf Einzelne und Partikularinteressen zugeschnittene Betrachtungsweise (siehe auch: "noch dreckiger gehen") pflegt. Das Partikulare und das Allgemeinmenschliche, persönliche Interessen und gesamtgesellschaftliche Aufgaben vertauschen in Wendlands Darstellungen ständig ihre Plätze.
Es erstaunt in dieser Hinsicht auch, wie im Zuge eines informaleren Gesprächs im Handumdrehen jegliche sozial- und kulturwissenschaftliche Theoriebildung zu Minderheiten-Mehrheiten-Verhältnissen, die man sich im Laufe seines universitären Bildungsweges angeeignet haben müßte, ad acta gelegt wird. Die Lage von Minderheiten ist nie alleine ein "Problem" derselben. Über Ausschlußmechanismen und entsprechende Grenzziehungen wird auch die gesellschaftliche Mehrheit bzw. deren Identität konstituiert. Eine demokratische, humane Gesellschaft mißt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit denjenigen umgeht, die an ihrem Rand stehen und die ihre Interessen und Ansprüche weniger über entsprechende Machtstellungen und numerischen Einfluß vertreten können. Man muß damit, schon aus Eigeninteresse heraus, immer auch auf die Ränder blicken und fragen, mit Hilfe welcher Mechanismen hier aus- und eingeschlossen wird und wie mit diesen "Anderen" umgegangen wird, ob dies nun Homosexuelle, "Asoziale", ethnische Minderheten, alleinstehende Frauen, "Zigeuner", "Migranten", Arbeitlose oder noch neu zu konstituierende Gruppen von Fremden und Nichtzugehörigen sind. Was bleibt evtl. regelmäßig unthematisiert? Wie konstituieren sich die dunklen Flecken in unserer Wahrnehmung? Welche Verletzungen demokratischer Normen können sich in Dunkelbereichen abspielen? Welche Folgen hat ein systematische "Entfallen" von Teilbereichen unserer Wirklichkeit für unsere Gesellschaft?
Letztendlich argumentiert Wendland - zumindest streckenweise - auch mit Gruppenrechten. Es werden von ihr, nicht nur in der vorliegenden Diskussion, Menschenrechte und Minderheitenanliegen einem scheinbar wichtigeren, größeren Menschenensemble gegenübergestellt. Sie baut unterschiedliche Gruppen gegeneinander auf. Menschenrechte sind jedoch in westlichen Gesellschaften (und internationalen Konventionen) individuell definiert. Hinzu kommt in ihren journalistischeren Texten eine schrille, plakative, aufputschende und teils wohl auch bewußt grenzverletzende Sprache; an anderem Ort beschrieb sie - damit auch ein Stück weit die Mitwelt einer gesellschaftliche Verantwortung enthebend, die über das bloße Vorhandensein von Gesetzen hinausginge - genozidale Logiken und die Notwendigkeit eines Eintretens gegen diese als:
"Befürwortung der Versetzung von Bergen unerwünschter Menschen unter die Erde, für die es seit langem Straftatbestände gibt" - Anna Veronika Wendland -
Diese Sprechgewohnheiten zusammen mit ihrer Argumentationsstruktur erinnern ein wenig an den KBW und andere linksautoritäre Gruppierungen. Einer marxistisch-leninistischen Interpretation zufolge hätte sich der Einzelne ohnehin in seinen Interessen und Wünschen dem Kollektiv unterzuordnen; ein Eintreten für individuelle Menschenrechte wurde in der Sowjetunion gerne mal als egoistischer Akt der Selbstüberhöhung, des individuellen Ausscherens, als Verstoß gegen das Wohl der "Gesamtgesellschaft" und deren Interessenswahrung gewertet. Womöglich soll auch ich nicht einmal mehr schildern, welche Behinderungen bei historischer Aufarbeitung sogar in Deutschland existieren und was ich an tatsächlichen Diskriminierungen in dieser Hinsicht bereits selbst erlebt habe.
Während viel von "Verantwortungsethik" die Rede ist, wird tatsächlich eine Abwertung von Moral bzw. "Ethik" vorgenommen, die dann als unsinnige, unnötige, möglicherweise auch irreführende Gefühlsduselei erscheint. Entsprechende Sicherungsmechanismen, seien es die UN-Genozidkonvention und andere international gültige Regelungen, seien es der Schutz einer freien Presse und unabhängigen Wissenschaft, Geschichtsvermittlung in Schulen und Öffentlichkeit, das Vorgehen gegen Haßkommentare und Geschichtsleugnung (die Reihe ließe sich fortsetzen), wurden aber gewählt, damit sich die Entfesselung von kriegerischer Gewalt in Weltkriegen, die nationalsozialistische Judenvernichtung und der sowjetische Kahlschlag nicht wiederholen und damit ein erneutes Abgleiten in Totalitarismen verhindert wird. Was manchen Rechtspopulisten (und Nazis sowieso) als lästige Moral, als Art Zwangssystem, als Unterdrückung und Beschränkung erscheint, ist eine Art evolutionärer Bewältigungsmechanismus, eine gesellschafliche Überlebensstrategie, die sich angesichts der Katastrophen 20. Jahrhunderts herausgebildet hat. Ein Festhalten daran ist Verantwortung - kein "Gesinnungsterror".
Ein Appell an individuelle und gesellschaftliche Verantwortung (und sei es nur indirekt durch das Benennen entsprechender Sachverhalte) wird gewertet als die Intervention eines Spaßverderbers, der anderen etwas aufzwingen will. Dabei hält Wendland nicht auseinander, sich für das Recht einer bestimmten Person auf freie Meinungsäußerung einzusetzen und für entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu sorgen, und diese Meinung selbst zu vertreten, sich entsprechende Inhalte zu eigen zu machen und gemäß einer partikularen Agenda zu pushen. Vielleicht wird dies auch mit Absicht miteinander vermengt. Es kann sein, daß die Osteuropa-Historikerin mit der Abstraktheit demokratischer Gesprächsregelungen überfordert ist oder diese ihr schlicht zu lästig sind. Mir schrieb sie "Danke, Frau Lehrerin, darf ich mich wieder setzen? Oder muss ich noch in der Bioecke stehen?" und warf mir eine "Gerichtshof-Attitüde" vor, mit der ich jeden "auf die Anklagebank" sezte, "der sich diese Sache nicht so zur Herzenssache macht wie Sie es tun". Wer auf vorhandenes Recht, Orientierung an demokratischen Werten und bürgerliche Vernunft pocht, wird damit also zum humorlosen Anti-Sponti und spießigen, pedantischen Bürokratengeist. Ohne Demokratie geht viel lustiger.
Bei oberflächlichem Blick auf die Freundesliste von Dr. Wendland (es könnten sich dort auch z.B. weiterhin linksradikale Personen befinden, hier soll keine Aussage über eine eindeutige, ausschließliche Verortung in einem rechten Lager gefällt werden - mir persönlich fallen vielmehr Querfrontlogiken auf) finden sich dort - neben Jörg Baberowski selbstverständlich - öffentlich aktive Personen wie die AfD-freundliche Publizistin Cora Stephan*, ein auffälliger FDP-Vertreter namens Klaus Haase, der nach migrantenfeindlichen, zynischen Äußerungen zum Terroranschlag in Paris gerade noch so eben an einem Parteiausschluß vorbeischrammte, Michaela Wettering, die innerhalb der CSU dem sogenannten "Konservativen Aufbruch" angehört (einem Zusammenschluß von Gegnern der merkelschen Flüchtlingspolitik), und ihr achgut-Kollege Wolfram Ackner. Auch Alexander Meschnig, ein weitere achgut-Autor, kommentiert auf Wendlands Seite. Letzterer schreibt zum Beispiel Artikel darüber, wie die "massenhafte Zuwanderung aus arabischen und afrikanischen Ländern [...] faktische Umwälzungen in Europa" erzwinge ("Wie der Frosch im heißen Wasser"). Er bezieht sich dabei u.a. auf die Zeitschrift/das Verlagshaus "TUMULT", die ihrerseits Denkern der sogenannten "Konservativen Revolution" huldigt.
Damit sind im Prinzip auch schon die Eckpunkte eines rechtskonservativen bis neurechten Diskurses skizziert, der sich zwischen einem rechten FDP-Flügel, rechtskonservativen Vereinigungen innerhalb der CDU bzw. vor allem CSU (wie der "Konservative Aufbruch", bzw. auch "Konrads Erben", bestehend aus KAS-Altstipendiaten) und ehemaligen AfD-Leuten um Bernd Lucke (zwischenzeitlich in der Partei ALFA versammelt, heute als "Liberal-Konservative Reformer" bekannt), sowie anderweitig (teils in Kleinstparteien) organisierten Rechtslibertären aufspannt. Meines Erachtens besonders eindrücklich verkörpert wird dieser politische Bereich durch das Online-Medium und die heutige Monatszeitschrift "Tichys Einblick", die ebenfalls mit "achgut" verflochten ist. Es ist dies das Umfeld, aus dem heraus immer wieder bürgerlich eingekleidete Angriffe auf Muslime, Muslimophile und Migrantenverteidiger erfolgen.
Unterstellerischen Wahn warf mir Anna Veronika Wendland im Anschluß an meine Thematisierung muslimischer Rechte und deren Verletzungen vor. In meiner Arbeit geht es um einen Völkermord, der vor dem Hintergrund christlich-muslimischer Antagonismen und dem kreuzzüglerischen Projekt einen imaginären, neu zu erfindenden (russisch-)byzantinischen Reiches verübt wurde. Daß sich jemand anläßlich einer Debatte um religiöse Steretypen, antimuslimische Diskurse und Behinderung von Aufarbeitung genozidaler Gewalt am mutmaßlichen Geisteszustand seines Gesprächspartners stört, er/sie selbst sich aber in die Gegenwart von Klimaskeptikern, Technikgläubigen, Genderhysterisierten, False-Flag-Entlarvern und Fake News-Verbreitern, Untergangsphantastikern und Islamophoben begibt, also in Kreise, die u.a. glauben oder doch zumindest behaupten, Europa würde fremdstämmig unterwandert und solle zum Khalifat umgewandelt werden, nachdem die osmanische Eroberung von 1683 gescheitert war, bildet durchaus einen netten Kontrast. Oder eben auch nicht.
"Dabei will ich nicht ausschließen, dass ich der Irre vom Dienst bin und diejenigen, die ich für gaga halte, pumperlgsund sind. Wer oder was irre
ist, hängt davon ab, wer in einer Gesellschaft das Sagen und die
Deutungshoheit hat.“
- Henryk M. Broder -
Wendland kennt allerdings die Zusammenhänge, von denen bei mir die Rede war, natürlich besser als jede(r) andere, vielleicht sogar ohne alles Nachlesen. Sie steht außerdem über ihrem publizistischen Kontext und dessen Gepflogenheiten. Zum Genderwahn, zu PC-Religion, dem irren Kult um Frauen- und Homosexuelle, Gesine Schwans wirren Muslim-Juden-Vergleichen, irreführenden Klimaschutzabkommen, der Realitätsverweigerung der Altparteien, einer Bevölkerung, die am "Mehrheiten-Stockholm-Syndrom" oder am "Wahn von der bunten Republik" leidet und einer Islamexpertin namens Lamya Kaddor, die "einen an der Klatsche" hat, wenn sie auf Henryk M. Broders und Roland Tichys Rolle bei der Entfaltung von Haßkampagnen hinweist, haben sich nun auch noch die fixe Idee von Menschenrechten und Wahrung des Völkerrechtes sowie meine höchstpersönliche Obsession mit wissenschaftlicher Redlichkeit hinzugesellt:
* Die Publizistin Cora Stephan ist auch mit einer eigenen Autorenseite auf dem AfD-nahen Blog "Freie Welt" vertreten.
“Winston
sank his arms to his sides and slowly refilled his lungs with air. His
mind slid away into the labyrinthine world of doublethink. To know and
not to know, to be conscious of complete truthfulness while telling
carefully constructed lies, to hold simultaneously two opinions which
cancelled out, knowing them to be contradictory and believing in both of
them, to use logic against logic, to repudiate morality while laying
claim to it, to believe that democracy was impossible and that the party
was the guardian of democracy, to forget, whatever it was necessary to
forget, then to draw it back into memory again at the moment when it was
needed, and then promptly to forget it again, and above all, to apply
the same process to the process itself—that was the ultimate subtlety:
consciously to induce unconsciousness, and then, once again, to become
unconscious of the act of hypnosis you had just performed. Even to
understand the word “doublethink” involved the use of doublethink.”-
George Orwell
Dieser Post stellt einen
Rückblick dar. Einen Rückblick auf Begebenheiten, wie ich sie im
letzten Jahr des öfteren erlebt habe – so häufig, daß ich
nicht mehr hinterhergekommen bin und Sachverhalten und Äußerungen, das thematisiert gehört hätten, zunächst auf sich beruhen
lassen mußte. Mittlerweile haben sich manche Tendenzen weiterentwickelt und ist nun einiges klarer
zu sehen. In einer Begegnung vom 5. Mai 2016 mit Anna Veronika Wendland hatte die Osteuropa-Historikerin, von der auch in meinem letzten Post die Rede war, nicht nur
beleidigende, schmähende Kommentare gegen mich getätigt, sondern Aussagen in Bezug auf die Tscherkessen und den an ihnen verübten Völkermord getroffen. Diese zeugten meines Erachtens von einem
großen Mangel an Sensibilität und Respekt gegenüber den Opfern, einem Kleinreden der Behinderung von Aufarbeitung und von intellektuellen Leugnungs- und Vernebelungsstrategien, sowie generell von einer fehlender Ernsthaftigkeit in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen, (russischen) Repressionspraktiken und unseren Umgang damit.
Ich hatte A. V. Wendland angesichts dieses ersten Kommentars nicht geradeheraus eine Identifizierung mit Böhmermann und dessen populistischen Seiten unterstellen wollen - hätte ich das damals nur mal getan. Ich war mir nicht sicher gewesen, ob sie sagen wollte, daß es ihr in ihrer Wahrnehmung "ähnlich" gehe wie dem bekannten Fernsehmoderator, oder "ähnlich" wie seinen Kritikern und damit den Kritikern rechtspopulistischer Zusammenhänge und von Böhmermanns mangelnder Abgrenzung dazu (letzteren wird schnell das eine oder andere unlautere Motiv untergeschoben). Ich habe deswegen erst im Verlauf, gegen Ende unserer Diskussion, nachgefragt, wie denn ihr "ähnlich" gemeint war, dann allerdings darauf auch keine Antwort erhalten. Als "linke" Atomkraftbefürworterin identifiziert sich Wendland jedoch - das zeigt ein erneutes Lesen und Zusammendenken mit ihren übrigen Publikationen - auf eine gewissse Weise mit dem Satiriker Böhmermann, sieht sich wohl mit ihm in eine Opferrolle gedrängt, bzw. sie fühlt sich zusammen mit anderen in eine "Ecke" (wie es in rechtspopulistischen Kreisen so schön heißt) gestellt und betont vor diesem Hintergrund, wie sie sich trotzdem eine mutige, unangepaßte Haltung bewahrt habe.
Im Verbund damit trägt sie eine unspezifische, aber energisch vorgetragene Aufforderung an Andere vor, es ihr gleichzutun. Ich hatte diese Aufforderung - angesichts der Abwesenheit von Böhmermann auf meiner Facebook-Seite - als an mich und/oder meinen Freundeskreis gerichtet verstanden und empfand diese ungefragte wie allzu pauschale Aufforderung als unangemessen. Eine solche
Handlungsaufforderung, vorgetragen in diesem Stile und vor dem
Hintergrund ihrer eigenen wissenschaftlichen, publizistischen und
politischen Tätigkeiten, bleibt inadäquat, nicht zuletzt, weil sie
die real gegebenen Beschränkungen bei Anderen verkennt bzw. ignoriert oder kleinredet, nicht
gegen diese vorgeht und selbst keine Unterstützung oder gar Schutz
bietet.
Da ich ihren Gefühlshaushalt in Bezug auf Böhmemann bzw. ihre entsprechenden Projektionsflächen nicht kannte, habe ich dann angenommen, daß solche Aufforderungen auch auf mich und meine Arbeitsthemen gemünzt waren (ansonsten hätte ich sie wohl noch einmal direkt auf den Satiriker und dessen Schüren von Vorurteilen angesprochen, die Diskussion hätte sich dann möglicherweise in andere Richtung entwickelt). Das partielle Mißverständnis bzw. meine Annahme, Wendland könne sich nicht in der Rolle eines Menschen gesehen haben, der für das Vortragen rassistischer und religiöser Stereotypen von rechter bzw. neurechter Seite aus beklatscht wurde, ändern jedoch nichts an ihrem deutlichen Verkennen von Perspektiven und Verhältnismäßigkeit, das sie sich nun auch an andere Orten äußert, ich allerdings gleich damals, noch in ihrer Gegenwart, zu thematisieren versucht hatte.
Wendland liefert mit ihrem ersten Kommentar eine Selbstinszenierung als rundum widerständige Person und betrachtet sich wohl als Vorbild für Andere. Sie spornt an - mit welchem Recht? vor welchem Hintergrund? - und fordert dazu auf, eine widerspenstige, originelle, eigenständige Haltung an den Tag zu legen - "egal auf welchem politischen Feld". Wie sie mit einer widerständigen Meinung und konsequenten Positionierungen auf dem Feld der genozidalen Gewalt und des umfangreichen Beschweigens von Vorkommnissen im Nordkaukasus und fortgesetztem kolonialen Beherrschungsdenken (auch in unseren akademischen Institutionen und "westlichen" Publikationsorganen vorhanden) umgeht und wie wenig da von ihr "schwierige", differenzierte und unabhängige Haltungen in der Praxis geschätzt werden, zeigt sie alsbald darauf. Ihr primäres Argument in der darauffolgenden Diskussion war, daß eine Äquivalenz zwischen dem Vertreten atomkratfreundlicher Positionen in der deutschen Öffentlichkeit und dem Einsatz für eine von Rußland verfolgte, zahlenmäßig stark dezimierte, bedrohte Minderheit bestehe.
Unterschiedliche Benachteilungen, wi sie die Tscherkessen als Minderheit erleben, summieren sich in dem Sinne, daß sie in Rußland einen mächtigen und noch dazu großteils a-demokratischen Gegner haben, sie muslimisch geprägt sind bzw. im Zuge eines kreuzzughaft entworfenen Kolonialprojektes vernichtet wurden und auch heute nicht derart im Geflecht internationaler geopolitischer Interessen stehen, daß sie daraus nennenswerte Vorteile für sich ziehen könnten. An den Tscherkessen zeigt sich meines Erachtens, wie wenig auf abstrakte, allgemeingültige Regelungen wie "Menschenrechte" und "Völkerrecht" im praktischen Sinne Verlaß ist, daß auch heute kaum auf zivilgesellschaftliches Engagement und individuelle Aufmerksamkeit zu vertrauen ist - jedenfalls dann nicht, wenn entsprechende Großinteressenslagen fehlen oder dem gar entgegenstehen. Unser Grad an Menschlichkeit und Humanismus äußert sich darum auch gerade darin, wie wir mit den Tscherkessen, deren heutigen Rechten und der russisch-tscherkessisch-europäischen Geschichte (mit ihrem Vorlagencharakter für heutige Prozesse) umgehen. Die Stille ist bislang erdrückend.
Wendland spricht von "Prügel[n]", die sie bezogen haben will. Sie schreib etwa, sie habe für ihre "linksföderalistischen Überlegungen zur möglichen politischen Reform der Ukraine, schon viel Prügel von ukrainischen Nationalisten eingesteckt" oder sie sagt (siehe unten), sie habe "bereits einige Schlachten mit den AfDlern ausgefochten". Sie meint dies allerdings rein metaphorisch.
In neuem, nunmehr klarer rechtspopulistischem Kontext bzw. auch im Zuge eigener rechtspopulistisch anverwandelter Rhetorik entrüstet sie sich darüber, daß ihr aufgrund ihrer Haltung zu Atomkraft und zu nuklearen Katastrophen bzw. zivilen Strahlenopfern eine zynische, menschenfeindliche Einstellung vorgeworfen werde. Sie habe unter einem " Schwall von schmähenden Zuschriften" zu leiden bzw. so etwas behindere und beeinträchtige Atomkraftbefürworter so sehr, daß sich "hierzulande niemand mehr" traue, "eine sachlich-kritische Diskussion über die Energiepolitik unter Einbeziehung der nuklearen Option noch durchzustehen".
Mir gegenüber behauptet Wendland (siehe unten) bzw. versucht zu suggerieren, bei uns spiele sich jeglicher Konflikt, jede Auseinandersetzung allein auf rhetorischer Ebene ab, es sei darum nichts zu befürchten bzw. zu riskieren. Ein Eintreten für schwierige Positionen erscheint damit im Grunde als belang- und folgenlos für Andere.
Wendland weiß um den strategischen Einsatz verquerer Vergleiche bzw. schiefer Logiken und deren manipulative, destruktive Wirkung (siehe ihren feuilletonistischen Beitrag "Lingua Russiae Imperii").
Das Apfel-Birne-Argument, das Wendland da kritisert, wo es ihr persönlich und karrieretechnisch (und anderen wohl geopolitisch) entgegenkommen dürfte, wird von ihr selbst, gegen nordkaukasische Interessen gewandt, eingesetzt..Wer auf nordkaukasischer Seite echte Prügel wegen Aktivismus für Minderheitenrechte bezieht (teils sogar wiederholt), wird von ihr zunächst nicht einmal verbal zur Kenntnis genommen bzw. sie scheint in der untenstehenden Diskussion mit vagen, ausweichenden aber pejorativen Formulierungen ursprünglich versucht zu haben, derartige Vorkommnisse (sie reichen von der Beendigung von Karrieren/Herabstufung im Amt/Arbeitsplatzverlust über die Beseitigung von Ausstellungen, die Schwierigkeit, zu publizieren und beispielsweise vor Ort zu filmen und Nachstellungen und zermürbende Anschuldigungen bis hin zu sehr konkreten Drohungen, Entführungen, Folter und Mord) abzuwiegeln bzw. sie ganz als persönliches Hirngespinst abzutun.
In Deutschland ist immerhin mit handfesten Diskriminierungen und politisch motivierter Verdrängung aus dem öffentlichen Raum, die auch die dort lebenden Tscherkessen betrifft, zu rechnen. Die Sorge um repressierte Aktivisten und Intellektuelle und ein Pflichtgefühl in Bezug auf diese, wie auch das versuchte Ansprechen, was das Ignorieren von gewaltsamen Eingriffen in ein ganzes Themenfeld mit dem gesamten weiteren, internationalen Forschungskontext macht, daß dies zu Krieg und möglichen weiteren Formen von destruktiver Gewalt führt, wird von ihr mit sarkastischen Entgegnungen und persönlich beleidigenden Entgleisungen gekontert.
Nennt man Frau Wendland, was es tatsächlich kostet oder mit was man zumindest rechnen muß, wenn man sich für die Aufarbeitung russischer Kolonialgewalt im Nordkaukasus einsetzt oder wenn man sich zumindest für einen angemesseneren Umgang mit den Spätfolgen des Völkermordes einsetzt, dann tut sie dies, ohne klar zu benennen, was denn daran nun so absurd oder abstrus sei, als "unterstellerisch und wahnwichtelig" ab. Eine Diskussion wünschte sie nicht, das hatte sie mehrfach betont. Auch Wendlands Kollege Jörg Baberowski hat seine Kontrahenten und Kritiker - öffentlich - als "Spinner" oder "die Untersteller" (bzw. laut Spiegel auch als "die Bekloppten" und "die Irren") bezeichnet. Einen bloßen Vorschlag von deutscher Seite, künftig dezidierter gegen illegale Haßkommentare und Nazi-Propaganda im Internet vorzugehen, hält Wendland dagegen für eine verdeckte Absichtserklärung duch einen "Möchtegern-Zensor", der, was ihm nicht passe, "zum Verschwinden bringen" wolle. Sie fühlt sich diskriminiert und wohl auch persönlich getroffen davon, daß ein Gastautor in einer deutschen Zeitung "Atomkraftbefürworter, Maskulisten, Evolutionsleugner, Verschwörungstheoretiker, Antisemiten und Nazis" Seite an Seite aufgelistet hat.
In ihrem neueren Artikel "Wir Menschenverächter" hatte Anna Veronika Wendland einen Gegensatz zwischen Herz und Verstand (nur in seiner facebook-Version Version auch wörtlich so benannt) aufgemacht, während sie scheinbar ein "Dazwischen" einforderte. Tatsächlich allerdings hatte sie in einer Schwarz-Weiß-Optik argumentiert und die entsprechenden Gegensätze und Gegenüberstellungen bestärkt. Ihre auf diese Dichotomien gegründende, wortreich postulierte "Verantwortungsethik" fällt allerdings alsbald in sich zusammen, wenn die Überprüfung in der Praxis droht bzw. das Gespräch zufällig auf entsprechende Themen und Sachverhalte zusteuert und da evtl. eine Stellungnahme notwendig wäre. Nachdem ich extra noch einmal - wörtlich - herausgestellt hatte, daß es mir nicht "um ein gleichgartetes inhaltliches Interesse", sondern um "Rechte" bzw. einen "Einsatz für die Rechte anderer" "[a]uch [...] wenn einen [...] Arbeitsthemen vielleicht dann nicht so sehr persönlich interessieren oder man einer anderen politischen Linie folgt" geht, schrieb mir Wendland als Replik (direkt darauf):
"[..] Tatsächlich bin ich aufgrund dieses Mangels an Ubiquitarität unsolidarisch mit 99% der Verfolgten dieser Erde, von denen es 70% noch dreckiger gehen dürfte als den Tscherkessen. Und damit erlaube ich mir, mich aus dieser überaus bizarren Diskussion zu verabschieden. Denn fb ist für mich keine Zwangsverpflichtung zu irgendetwas, und sei es auch eine noch so gute Sache."
- Anna Veronika Wendland -
Mit dieser Begründung ließe sich so ziemlich jede Handlungsaufforderung und jegliche bürgerliche Verpflichtung benachteiligten Mitmenschen und Gruppierungen gegenüber unterminieren und aushebeln. Es sind dann zufällig vielleicht immer gerade die falschen Zielgruppen, denen man Hilfe und Schutz angedeihen lassen müßte, während man selbst 'eigene Prioritäten', 'andere Interessensschwerpunkte', 'berufliche Spezialisierungen", "persönliche Vorlieben", unterschiedliche Aufmerksamkeitsfokusse und "emotionale Verbundenheit" zu gerade nicht "diesen" besitzt und ein eigenes Nichteingreifen und Ignorieren mit einer scheinbar zufälligen, interessenlosen, nicht gesellschaftlich vermittelten individuellen Auswahl von dem, was einem "liegt", begründen kann. Die vermeintliche Beliebigkeit der persönlichen Auswahl verdeckt zudem , daß auch individuelles "Interesse" politisch bzw. gesellschaftlich konstituiert wird. Zumindest im deutschen Rahmen sollte man sich entsprechend für die Wahrung demokratischer Verhältnisse einsetzen.
Ein Handeln allein nach "persönlichen" Interessen und Vorlieben kann absolut destruktive Tendenzen befördern. Die Publizstin Caroline Emcke sagte in ihrer Friedenspreisrede dazu: "Menschenrechte sind kein Nullsummenspiel. Niemand verliert seine Rechte, wenn sie allen zugesichert werden. Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden. Es gibt keine Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit jemand als Mensch anerkannt und geschützt wird. Zuneigung oder Abneigung, Zustimmung oder Abscheu zu individuellen Lebensentwürfen, sozialen Praktiken oder religiösen Überzeugungen dürfen keine Rolle spielen. Das ist doch der Kern einer liberalen, offenen, säkularen Gesellschaft."
Zur Beschädigung öffentlicher Diskurse durch "Fanatiker" (sie meint wohl, was ich Extremisten unterschiedlicher Couleur nennen würde), angesichts derer sich alle angesprochen fühlen müßten, erklärte Emcke: "Sie beschädigen den öffentlichen Diskurs mit ihrem Aberglauben, ihren Verschwörungstheorien und dieser eigentümlichen Kombination aus Selbstmitleid und Brutalität. Sie verbreiten Angst und Schrecken und reduzieren den sozialen Raum, in dem wir uns begegnen und artikulieren können. Sie wollen, dass nur noch Jüdinnen und Juden sich gegen Antisemitismus wehren, dass nur noch Schwule gegen Diskriminierung protestieren, sie wollen, dass nur noch Muslime sich für Religionsfreiheit engagieren, damit sie sie dann denunzieren können als jüdische oder schwule »Lobby« oder »Parallelgesellschaft«, sie wollen, dass nur noch Schwarze gegen Rassismus aufbegehren, damit sie sie als »zornig« diffamieren können, sie wollen, dass sich nur Feministinnen gegen Machismo und Sexismus engagieren, damit sie sie als »humorlos« abwerten können."
Wendland führt in ihren Kommentare merkwürdige, vor allem angedeutete Hierarchisierungen ein, die man sich genauer ansehen sollte: Sie scheint im entsprechenden Zusammenhang auf der Basis von Dringlichkeit und Masse (sie spricht u.a. ironisch von den "Verfolgten dieser Erde, von denen es 70% noch dreckiger gehen dürfte als den Tscherkessen") entscheiden zu wollen, was an Themen, Angelegenheiten und Menschen zuvorderst (auf gesellschaftlicher Ebene) behandelt gehört. Dabei würde bereits die einfachste Priorisierung voraussetzen, daß man sich mit gewissen Themen und politischen Zusammenhängen anhand von Faktenlagen auseinandersetzt und sie in ihren unterschiedlichen Aspekten durchdiskutiert. Dem verweigert sich Wendland aber. Sie wechselt hin und her zwischen "persönlichen Vorlieben" als legitimem Argument und "persönlichen Vorlieben" als Delegitimierungsinstrument und unterlegt letzteres mit Formulierungen wie "Wettbewerb im Alleingestelltsein", "Lieblingsthema" und "Herzensssache". Dies deckt sich mit ihren auf "achgut" eingesetzten rhetorischen Strategien (siehe dazu meinen vorangegangenen Artikel).
Eine rationale Beschäftigung mit Völkermord und dem realen gesellschaftlichen (auch internationalen ) Nutzen von geschichtswissenschaftlicher Arbeit und entsprechender Bildungspolitik (z.B. zur Konfliktprävention) findet nicht statt. Auf eine absolute Unkenntnis des akademischen "Stoffes", zu dem Wendland so stark wertende Aussagen vornimmt, ließe sogar ihre Behauptung schließen, ich habe aus einem "ganz anderen Thema" heraus etwas "konstruiert"- demzufolge hätte sich Wendland denn tatsächlich noch nie mit Islamophobie, deren Geschichte und entsprechend gebräuchlichen Stereotypen beschäftigt Vielleicht war allerdings auch dies nur vorgeschoben. Mittels rhetorischer Kniffs und Tricks wird durch sie der Eindruck vermittelt, als sei Vergangenheitsaufarbeitung zuvorderst eine Angelegenheit von Minderheiten und als ob das ensprechende Engagement einzig und allein darauf ausgerichtet sei, den Tscherkessen 'einen Gefallen' zu erweisen. Damit würde sich Völkermordaufarbeitung dann indirekt als egoistische Betätigung gestalten. Tatsächlich ist es Wendland, die eine stark emotionalisierte und personalisierte/ auf Einzelne und Partikularinteressen zugeschnittene Betrachtungsweise (siehe auch: "noch dreckiger gehen") pflegt. Das Partikulare und das Allgemeinmenschliche, persönliche Interessen und gesamtgesellschaftliche Aufgaben vertauschen in Wendlands Darstellungen ständig ihre Plätze.
Es erstaunt in dieser Hinsicht auch, wie im Zuge eines informaleren Gesprächs im Handumdrehen jegliche sozial- und kulturwissenschaftliche Theoriebildung zu Minderheiten-Mehrheiten-Verhältnissen, die man sich im Laufe seines universitären Bildungsweges angeeignet haben müßte, ad acta gelegt wird. Die Lage von Minderheiten ist nie alleine ein "Problem" derselben. Über Ausschlußmechanismen und entsprechende Grenzziehungen wird auch die gesellschaftliche Mehrheit bzw. deren Identität konstituiert. Eine demokratische, humane Gesellschaft mißt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit denjenigen umgeht, die an ihrem Rand stehen und die ihre Interessen und Ansprüche weniger über entsprechende Machtstellungen und numerischen Einfluß vertreten können. Man muß damit, schon aus Eigeninteresse heraus, immer auch auf die Ränder blicken und fragen, mit Hilfe welcher Mechanismen hier aus- und eingeschlossen wird und wie mit diesen "Anderen" umgegangen wird, ob dies nun Homosexuelle, "Asoziale", ethnische Minderheten, alleinstehende Frauen, "Zigeuner", "Migranten", Arbeitlose oder noch neu zu konstituierende Gruppen von Fremden und Nichtzugehörigen sind. Was bleibt evtl. regelmäßig unthematisiert? Wie konstituieren sich die dunklen Flecken in unserer Wahrnehmung? Welche Verletzungen demokratischer Normen können sich in Dunkelbereichen abspielen? Welche Folgen hat ein systematische "Entfallen" von Teilbereichen unserer Wirklichkeit für unsere Gesellschaft?
Letztendlich argumentiert Wendland - zumindest streckenweise - auch mit Gruppenrechten. Es werden von ihr, nicht nur in der vorliegenden Diskussion, Menschenrechte und Minderheitenanliegen einem scheinbar wichtigeren, größeren Menschenensemble gegenübergestellt. Sie baut unterschiedliche Gruppen gegeneinander auf. Menschenrechte sind jedoch in westlichen Gesellschaften (und internationalen Konventionen) individuell definiert. Hinzu kommt in ihren journalistischeren Texten eine schrille, plakative, aufputschende und teils wohl auch bewußt grenzverletzende Sprache; an anderem Ort beschrieb sie - damit auch ein Stück weit die Mitwelt einer gesellschaftliche Verantwortung enthebend, die über das bloße Vorhandensein von Gesetzen hinausginge - genozidale Logiken und die Notwendigkeit eines Eintretens gegen diese als:
"Befürwortung der Versetzung von Bergen unerwünschter Menschen unter die Erde, für die es seit langem Straftatbestände gibt" - Anna Veronika Wendland -
Diese Sprechgewohnheiten zusammen mit ihrer Argumentationsstruktur erinnern ein wenig an den KBW und andere linksautoritäre Gruppierungen. Einer marxistisch-leninistischen Interpretation zufolge hätte sich der Einzelne ohnehin in seinen Interessen und Wünschen dem Kollektiv unterzuordnen; ein Eintreten für individuelle Menschenrechte wurde in der Sowjetunion gerne mal als egoistischer Akt der Selbstüberhöhung, des individuellen Ausscherens, als Verstoß gegen das Wohl der "Gesamtgesellschaft" und deren Interessenswahrung gewertet. Womöglich soll auch ich nicht einmal mehr schildern, welche Behinderungen bei historischer Aufarbeitung sogar in Deutschland existieren und was ich an tatsächlichen Diskriminierungen in dieser Hinsicht bereits selbst erlebt habe.
Während viel von "Verantwortungsethik" die Rede ist, wird tatsächlich eine Abwertung von Moral bzw. "Ethik" vorgenommen, die dann als unsinnige, unnötige, möglicherweise auch irreführende Gefühlsduselei erscheint. Entsprechende Sicherungsmechanismen, seien es die UN-Genozidkonvention und andere international gültige Regelungen, seien es der Schutz einer freien Presse und unabhängigen Wissenschaft, Geschichtsvermittlung in Schulen und Öffentlichkeit, das Vorgehen gegen Haßkommentare und Geschichtsleugnung (die Reihe ließe sich fortsetzen), wurden aber gewählt, damit sich die Entfesselung von kriegerischer Gewalt in Weltkriegen, die nationalsozialistische Judenvernichtung und der sowjetische Kahlschlag nicht wiederholen und damit ein erneutes Abgleiten in Totalitarismen verhindert wird. Was manchen Rechtspopulisten (und Nazis sowieso) als lästige Moral, als Art Zwangssystem, als Unterdrückung und Beschränkung erscheint, ist eine Art evolutionärer Bewältigungsmechanismus, eine gesellschafliche Überlebensstrategie, die sich angesichts der Katastrophen 20. Jahrhunderts herausgebildet hat. Ein Festhalten daran ist Verantwortung - kein "Gesinnungsterror".
Ein Appell an individuelle und gesellschaftliche Verantwortung (und sei es nur indirekt durch das Benennen entsprechender Sachverhalte) wird gewertet als die Intervention eines Spaßverderbers, der anderen etwas aufzwingen will. Dabei hält Wendland nicht auseinander, sich für das Recht einer bestimmten Person auf freie Meinungsäußerung einzusetzen und für entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu sorgen, und diese Meinung selbst zu vertreten, sich entsprechende Inhalte zu eigen zu machen und gemäß einer partikularen Agenda zu pushen. Vielleicht wird dies auch mit Absicht miteinander vermengt. Es kann sein, daß die Osteuropa-Historikerin mit der Abstraktheit demokratischer Gesprächsregelungen überfordert ist oder diese ihr schlicht zu lästig sind. Mir schrieb sie "Danke, Frau Lehrerin, darf ich mich wieder setzen? Oder muss ich noch in der Bioecke stehen?" und warf mir eine "Gerichtshof-Attitüde" vor, mit der ich jeden "auf die Anklagebank" sezte, "der sich diese Sache nicht so zur Herzenssache macht wie Sie es tun". Wer auf vorhandenes Recht, Orientierung an demokratischen Werten und bürgerliche Vernunft pocht, wird damit also zum humorlosen Anti-Sponti und spießigen, pedantischen Bürokratengeist. Ohne Demokratie geht viel lustiger.
Bei oberflächlichem Blick auf die Freundesliste von Dr. Wendland (es könnten sich dort auch z.B. weiterhin linksradikale Personen befinden, hier soll keine Aussage über eine eindeutige, ausschließliche Verortung in einem rechten Lager gefällt werden - mir persönlich fallen vielmehr Querfrontlogiken auf) finden sich dort - neben Jörg Baberowski selbstverständlich - öffentlich aktive Personen wie die AfD-freundliche Publizistin Cora Stephan*, ein auffälliger FDP-Vertreter namens Klaus Haase, der nach migrantenfeindlichen, zynischen Äußerungen zum Terroranschlag in Paris gerade noch so eben an einem Parteiausschluß vorbeischrammte, Michaela Wettering, die innerhalb der CSU dem sogenannten "Konservativen Aufbruch" angehört (einem Zusammenschluß von Gegnern der merkelschen Flüchtlingspolitik), und ihr achgut-Kollege Wolfram Ackner. Auch Alexander Meschnig, ein weitere achgut-Autor, kommentiert auf Wendlands Seite. Letzterer schreibt zum Beispiel Artikel darüber, wie die "massenhafte Zuwanderung aus arabischen und afrikanischen Ländern [...] faktische Umwälzungen in Europa" erzwinge ("Wie der Frosch im heißen Wasser"). Er bezieht sich dabei u.a. auf die Zeitschrift/das Verlagshaus "TUMULT", die ihrerseits Denkern der sogenannten "Konservativen Revolution" huldigt.
Damit sind im Prinzip auch schon die Eckpunkte eines rechtskonservativen bis neurechten Diskurses skizziert, der sich zwischen einem rechten FDP-Flügel, rechtskonservativen Vereinigungen innerhalb der CDU bzw. vor allem CSU (wie der "Konservative Aufbruch", bzw. auch "Konrads Erben", bestehend aus KAS-Altstipendiaten) und ehemaligen AfD-Leuten um Bernd Lucke (zwischenzeitlich in der Partei ALFA versammelt, heute als "Liberal-Konservative Reformer" bekannt), sowie anderweitig (teils in Kleinstparteien) organisierten Rechtslibertären aufspannt. Meines Erachtens besonders eindrücklich verkörpert wird dieser politische Bereich durch das Online-Medium und die heutige Monatszeitschrift "Tichys Einblick", die ebenfalls mit "achgut" verflochten ist. Es ist dies das Umfeld, aus dem heraus immer wieder bürgerlich eingekleidete Angriffe auf Muslime, Muslimophile und Migrantenverteidiger erfolgen.
Unterstellerischen Wahn warf mir Anna Veronika Wendland im Anschluß an meine Thematisierung muslimischer Rechte und deren Verletzungen vor. In meiner Arbeit geht es um einen Völkermord, der vor dem Hintergrund christlich-muslimischer Antagonismen und dem kreuzzüglerischen Projekt einen imaginären, neu zu erfindenden (russisch-)byzantinischen Reiches verübt wurde. Daß sich jemand anläßlich einer Debatte um religiöse Steretypen, antimuslimische Diskurse und Behinderung von Aufarbeitung genozidaler Gewalt am mutmaßlichen Geisteszustand seines Gesprächspartners stört, er/sie selbst sich aber in die Gegenwart von Klimaskeptikern, Technikgläubigen, Genderhysterisierten, False-Flag-Entlarvern und Fake News-Verbreitern, Untergangsphantastikern und Islamophoben begibt, also in Kreise, die u.a. glauben oder doch zumindest behaupten, Europa würde fremdstämmig unterwandert und solle zum Khalifat umgewandelt werden, nachdem die osmanische Eroberung von 1683 gescheitert war, bildet durchaus einen netten Kontrast. Oder eben auch nicht.
Es ist in rechtspopulistischen Kreisen, auch etwa im Umfeld von Roland Tichys Internetplattform und heutiger Monatszeitschrift "Tichys Einblick", gerade schwer en vogue, seine Interessen wahrzunehmen, indem man seine Konkurrenten öffentlich ausstellt, verleumdet und lächerlich macht. Man glaubt in rechtspopulistischen Kreisen offenbar, ungestraft und völlig nach eigenem Gutdünken im Netz herumpöbeln und beleidigen zu können. Politische Gegner der psychischen Abnormalität zu beschuldigen, gehört zu diesem Verhaltensrepertoire dazu. Wer die entsprechenden Publikationsorgane und ihre Vertreter schon einmal online kritisiert, von einzelnen Autoren gestreute Fehlinformationen auseinandergenommen hat, dürfte Ähnliches bereits erlebt haben - zumindest der Lüge und Heuchelei, der Takiya, bezichtigt worden sein. Ausgewählte Individuen (oft genug in der Öffentlichkeit stehende Muslime) werden mit ganzen Artikeln - zwischen prosagewordenem Steckbrief und Psychogramm changierend - beehrt. Henryk M. Broder, und das liest sich schon fast wie eine Strategie zum Erringen kultureller Hegemonie, läßt uns in einem Anflug halber Selbstkritik zu seinem Umgang mit Normalität und Devianz wissen:
- Henryk M. Broder -
Wendland kennt allerdings die Zusammenhänge, von denen bei mir die Rede war, natürlich besser als jede(r) andere, vielleicht sogar ohne alles Nachlesen. Sie steht außerdem über ihrem publizistischen Kontext und dessen Gepflogenheiten. Zum Genderwahn, zu PC-Religion, dem irren Kult um Frauen- und Homosexuelle, Gesine Schwans wirren Muslim-Juden-Vergleichen, irreführenden Klimaschutzabkommen, der Realitätsverweigerung der Altparteien, einer Bevölkerung, die am "Mehrheiten-Stockholm-Syndrom" oder am "Wahn von der bunten Republik" leidet und einer Islamexpertin namens Lamya Kaddor, die "einen an der Klatsche" hat, wenn sie auf Henryk M. Broders und Roland Tichys Rolle bei der Entfaltung von Haßkampagnen hinweist, haben sich nun auch noch die fixe Idee von Menschenrechten und Wahrung des Völkerrechtes sowie meine höchstpersönliche Obsession mit wissenschaftlicher Redlichkeit hinzugesellt:
* Die Publizistin Cora Stephan ist auch mit einer eigenen Autorenseite auf dem AfD-nahen Blog "Freie Welt" vertreten.