"Sehr geehrte Frau Kreiten,
vielen Dank für Ihre Mail und Ihr Interesse!
Deutschland spielt aufgrund seiner traditionell engen Beziehungen zu Russland eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der EU-Russlandpolitik. Russland ist ein unverzichtbarer Partner bei der Bewältigung globaler Probleme vom Klimawandel und der demografischen Entwicklung bis hin zur Syrienkrise, dem iranischen Atomprogramm und der Stabilisierung Afghanistans. Die Beziehungen sind daher auf Kooperation in der Breite angelegt.
Eine positive Entwicklung Russlands liegt im besonderen Interesse aller europäischen Staaten. Nur ein Russland, welches seine Gesellschaft demokratisiert und seine Wirtschaft modernisiert, wird auch langfristig ein verlässlicher Partner sein. Die EU hat mit Russland daher 2010 eine vom ehemaligen Außenminister Steinmeier inspirierte „Modernisierungspartnerschaft“ verabredet, die alle vier „gemeinsamen Räume“ betrifft: a) Wirtschaft, b) Recht und Innere Sicherheit c) die Äußere Sicherheit und d). Forschung, Bildung und Kultur. Die Umsetzung stagniert jedoch in den letzten Jahren. Neue Impulse von deutscher und EU-Seite sind daher gefragt, um eine Verengung auf wirtschaftliche und technische Kooperation zu Lasten gesellschaftspolitischen Wandels zu verhindern.Auch die SPD hat die zunehmende Unterdrückung der Opposition in der dritten Amtszeit von Präsident Putin offen kritisiert (s. Bundestagsdebatten vom 16.10. und 9.11.2012 sowie BT-Drucksache 17/11005). Die Chance zum Dialog mit der Opposition blieb ungenutzt. Als Reaktion auf die beispiellosen landesweiten Proteste gegen die Rochade von Präsident und Ministerpräsident und Manipulationen bei den Dumawahlen vom Dezember 2011 wurden die Bürgerrechte und die Bewegungsmöglichkeiten unabhängiger zivilgesellschaftlicher Organisationen seit Mai 2012 drastisch eingeschränkt.
Das Demonstrationsrecht wurde verschärft, Internetsperren ermöglicht, um unabhängige Berichterstattung zu verhindern, restriktive Gesetze gegen sexuelle Minderheiten verabschiedet. Anlass zu großer Besorgnis gaben das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen führende Köpfe der Opposition mit Festnahmen und Verhören, der Ausschluss des Dumaabgeordneten Gennadi Gudkow durch die Mehrheit oder das unverhältnismäßige Urteil gegen die Punkband „Pussyriot“.
Besonders negativ wirkt sich das neue NGO-Gesetz aus, das Organisationen, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, strengen Kontrollen unterwirft und sie zwingt, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren und damit in der russischen Öffentlichkeit zu diskreditieren. Die vor diesem Hintergrund im März 2013 erfolgten Durchsuchungen der Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung und Friedrich-Ebert-Stiftung in Russland wurden als Teil einer landesweiten Einschüchterungskampagne gegenüber der Zivilgesellschaft nachdrücklich kritisiert.
Einen möglichen Ansatzpunkt in dieser schwierigen Phase, die menschlichen Kontakte und die Kooperation zwischen deutschen und russischen Organisation zu verbreitern, bietet eine Liberalisierung des restriktiven Visaregimes. Darüber hinaus bedarf es zusätzlicher Projekte. Normen wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte spielen bei der Heranführung Russlands an die europäische Wertegemeinschaft selbstverständlich eine herausragende Rolle. Insofern sind die Angebote der Zusammenarbeit und Unterstützung auf diesem Gebiet seitens der EU zu erneuern und dem zivilgesellschaftlichen Dialog eine zentrale Stellung einzuräumen.
Mit freundlichen Grüßen,
i.A. Macit Karaahmetoğlu
Eine positive Entwicklung Russlands liegt im besonderen Interesse aller europäischen Staaten. Nur ein Russland, welches seine Gesellschaft demokratisiert und seine Wirtschaft modernisiert, wird auch langfristig ein verlässlicher Partner sein. Die EU hat mit Russland daher 2010 eine vom ehemaligen Außenminister Steinmeier inspirierte „Modernisierungspartnerschaft“ verabredet, die alle vier „gemeinsamen Räume“ betrifft: a) Wirtschaft, b) Recht und Innere Sicherheit c) die Äußere Sicherheit und d). Forschung, Bildung und Kultur. Die Umsetzung stagniert jedoch in den letzten Jahren. Neue Impulse von deutscher und EU-Seite sind daher gefragt, um eine Verengung auf wirtschaftliche und technische Kooperation zu Lasten gesellschaftspolitischen Wandels zu verhindern.Auch die SPD hat die zunehmende Unterdrückung der Opposition in der dritten Amtszeit von Präsident Putin offen kritisiert (s. Bundestagsdebatten vom 16.10. und 9.11.2012 sowie BT-Drucksache 17/11005). Die Chance zum Dialog mit der Opposition blieb ungenutzt. Als Reaktion auf die beispiellosen landesweiten Proteste gegen die Rochade von Präsident und Ministerpräsident und Manipulationen bei den Dumawahlen vom Dezember 2011 wurden die Bürgerrechte und die Bewegungsmöglichkeiten unabhängiger zivilgesellschaftlicher Organisationen seit Mai 2012 drastisch eingeschränkt.
Das Demonstrationsrecht wurde verschärft, Internetsperren ermöglicht, um unabhängige Berichterstattung zu verhindern, restriktive Gesetze gegen sexuelle Minderheiten verabschiedet. Anlass zu großer Besorgnis gaben das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen führende Köpfe der Opposition mit Festnahmen und Verhören, der Ausschluss des Dumaabgeordneten Gennadi Gudkow durch die Mehrheit oder das unverhältnismäßige Urteil gegen die Punkband „Pussyriot“.
Besonders negativ wirkt sich das neue NGO-Gesetz aus, das Organisationen, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, strengen Kontrollen unterwirft und sie zwingt, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren und damit in der russischen Öffentlichkeit zu diskreditieren. Die vor diesem Hintergrund im März 2013 erfolgten Durchsuchungen der Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung und Friedrich-Ebert-Stiftung in Russland wurden als Teil einer landesweiten Einschüchterungskampagne gegenüber der Zivilgesellschaft nachdrücklich kritisiert.
Einen möglichen Ansatzpunkt in dieser schwierigen Phase, die menschlichen Kontakte und die Kooperation zwischen deutschen und russischen Organisation zu verbreitern, bietet eine Liberalisierung des restriktiven Visaregimes. Darüber hinaus bedarf es zusätzlicher Projekte. Normen wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte spielen bei der Heranführung Russlands an die europäische Wertegemeinschaft selbstverständlich eine herausragende Rolle. Insofern sind die Angebote der Zusammenarbeit und Unterstützung auf diesem Gebiet seitens der EU zu erneuern und dem zivilgesellschaftlichen Dialog eine zentrale Stellung einzuräumen.
Mit freundlichen Grüßen,
i.A. Macit Karaahmetoğlu
Am 3.9.2013 habe ich mich bei Herrn Weiß für seine Antwort bedankt, gleichzeitig aber auch um Präzisierung gebeten bezüglich dem Platz, den er tscherkessischen Belangen in dem von ihm skizzierten komplexen Feld einräumen möchte. Ich schrieb:
"Sehr geehrter Herr Weiß,
"Sehr geehrter Herr Weiß,
Ich bedanke mich bei Ihnen recht herzlich für Ihre ausführliche Schilderung der deutschen Rußlandpolitik und der schwierigen Lage der russischen Opposition und Zivilgesellschaft. Auch ich bin der Meinung, daß es zunächst wichtig wäre, einen Raum zu schaffen, in dem ein Dialog überhaupt erst stattfinden kann. Ebenso läge es mir fern, von der deutschen Regierung einen konfrontativen Kurs gegenüber Rußland zu fordern oder gar einen Boykott der Olympischen Winterspiele voranzutreiben.
Ich betrachte jedoch mit Sorge, daß tscherkessische Belange auch bei uns bisher kaum zur Kenntnis genommen werden und tscherkessische wie auch andere nordkaukasische zivilgesellschaftliche Kräfte gerade nicht an einem Prozeß der Demokratisierung und Förderung von Rechtsstaatlichkeit beteiligt werden. Auch das europäische Ausland läßt bisher in seinen Ansätzen zur Stärkung der russischen Zivilgesellschaft Belange der nordkaukasischen Zivilgesellschaft und Diaspora weitgehend außen vor. Die deutsche Öffentlichkeit läuft meines Erachtens insbesondere mit Hinblick auf die Olympischen Spiele in Sochi Gefahr - sicher auch unwillentlich - die vom Zarenreich an den Tscherkessen verübten Verbrechen stillschweigend zu dulden bzw. hier die russische Geschichtsapologetik sogar mitzutragen.
Aus diesem Grunde möchte ich Sie erneut um eine kurze Verortung der Tscherkessen in der von Ihnen bereits skizzierten Grundproblematik bitten. Es wäre für mich wie auch eine breitere - tscherkessische wie nichttscherkessische - Öffentlichkeit hilfreich, wenn Sie, insbesondere mit Bezugnahme auf die Olympischen Spiele, Ihre Haltung gegenüber dem Recht der Tscherkessen auf eine angemessene Vergangenheitsaufarbeitung hier präzisieren könnten.
Herrn Karaahmetoğlu hatte ich vor dem Hintergrund seiner eigenen Herkunft aus Rize angeschrieben, ich hatte mir hier einen möglichen ersten Ansatzpunkt wie auch eine etwaige persönliche Sensibilität für die Belange der östlichen Schwarzmeerregion erhofft - ich stehe regelmäßig vor dem Problem, daß einer allgemeineren deutschen Öffentlichkeit die Geschichte dieser Region wie auch die Tscherkessen selbst fast gänzlich unbekannt sind und bin deshalb immer auf der Suche nach kompetenten Gesprächspartnern und für jedes Vorwissen dankbar. Vielleicht ließen sich auch vor dem biographischen Hintergrund von Herrn Karaahmetoğlu noch ein oder zwei Sätze mit Regionalbezug hinzufügen?
Ich danke Ihnen im Voraus für Ihr Interesse und Ihre Mühe,
Mit freundlichen Grüßen,
Irma Kreiten"
Ergänzung: Eine weitere Stellungnahme des Teams Karaahmetoğlu samt Behandlung der tscherkessischen Thematik ist mittlerweile eingetroffen und kann hier auf dem blog unter http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com/2013/09/prazisierende-antwort-des-teams.html nachgelesen werden.
Ergänzung: Eine weitere Stellungnahme des Teams Karaahmetoğlu samt Behandlung der tscherkessischen Thematik ist mittlerweile eingetroffen und kann hier auf dem blog unter http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com/2013/09/prazisierende-antwort-des-teams.html nachgelesen werden.