Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte hat soeben ein bereits am 18. Dezember geführtes Interview mit Karl Hafen, dem geschäftsführenden Vorsitzenden der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, veröffentlicht: "Boykott der Olympischen Winterspiele in Sotschi/Rußland? Die Position der IGFM: Kritik ja, Boykott nein." Es zeigt sich im Interview, daß Hafen von den tscherkessischen Protesten und ihren historischen Hintergründen Kenntnis hatte. Gefragt nach der "Volksgruppe der Tscherkessen", die sich "sehr kritisch über die Bauarbeiten geäußert" hätte, antwortet er:
"Die Tscherkessen wurden nach dem Kaukasuskrieg vor genau 150 Jahren, fast vollends aus ihrer Heimat vertrieben. Die Anzahl der Toten ist unbekannt, aber beträgt wohl einige Hunderttausend. Bei den Bauarbeiten scheint auch ein Massengrab aus dieser Zeit entdeckt worden zu sein. Der Vorwurf des Vorsitzenden des Internationalen Komitees der Tscherkessen geht daher gegen das Abhalten von Olympischen Spielen auf den Gräbern ihrer Vorfahren. Sie verlangen, dass die Geschehnisse von damals offiziell als Genozid anerkannt werden. Das hat bisher nur Georgien getan."
Es fragt sich, warum der Menschenrechtskämpfer bisher hierüber geschwiegen, diese Informationen und das Wissen um ihre Relevanz in Bezug auf die Umstrittenheit von Sotschi 2014 für sich behalten hat. Warum geht er gerade jetzt damit an die Öffentlichkeit, unmittelbar nachdem der ZEIT-Artikel Im Blut der Tscherkessen zusammen mit dem fast zeitgleich erschienenen, äußerst empfehlenswerte Radiobeitrag Endstation Schwarzes Meer (mit dem tscherkessischsen Historiker Almir Abregov) das Thema "Tscherkessen" einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat? Wäre es nicht gerade Sache von Menschenrechtsorganisationen, von sich aus und beizeiten den Finger in die Wunde zu legen und entsprechend auf derartige Zusammenhänge hinzuweisen, d.h. bevor sich die Massenmedien ihrer annehmen?
Hafen leitet denn auch keinerlei Konsequenzen ab aus diesem Wissen um ein unaufgearbeitetes Kolonialverbrechen, welches weiterhin gravierende Auswirkungen hat, sowohl auf die Tscherkessen im Nordkaukasus selbst wie auch auf die weltweite nordkaukasische Diaspora. Die Absage von "Personen aus Politik und Gesellschaft" an Sotschi 2014 (und nicht etwa einen Boykottaufruf) hält Hafen als Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen und offenbar auch vor dem Hintergrund einer erneuerten russischen Geschichtsverleugnung "nicht für angemessen". Er selbst sieht den Olympischen Spielen mit positiven Gefühlen entgegen:
"Wir hoffen, dass die Olympischen Winterspiele in Sotschi eine Bühne der internationalen Begegnung und Kommunikation sein werden. Die Spiele sollten als Möglichkeit der Begegnung und Annäherung unterschiedlicher Systeme genutzt werden. Sie sollten fröhlich sein und die Freude sollte durch den friedlichen Wettstreit der Sportler in die Welt getragen werden. Natürlich hoffen auch wir auf viele Medaillen für die deutsche Mannschaft."
Ich finde es schön, daß die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte auf Medaillen hofft, ich hoffe derweil auf eine Gesellschaft für Menschenrechte, die sich primär für Menschenrechte anstelle von Medaillen interessiert und das Einhalten von ersteren im Nordkaukasus nicht dem sportlichen Ruhm des deutschen Volkes unterordnet.
Nachbemerkung:
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte ist hervorgegangen aus dem Engagement gegen Menschenrechtsverletzungen in der damaligen Sowjetunion. Beisitzer ist u.a. Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, christlicher Moralphilosoph und Vorstreiter für Religionsfreiheit. Die IGFM beschreibt sich selbst als "humanitäre Bürgerbewegung" und "unterstützt Menschen, die sich gewaltlos für die Verwirklichung der Menschenrechte in ihren Ländern einsetzen oder die verfolgt werden, weil sie ihre Rechte einfordern". Während bei der IGFM nach 1989 eine Neupositionierung samt Vorzeichenwechsel (von - Rußland/+Opposition zu +Rußland/- Opposition) erfolgte, scheint mir hier doch eine Konstante in Form von geopolitischem Interesse vorzuliegen. Die IGFM bleibt ihren Traditionen treu...
"Die Tscherkessen wurden nach dem Kaukasuskrieg vor genau 150 Jahren, fast vollends aus ihrer Heimat vertrieben. Die Anzahl der Toten ist unbekannt, aber beträgt wohl einige Hunderttausend. Bei den Bauarbeiten scheint auch ein Massengrab aus dieser Zeit entdeckt worden zu sein. Der Vorwurf des Vorsitzenden des Internationalen Komitees der Tscherkessen geht daher gegen das Abhalten von Olympischen Spielen auf den Gräbern ihrer Vorfahren. Sie verlangen, dass die Geschehnisse von damals offiziell als Genozid anerkannt werden. Das hat bisher nur Georgien getan."
Es fragt sich, warum der Menschenrechtskämpfer bisher hierüber geschwiegen, diese Informationen und das Wissen um ihre Relevanz in Bezug auf die Umstrittenheit von Sotschi 2014 für sich behalten hat. Warum geht er gerade jetzt damit an die Öffentlichkeit, unmittelbar nachdem der ZEIT-Artikel Im Blut der Tscherkessen zusammen mit dem fast zeitgleich erschienenen, äußerst empfehlenswerte Radiobeitrag Endstation Schwarzes Meer (mit dem tscherkessischsen Historiker Almir Abregov) das Thema "Tscherkessen" einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat? Wäre es nicht gerade Sache von Menschenrechtsorganisationen, von sich aus und beizeiten den Finger in die Wunde zu legen und entsprechend auf derartige Zusammenhänge hinzuweisen, d.h. bevor sich die Massenmedien ihrer annehmen?
Hafen leitet denn auch keinerlei Konsequenzen ab aus diesem Wissen um ein unaufgearbeitetes Kolonialverbrechen, welches weiterhin gravierende Auswirkungen hat, sowohl auf die Tscherkessen im Nordkaukasus selbst wie auch auf die weltweite nordkaukasische Diaspora. Die Absage von "Personen aus Politik und Gesellschaft" an Sotschi 2014 (und nicht etwa einen Boykottaufruf) hält Hafen als Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen und offenbar auch vor dem Hintergrund einer erneuerten russischen Geschichtsverleugnung "nicht für angemessen". Er selbst sieht den Olympischen Spielen mit positiven Gefühlen entgegen:
"Wir hoffen, dass die Olympischen Winterspiele in Sotschi eine Bühne der internationalen Begegnung und Kommunikation sein werden. Die Spiele sollten als Möglichkeit der Begegnung und Annäherung unterschiedlicher Systeme genutzt werden. Sie sollten fröhlich sein und die Freude sollte durch den friedlichen Wettstreit der Sportler in die Welt getragen werden. Natürlich hoffen auch wir auf viele Medaillen für die deutsche Mannschaft."
Ich finde es schön, daß die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte auf Medaillen hofft, ich hoffe derweil auf eine Gesellschaft für Menschenrechte, die sich primär für Menschenrechte anstelle von Medaillen interessiert und das Einhalten von ersteren im Nordkaukasus nicht dem sportlichen Ruhm des deutschen Volkes unterordnet.
Nachbemerkung:
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte ist hervorgegangen aus dem Engagement gegen Menschenrechtsverletzungen in der damaligen Sowjetunion. Beisitzer ist u.a. Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, christlicher Moralphilosoph und Vorstreiter für Religionsfreiheit. Die IGFM beschreibt sich selbst als "humanitäre Bürgerbewegung" und "unterstützt Menschen, die sich gewaltlos für die Verwirklichung der Menschenrechte in ihren Ländern einsetzen oder die verfolgt werden, weil sie ihre Rechte einfordern". Während bei der IGFM nach 1989 eine Neupositionierung samt Vorzeichenwechsel (von - Rußland/+Opposition zu +Rußland/- Opposition) erfolgte, scheint mir hier doch eine Konstante in Form von geopolitischem Interesse vorzuliegen. Die IGFM bleibt ihren Traditionen treu...