Zarische Truppen, Krasnaja Poljana, 21.5.1864

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Freitag, 1. November 2013

Deutsches Olympisches Jugendlager - Wird neben der russischen auch tscherkessische Kultur und Geschichte vermittelt werden?

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), die Deutsche Olympische Akademie (DOA) und die Deutsche Sportjugend (dsj) veranstalten  für junge Sportler von 16 bis 19 Jahren parallel zu den Oympischen Spielen (5.-19. Februar 2014) ein Jugendlager in Sotschi. Im Ausschreibungstext werden unter "Zielsetzungen"  u.a. folgende Punkte genannt:

Förderung des gegenseitigen Verstehens durch gemeinsame interkulturelle und sportliche Aktivitäten; 
 Vermittlung von Einblicken in die Kultur und Geschichte des Gastgeberlandes

Anläßlich dieser Ausschreibung hat Sarah Reinke, GUS-Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und mich interessiert, inwieweit hier im Rahmen der Förderung interkulturellen Verstehens den Jugendlichen auch tscherkessische Kultur und Geschichte nahegebracht werden sollen, bzw. inwieweit sich die Veranstalter überhaupt der Tatsache bewußt sind, daß "Geschichte und Kultur des Gastlandes" sich nicht mit einem Verweis auf russische Traditionen in der Region erschöpfen lassen. Ebenfalls haben wir, sollte bei den Veranstaltern entsprechend Bedarf und  Interesse vorhanden sein, Beratung und Unterstützung unsererseits sowie die Vermittlung geeigneter tscherkessischer/nordkaukasischer Gesprächspartner angeboten. Am 30. Oktober 2013 haben wir hierzu in einer gemeinsamen Aktion folgende beiden Briefe versandt:

1) 



"Deutsche Sportjugend
Herrn Ingo Weiss, 1. Vorsitzender
weiss@dsj.de

Berlin, Istanbul, 28. Oktober 2013


Sehr geehrter Herr Weiss,

Die Olympischen Spiele stehen gemäß ihrer Charter nicht nur für Sport, sondern auch für soziale Verantwortung, den Respekt vor ethischen Werten, die Wahrung menschlicher Würde und eine friedvolle Gesellschaft. Dies gilt auch für die Durchführung des Deutschen Olympischen Jugendlagers in Sotschi während der Winterspiele. Sotschi bietet für die olympischen Spiele einen problematischen Rahmen, war es doch im 19. Jahrhundert Schauplatz des blutigen letzten Kampfes der Tscherkessen gegen die russische Vorherrschaft, die in Folge ihrer Niederlage kollektiv aus ihrer Heimat vertrieben wurden und heute über die ganze Welt verstreut leben. Eine politische Aufarbeitung dieser Kolonialverbrechen hat bisher nicht stattgefunden. Aus tscherkessischer Sicht stellt die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Sotschi daher einen weiteren Akt der Provokation, der Verleugnung ihrer Geschichte und Kultur dar.

In Ihrer Ausschreibung erwähnen Sie, dass auch eine Förderung des gegenseitigen Verstehens durch gemeinsame interkulturelle und sportliche Aktivitäten sowie die Vermittlung von Einblicken in die Kultur und Geschichte des Gastgeberlandes Teil des Jugendlagers sein sollen. Uns würde vor dem tscherkessischen Hintergrund der Olympischen Spiele interessieren, was bisher unter „Vermittlungen von Einblicken in die Kultur und Geschichte des Gastgeberlandes“ geplant ist und wer hierfür letztendlich verantwortlich zeichnen wird – die deutsche Seite, die russische, beide in Kooperation?

Wir möchten Sie, sollte dies nicht bereits schon geschehen sein, dazu ermuntern, in diese interkulturellen Aktivitäten auch tscherkessische Stimmen einzubeziehen und sich nicht allein auf die offizielle russische Darstellungen zu verlassen. Um nicht unwillentlich die russische Politik des Verschweigens und Vertuschens zu unterstützen, sollten insbesondere von deutscher Seite zum Aspekt „Kultur und Geschichte des Gastgeberlandes“ auch tscherkessische Geschichte und Kultur sowie die aktuelle Lage der nordkaukasischen Minderheiten in der Russischen Föderation thematisiert werden. 

Im Falle, dass vor Ort tscherkessische Belange nicht ausreichend zur Sprache gebracht werden können, böte es sich beispielsweise an, bereits im Vorfeld in Deutschland eine entsprechende Vorbereitung anzubieten, etwa durch einen Besuch der Ausstellung zu den Tscherkessen im Hamburger Völkerkundemuseum, die diesen November eröffnet, oder auch Treffen mit Angehörigen der tscherkessischen Diaspora in Deutschland. Die GfbV hat zudem eine Broschüre über die Tscherkessen herausgegeben, die bei der Vorbereitung der Jugendlichen auch nützlich sein könnte.

Wir würden uns über eine kurze Rückmeldung darüber freuen, inwieweit bisher bei der Planung tscherkessische Perspektiven berücksichtigt worden sind und stehen Ihnen, sollten Sie das wünschen, auch mit Rat und Tat zur Seite. 

Mit freundlichen Grüßen,


Sarah Reinke, Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker
Irma Kreiten, Historikerin und Ethnologin"



2) 



"Deutsche Olympische Akademie
Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Doll-Tepper, Vorsitzende
office@doa.info.de

Berlin, Istanbul, 28. Oktober 2013

Sehr geehrte Frau Prof. Doll-Tepper,

Die Olympischen Spiele stehen gemäß ihrer Charter nicht nur für Sport, sondern auch für soziale Verantwortung, den Respekt vor ethischen Werten, die Wahrung menschlicher Würde und eine friedvolle Gesellschaft. Gemeinsam mit der Deutschen Sportjugend führen Sie von der Deutschen Olympischen Akademie das Jugendlager in Sotschi parallel zu den dortigen Winterspielen durch. Sotschi bietet hierfür einen problematischen Rahmen, war es doch im 19. Jahrhundert Schauplatz des blutigen letzten Kampfes der Tscherkessen gegen die russische Vorherrschaft, die in Folge ihrer Niederlage kollektiv aus ihrer Heimat vertrieben wurden und heute über die ganze Welt verstreut leben. Eine politische Aufarbeitung dieser Kolonialverbrechen hat bisher nicht stattgefunden. Aus tscherkessischer Sicht stellt die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Sotschi daher einen weiteren Akt der Provokation,der 
Verleugnung ihrer Geschichte und Kultur dar.

In Ihrer Ausschreibung erwähnen Sie, dass auch eine Förderung des gegenseitigen Verstehens durch gemeinsame interkulturelle und sportliche Aktivitäten sowie die Vermittlung von Einblicken in die Kultur und Geschichte des Gastgeberlandes Teil des Jugendlagers sein sollen. Uns würde vor dem tscherkessischen Hintergrund der Olympischen Spiele interessieren, was bisher unter „Vermittlung von Einblicken in die Kultur und Geschichte des Gastgeberlandes“ geplant ist und wer hierfür letztendlich verantwortlich zeichnen wird – die deutsche Seite, die russische, beide in Kooperation?

Wir möchten Sie, sollte dies nicht bereits schon geschehen sein, dazu ermuntern, in diese interkulturellen Aktivitäten auch tscherkessische Stimmen einzubeziehen und sich nicht allein auf die offizielle russische Darstellungen zu verlassen. Um nicht unwillentlich die russische Politik des Verschweigens und Vertuschens zu unterstützen, sollten insbesondere von deutscher Seite zum Aspekt „Kultur und Geschichte des Gastgeberlandes“ auch tscherkessische Geschichte und Kultur sowie die aktuelle Lage der nordkaukasischen Minderheiten in der Russischen Föderation thematisiert werden. 

Im Falle, dass vor Ort tscherkessische Belange nicht ausreichend zur Sprache gebracht werden können, böte es sich beispielsweise an, bereits im Vorfeld in Deutschland eine entsprechende Vorbereitung anzubieten, etwa durch einen Besuch der Ausstellung zu den Tscherkessen im Hamburger Völkerkundemuseum, die diesen November eröffnet, oder auch Treffen mit Angehörigen der tscherkessischen Diaspora in Deutschland. Die GfbV hat zudem eine Broschüre über die Tscherkessen herausgegeben, die bei der Vorbereitung der Jugendlichen auch nützlich sein könnte.

Wir würden uns über eine kurze Rückmeldung darüber freuen, inwieweit bisher bei der Planung tscherkessische Perspektiven berücksichtigt worden sind und stehen Ihnen, sollten Sie das wünschen, auch mit Rat und Tat zur Seite. 

Mit freundlichen Grüßen,

Sarah Reinke, Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker
Irma Kreiten, Historikerin und Ethnologin"