Scholars at Risk
sind nach eigener Aussage ein internationales Netzwerk akademischer
Einrichtungen, die es sich zum Ziel gemacht haben, Wissenschaftlern
außerhalb der USA, deren Arbeit durch u.a. Diskriminierung, Zensur,
Belästigungen und Einschüchterungsversuche gefährdet wird („Aids
scholars
outside the United States whose work is threatened by mass or
individual displacement, discrimination, censorship, harassment,
intimidation,
...”), Unterstützung zu bieten. Ich hatte Scholars
at Risk am 12.2.2012 angeschrieben, nachdem ich seit Monaten von der
Universität Southampton aktiv darin gehindert worden war, mein
Dissertationsprojekt zum Abschluß zu bringen – von gerade der
Universität, an die ich gewechselt hatte, um nicht mehr den
gleichen Einschränkungen meiner akademischen Freiheit und Eingriffen
wie an meiner deutschen Heimatuniversität ausgesetzt zu sein.
In meinem Schreiben an Scholars at Risk hatte ich - angesichts deren etwas vager Webpräsenz – betont, daß ich meine Situation keineswegs gleichsetzen wolle mir derjenigen von Akademikern, die einer massiven und unmittelbaren physischen Bedrohung ausgesetzt sind, ich nichtsdestotrotz aber massiv an meiner Arbeite gehindert werde und dies allmählich für mich existenzbedrohend wird. Zum anderen hatte ich darauf hingewiesen, daß mir im Laufe der Zeit immer mehr Hinweise untergekomen waren, denen zu Folge andere Wissenschaftler und Intellektuelle, die sich mit der Aufarbeitung der Geschichte des Westkaukasus/ Nordkaukaus befassen, ebenfalls auf ungewöhnliche Schwierigkeiten stoßen, sie marginalisiert, behindert und eingeschüchtert werden. Es scheint sich um ein regelrechtes Charakteristikum unseres Arbeitsfeldes zu handeln: mal wird der Druck subtiler, mittels „sanfter“ Zensurtechniken ausgeübt, mal über Jobverlust oder gar physische Bedrohung. Gesprochen wird darüber maximal unter vorgehaltener Hand - aus Angst vor weiteren Konsequenzen. Ich hatte demzufolge Scholars at Risk gebeten, ob sie nicht - etwa durch Herstellung einer kritischen, wachsamen Öffentlichkeit - ganz konkret Maßnahmen ergreifen könnten, damit auch im Bereich der Nordkaukasusstudien in Zukunft Freiheit und Sicherheit für unabhängige Forschung gegeben seien, wie sie in anderen Feldern doch eher selbstverständlich sind.
Im Gegensatz zu anderen
Adressaten habe ich von Scholars at Risk immerhin eine schnelle und
höfliche, d.h. formal korrekte Antwort erhalten. Eine Beratung oder gar konkrete Unterstützung wurde in meinem Fall allerdings
abgelehnt mit der Begründung, es sei die Kernaufgabe von Scholars at
Risk, Akademikern, deren Leben akut bedroht sei, zu einer temporären
Anstellung (im Ausland) zu verhelfen. Stillschweigend mitabgelehnt wurde, sich dem weiteren Problemkomplex zu stellen, dem eines offenbar in Wissenschaft und Öffentlichkeit tabuisierten Forschungsfeldes. Man hat sich wie schon so oft jenseits eines Herunterbrechens auf
„persönliche“ Probleme gar nicht erst die Mühe gemacht, auf politische
Blockaden des Forschungsfeldes einzugehen als solches und damit auch die gleichgearteten Probleme von Kollegen zu registrieren und analysieren.
Daß die Behauptung, man konzentriere sich bei Scholars at Risk auf Fälle, in denen
unmittelbar Leib und Leben in Gefahr seien, nicht stimmt, hatte ich schon damals bemerkt. So schildern Scholars at Risk beispielsweise auf ihren Internet-Seiten den
Fall eines Journalismus-Professors, dem an der in NanyangTechnological University in Singapur aufgrund von parteipolitischem Engagement seine „tenureship“ verweigert werden sollte. Kritisiert wurde hieran, daß die Verweigerung von
tenureship darauf abziele, die akademische Meinungsäußerung eines
Wissenschaftlers zu begrenzen und damit akademische
Werte untergraben würden. Man ist also durchaus in der
Lage, auch subtilere Mechanismen der Zensur zu durchschauen und
dagegen das Wort zu ergreifen – warum nicht auch in Bezug auf 10
Jahre an Diskriminierung, Einschüchterung, institutioneller Willkür und indirekter staatlicher Einmischung, wie ich sie erlebt habe? Warum nicht in Bezug auf die politischen Verhältnisse, die verhindern, daß sich Nordkaukasusstudien als ein eigenständiger Wissenschaftsbereich konstituieren und damit nicht mehr der direkten politischen Einflußnahme ausgesetzt sind? Die hieraus erneut gewonnene Lektion: Wer sich als
unabhängiger Akademiker mit dem Nordkaukasus beschäftigt und dadurch in
Schwierigkeiten gerät, zählt für gewisse Kreise einfach nicht.
Ich habe damals die
Angelegenheit auf sich beruhen lassen und Scholars at Risk nicht auf
ihre disparaten Maßstäbe beim Feststellen wissenschaftlicher
Repressionen verwiesen. Ich war nach oberflächlicher Durchsicht von Personalien und Kooperationspartnern zur Ansicht gelangt, daß ich mich in derartigem Umfeld
wohl ohnehin nicht frei und politisch unabhängig gefühlt hätte und
es wenig Sinn machen würde, die eine kompromittierende Situation
durch eine andere, womöglich kaum weniger kompromittierende, zu ersetzten. Wenn ich den europäischen Kolonialismus, in diesem Falle in seiner russischen Variantem kritisch aufarbeiten möchte und dabei in Konflikt gerate mit Militarisierungstendenzen an meiner deutschem Heimatinstitution, so werde ich nicht anschließend als vermeintliche Lösung meiner Probleme dafür entscheiden, neoimperialen "Sicherheitsinteressen" der USA zuzuarbeiten und mich etwa zur Voice of America zu machen. Für mich stellt die Alternative zwischen Skylla und Charybdis, die aktuell auf internationaler Ebene im wissenschaftspolitischen Angebot ist, schlicht und einfach eine Erpressung unabhängiger Forschung dar.
Nun habe ich am
3. Dezember, pünktlich zur Vorweihnachtszeit mit ihrer Flut an
Wohltätigkeit, Hilfsbereitschaft und entsprechenden Spendenaufrufen, erneut Post von
Scholars at Risk erhalten. Betitelt ist das bunte Schreiben mit „Help
Scholars at Risk“. Interessant, denn ich hatte ja ursprünglich
gedacht, hier bekomme man Hilfe geboten, nun sucht man also selber welche? Scholars at Risk bitten mich „to stand with us as we work to protect
threatened scholars and promote academic freedom worldwide“ („uns
zur Seite zu stehen in unserem Bemühen, gefährdete Wissenschaftler
zu stützen und die Wissenschaftsfreiheit weltweit zu fördern“). Unterlegt ist das Bettelgesuch mit einer Eindruck heischenden Aufstellung der eigenen jährlichen Leistungsbilanz:
„ This year we
helped over 70 scholars to escape danger and keep working in safety,
and over 200 others with referrals, advice, mentoring and more.“ -
„Dieses Jahr haben wir über 70 Wissenschaftlern geholfen, Gefahren
zu entrinnen und weiterhin in Sicherheit zu arbeiten, sowie über 200
anderen mit Empfehlungen, Rat, Betreuung und weiterem.“
Allein für dieses Jahr sind es also laut Eigendarstellung über 200 Fälle gewesen, in denen es nicht um dramatische Rettungsaktionen, sondern Beratung und Betreuung in nicht ganz so kritischen Fällen gegangen war. Aber hat man hier tatsächlich geholfen und beraten? Oder sind es Absageschreiben wie das an mich gerichtete, die hier als "Beratung" und "Betreuung" in die Statistik Eingang finden? Wie dem auch sei, nun habe ich es sozusagen amtlich und höchst offiziell in Zahlen, daß zum Aktionsfeld von Scholars at Risk in der Tat auch Beratung und Intervention bei unterschiedlich ausgestalteten Fällen intellektueller Repression gehören und sie sich keineswegs nur auf Dissidenten-Import beschränken – gespendet habe ich
trotzdem nichts.
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Ergänzendes zum damaligen konkreten Hintergrund meines Schreibens an Scholars at Risk, dem Verhalten der Universität Southampton:
Zum Zeitpunkt meines
Hilferufs an Scholars at Risk im Februar 2013 hatte die Universität
Southampton bereits vielfach die eigenen Regeln und insbesondere auch
vorgegebene Fristen durchbrochen, das von mir eingeleitete
Beschwerdeverfahren zog und zog sich hin und es war kein Einlenken in
Sicht. Ich
hatte wiederholt und mit höchstem Nachdruck um zügige,
fristgerechte Bearbeitung gebeten und darauf hingewiesen, wie wichtig
es sei, daß meine Arbeit bis 2014 als Symboljahr des Völkermords an
den Tscherkessen fertiggestellt werde. Der eingesetzte Beschwerdeprüfer
hat es allerdings nicht
einmal als nötig empfunden, auf diesen Umstand überhaupt
einzugehen. Das Resultat aus heutiger Sicht: eine nunmehr seit
anderthalb Jahren andauernde aktive Blockade meines
Forschungsprojektes und die Verhinderung der Erscheinung einer
entsprechenden wissenschaftlichen Studie noch vor den Olympischen
Spielen.
Auf praktischer Ebene bestand mit der Universität Southampton folgendes Problem: Ich hatte meine Ansprechspartner in Southampton vielfach auf den politischen Druck, dem ich in Deutschland ausgesetzt war, auf Einschüchterungsversuche und fortgesetzte Diskriminierungen hingewiesen. Reaktion war zunächst ein jahrelanges Ignorieren, Verharmlosen und implizites Abstreiten gewesen, als sich die Tendenzen in Deutschland nicht mehr abstreiten ließen, mit einer absoluten Gleichgültigkeit hingenommen. Mir war aufgrund der fehlenden Unterstützung wenig anderes übrig geblieben, als mich Anfang 2009 einer bedrückenden und zunehmend als bedrohlich empfundenen Situation durch Umzug ins Ausland zu entziehen und mich hierfür auf eigenes Anraten in Southampton beurlauben zu lassen. Nach einem langwierigen Kampf in schlechter gesundheitlicher Verfassung gegen weitergehende Belästigungen und die Folgeschäden meines Ausschlusses aus dem Wissenschaftsbetrieb war es mir dan 2011 gelungen, eine vorübergehende wissenschaftliche "Anstellung" an einer der vielen Istanbuler Privatuniversitäten zu finden und damit zumindest ein kleines Stück meiner akademischen Reputation zurückzugewinnen. Im Herbst 2012 wäre ich damit - nach 3 Jahren der Zwangspause - erstmals wieder aus eigener Kraft in der Lage gewesen, konzentriert und kontinuierlich wissenschaflliche Arbeit zu leisten und damit meine Dissertation zum Abschluß zu bringen.
Auf praktischer Ebene bestand mit der Universität Southampton folgendes Problem: Ich hatte meine Ansprechspartner in Southampton vielfach auf den politischen Druck, dem ich in Deutschland ausgesetzt war, auf Einschüchterungsversuche und fortgesetzte Diskriminierungen hingewiesen. Reaktion war zunächst ein jahrelanges Ignorieren, Verharmlosen und implizites Abstreiten gewesen, als sich die Tendenzen in Deutschland nicht mehr abstreiten ließen, mit einer absoluten Gleichgültigkeit hingenommen. Mir war aufgrund der fehlenden Unterstützung wenig anderes übrig geblieben, als mich Anfang 2009 einer bedrückenden und zunehmend als bedrohlich empfundenen Situation durch Umzug ins Ausland zu entziehen und mich hierfür auf eigenes Anraten in Southampton beurlauben zu lassen. Nach einem langwierigen Kampf in schlechter gesundheitlicher Verfassung gegen weitergehende Belästigungen und die Folgeschäden meines Ausschlusses aus dem Wissenschaftsbetrieb war es mir dan 2011 gelungen, eine vorübergehende wissenschaftliche "Anstellung" an einer der vielen Istanbuler Privatuniversitäten zu finden und damit zumindest ein kleines Stück meiner akademischen Reputation zurückzugewinnen. Im Herbst 2012 wäre ich damit - nach 3 Jahren der Zwangspause - erstmals wieder aus eigener Kraft in der Lage gewesen, konzentriert und kontinuierlich wissenschaflliche Arbeit zu leisten und damit meine Dissertation zum Abschluß zu bringen.
Auf
meine
nachdrücklichen Forderungen hin, mir endlich den Abschluß meines
Doktorandenstudiums zu gewähren, verlangte die Universität Southampton
jedoch plötzlich von mir, den bereits im Vorfeld meines Wechsels an
diese Universität durchgewunkenen Inhalt und die Strukturierung meiner
Arbeit von Neuem mit einem akademischen Betreuerteam zu besprechen
und umzugestalten. Das wäre an sich schon ärgerlich genug gewesen, noch
problematischer aber war, daß mir ebendieses Team von Betreuern nicht
gestellt wurde und damit auch kein veränderter Schreibplan beschlossen
werden konnte. Die Person, die bis dahin (auf regelwidrige Weise
alleinverantwortlich) für meine akademische Betreuung zuständig
gewesen war bzw. wäre, hatte sich zu exakt diesem Zeitpunkt generell
aus der Doktorandenbetreuung zurückgezogen - ohne für Ersatz
gesorgt zu haben.
Obwohl
das Problem von außen betrachtet ein rein
Formales war, so haben sich hieran doch auch inhaltliche und
wissenschaftsethische Differenzen geknüpft: hinter der Aufforderung
der Neustrukturierung verbarg sich eine Anspielung darauf, daß
man mir schon 2008 durch die Blume zu verstehen gegeben
hatte, daß ich zwar den russischen Kolonialismus aufarbeiten dürfe,
die britische Involviertheit im Westkaukasus dagegen „in meinem
eigenen Interesse“ besser aussparen solle. Hinzu kommen im Falle der
Universität Southampton im Besonderen (und der aktuellen Entwicklung des
Hochschulwesens in der UK im Besonderen) eine
außerordentliche Profitorientierung gepart mit einem Mangel kompetenten
Personals, politischer Opportunismus und ein
allgemeines Duckmäusertum. In einem durchkommerzialisierten und
duchrationalisierten Betrieb wie der Universität Southampton wird
offenbar all das als hinderlich und störend empfunden, was nicht
voll und ganz stromlinienförmig ist und nicht auf unmittelbare Weise
profitabel ist - und Genozidstudien, zumal zu einem solch abseitigen
Gebiet wie dem Westkaukasus, werfen nun mal keine Gewinne ab, würden
vielmehr Einsatz für akademische Rechte und die Verteidigung
wissenschaftlicher
Unabhängigkeit verlangen und sind damit potentiell mit politischen und
wirtschaftlichen Kosten verbunden.
Auch als ich
schließlich im Dezember 2012 nach monatelangen folgenlosen Klagen ein formales Beschwerdeverfahren erzwang, wurde von
Seiten der Universität rein gar nichts unternommen, um die eigenen Versäumnisse und Fehler zu beheben, d.h.
konkrete Abhilfe und einen Ausgleich für die von mir durch das
institutionelle Versagen erlittenen Nachteile zu schaffen. Statt
dessen hat man sich monatelang bemüht, mir selbst formale Mängel
und Regelverstöße nachzuweisen und das Problem damit auf mich
als Sündenbock abzuwälzen - was allerdings aufgrund der von mir gesammelten
Nachweise nicht auf überzeugende Weise gelang. Das alleinige Ergebnis waren hunderte Seiten
an Korrespondenz und Belegen, Bitten, Rügen und Nachfragen, die für
Monate meine Zeit, Energie und Arbeitskraft in Anspruch genommen
haben. Wie auch eine offizielle Bestätigung in dreifacher schriftlicher Ausführung (dem 3-stufigen offiziellen Beschwerdemodus entsprechend), daß man in Southampton zwar die akademische Freiheit von Doktoranden respektiere, sich aber weder in der Lage noch in irgendeiner Weise verpflichtet sehe, diese auch gegenüber Eingriffen und Belästigungen von außen zu verteidigen und hochzuhalten.