Zarische Truppen, Krasnaja Poljana, 21.5.1864

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Donnerstag, 19. Mai 2016

Boell-Stiftung machte Bock zum Gärtner - ZDF-Korrespondentin Anne Gellinek als "Aufklärerin"

folgender Text erchien zuerst auf der deutsch-türkischen Nachrichtenplattform NEX unter dem Titel:

Hier folgt die Textversion mit den vollständigen Quellenangaben/links:
 
ZDF-Korrespondentin Anne Gellinek:
Boell-Stiftung machte Bock zum Gärtner
Teilaufklärung über Kreml-Propaganda verscheiert die eigene Mitwirkung

 
Die Abwehr russischer Propaganda und die Einsicht in ihre destabilisierende Wirkung haben in Deutschland viel zu spät eingesetzt. Aufklärungsarbeit kommt nach wie vor nur schleppend voran. Jenseits der faktischen Richtigstellung besonders effektvoller Kreml-Lügen und einer bruchstückhaften Beschäftigung mit einzelnen Akteuren und deren Netzwerken lassen eine tiefgreifendere Beschäftigung mit den gesellschaftlichen und politischen Vorbedingungen für die Angreifbarkeit durch russische Propaganda weiterhin auf sich warten. So wird zwar viel von einer „hybriden“ Kriegsführung (auch: „innerer Zersetzung“) gesprochen, dann aber doch meist wieder in Rückgriff auf eine alte Schwarz-Weiß-Optik gedacht.

Der Kampf gegen das Erstarken totalitärer Strukturen wird in der öffentlichen Darstellung verengt auf die Konfrontation eines „demokratischen Europa“ mit den Machtambitionen des Kreml. Der Umstand, daß neben der Ukraine auch andere Nicht-EU-Länder wie die Türkei in erheblichem Ausmaß von russischen Propagandalügen und Destabilisierungsstrategien betroffen sind, findet bislang nicht ausreichend Berücksichtigung. Daß Rußland beim aktuellen Frontalangriff auf ein internationales System, das auf Demokratie, Menschenrechte und Völkerrecht baut, zwar mit gutem Recht als Hauptakteur bezeichnet werden kann, aber bei weitem nicht die einzige Störquelle darstellt, bleibt auf gleiche Weise unterbelichtet.

Insbesondere wird nicht angemessen herausgearbeitet, daß sich u.a. der Iran, Assad-Syrien und die PKK (sogar auch Nordkorea und Venezuela) ähnlich gearteter Desinformations- und Destabilisierungsstrategien bedienen und daß diese politischen Kräfte ihre Propaganda-Inhalte auch mit denen des Kreml abtimmen. Komplementär dazu wird verdrängt, welch große Rolle gerade westeuropäische und insbesondere deutsche Akteure beim Erstarken des Putinismus gespielt haben und wie diese mit dem Kreml und den herrschenden Kreisen „befreundeter“ Staaten vernetzt sind. Über die eigenen Demokratiefeinde, Lobbyisten im Bereich der Wirtschaft, Querfront*-Apologeten in den Medien und zivilgesellschaftliche „nützliche Idioten“ erfolgt der Angriff auf unser internationales System auch aus dem westeuropäischen Innern heraus.

In diesem Artikel wird es um eine deutsch-russische Partnerschaft bei der Aushöhlung unseres internationalen Wertesystems und die damit verbundene Ignoranz gegenüber den „anderen“ Opfern des Putinismus gehen. Und darum, wie tief sich antidemokratische Lobbynetzwerke in die deutsche „demokratische Mitte“ bereits eingegraben haben und wie groß die dadurch entstandenen Abhängigkeiten sind. Letzteres kann wohl kaum etwas besser verdeutlichen als der Umstand, daß nun ausgerechnet die Personen und politischen Netzwerke, die zuvor selbst kritische Stimmen ignoriert und unterdrückt, teils sogar russische Propagandaerzählungen verbreitet und von diesem Verhalten profitiert haben, nun auch noch mit Aufklärungsarbeit beauftragt werden.

Am 6. Mai 2015 hat die Grünen-nahe Boell-Stiftung in Brüssel eine Veranstaltung unter dem Titel „Experiences in Europe in the Hybrid Conflict. The manipulation of reality and what we can do about it(„Europäische Erfahrungen im hybriden Konflikt. Die Manipulation von Realität und was wir dagegen tun können“) durchgeführt. Die Veranstaltung erhob den Anspruch, sich auf allgemein-abstrakter Ebene der Herausforderung russischer Einflußnahmen zu stellen und mögliche Strategien im Umgang damit zu entwicklen. Teilnehmende waren Rebecca Harms (MdEP, Die Grünen), Mark Weinmeister (Staatssekretär für Europaangelegenheiten), Annette Riedel (EU-Korrespondentin des Deutschlandradio) und Peter Pomerantsev, ein exzellenter Analyst russischer Propagandastrategien. Geladen war allerdings auch Anne Gellinek, die zwar der deutschen demokratischen Öffentlichkeit nach wie vor als tadellose Journalistin gilt, aber hinsichtlich der „Manipulation von Realität“ zugunsten von Kreml-Interessen alles andere als ein unbeschriebenes Blatt ist.

Anne Gellinek war von 2008-2014 Leiterin des ZDF-Studios in Moskau und hat in dieser Position mehrere Reportagen zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi produziert. In keinem ihrer Beiträge haben die Tscherkessen als Ureinwohner der Region auch nur namentliche Erwähnung gefunden. Insbesondere in Anne Gellineks längerer Reportage „Durch den wilden Kaukasus“ wurde eine durch zahlreiche Quellen belegte blutige Kolonialgeschichte systematisch durch russische und (post-)sowjetische Geschichtsmythen ersetzt: Als „Urbevölkerung“ wurden beispielsweise die russischen Kosaken ausgegeben und anstatt an die Tscherkessen als Völkermordopfer zu erinnern, begleitete das ZDF-Team eine Feier zum Ende des „Großen Vaterländischen Krieges“. Die Hochebene von Kbaade wurde ausschließlich als „Krasnaja Poljana“ bezeichnet, ihre symbolische Bedeutung als Kulminationspunkt des russischen Vernichtungskrieges gegen die Tscherkessen blieb im Dunkeln.

Die heutige Lage ethnischer Minderheiten in der Region wurde insgesamt nicht thematisiert. Auch daß die turkstämmigen Balkaren, die zwar im Film gezeigt, aber ebenfalls nicht namentlich erwähnt werden, von Stalin deportiert worden waren, wurde verschwiegen. Somit konnten die Folgen der stalinschen Deportationen und der sowjetischen Zwangsmodernisierung als urige ländliche Rückständigkeit und Ausdruck eines Entwickungsdefizits ausgegeben werden, das aus den Traditionen der Dorfbevölkerung selbst erwächst. Das stillschweigende Hinweggehen über historische Verbrechen und über deren Langzeitfolgen, die Auslöschung der Erinnerung an die Opfer (etwa über die Tilgung alter Ortsnamen), die Übernahme der Geschichtsmythen der Täter und Besatzer sowie das Leugnen der historischen Existenz der jeweiligen Opfergruppe inklusive des hartnäckigen Ignorierens ihrer heutigen Nachkommen werden allerdings von Genozidforschern als Fortführung bzw. letztes Stadium eines Völkermordes angesehen.

Anne Gellinek ist studierte Osteuropa-Historikerin, intellektuelle Unbedarftheit und fehlendes fachliches Wissen darf man somit als Ursachen eines derartigen journalistischen Versagens nicht voraussetzen. Anzunehmen ist vielmehr, daß Anne Gellinek sich in einem Interessenskonflikt befand und vor diesem Hintergrund eine strategische Entscheidung zu Lasten von Völkermordopfern getroffen hat. Die ZDF-Korrespondentin war nämlich neben ihren „kritischen“ Reportagen auch als ZDF-Komentatorin der Olympiade vorgesehen gewesen – eine durchaus prestigeträchtige Rolle. Die Übertragungsrechte für die Spiele hatte das ZDF erstmals direkt vom Internationalen Olympischen Komitee erworben und dafür schätzungsweise einen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe hingeblättert.

Im Umfeld der Olympischen Spiele in Sotschi wurden mehrfach ausländische Journalisten behindert. Im Oktober/November 2013 wurde der norwegische Reporter Øystein Bogen, der offenbar vom russischen Geheimdienst FSB auf eine Schwarze Liste gesetzt worden war, zusammen mit seinem Kameramann mittels ständiger Kontrollen schikaniert, schließlich sogar inhaftiert und verhört. Øystein Bogen war im Unterschied zu Gellinek in einer Video-Reportage tatsächlich auch auf die Tscherkessen eingegangen. Den niederländischen Journalisten Rob Hornstra und Arnold van Bruggen wurde im Herbst 2013 die Einreise nach Rußland verweigert, nachdem bei einem vorherigen Aufenthalt eine Deportation bereits angedroht worden war. Beide hatten sich im Rahmen ihres „The Sochi Project“ seit 2007 ausführlich mit der Geschichte der Region und den Tscherkessen beschäftigt. Ein MDR-Filmteam, das zumindest auf folkloristisch-touristische Weise die Tscherkessen zeigte, wurde zwar ebenfalls behindert (nicht unbedingt im Zusammenhang mit seinen Recherchethemen stehend), konnte seine Dreharbeiten aber immerhin erfolgreich abschließen.

Anne Gellinek samt Team hätte sich mit einer Berichterstattung über Tscherkessen und Balkaren eventuell Belästigungen durch russische Behörden ausgesetzt und maximal wohl einen Landesverweis riskiert. Ihre Mitwirkung an dem Prestigeprojekt „Sotschi 2014“ scheint sie jedoch fest im Auge gehabt zu haben. Ihr Ziel bei der Olympia-Kommentierung war es erklärtermaßen, auch den „Spaß an diesem internationalen Fest des Sports in Russland erlebbar“ zu machen, d.h. sie stand den Spielen dann letzendlich doch positiv gegenüber. Eventuell dachte sie sogar zu diesem Zeitpunkt noch daran (der Pressebericht bleibt hier undeutlich) ein Exklusivinterview mit Putin zu führen. Zumindest die mit der Kommentatorenrolle einhergehende Profilierung war ihr wohl einiges wert gewesen und man kann spekulieren, daß sie diese nicht aufs Spiel setzen wollte. Jedoch behauptete sie ausdrücklich, sie sei bei den Dreharbeiten zu „Durch den wilden Kaukasus“ keinem Druck ausgesetzt und nicht behindert worden, auch wenn sie sich jeden Schritt hätte genehmigen lassen müssen.

Nun ist es nicht so, daß in Putin-Rußland keinerlei Form von kritischem Journalismus mehr möglich wäre. Laut „Welt“-Korrespondentin Julia Smirnova variiert der Grad der Pressefreiheit von Region zu Region und hängt „von der jeweiligen politischen Situation, den kommunalen Behörden und dem Mut der Journalisten vor Ort“ ab. Über Korruptionsfälle etwa darf eher berichtet werden als über andere Themen. Heikle Angelegenheiten können von russischen Medienanstalten dann aufgegriffen werden, wenn sie bereits internationale Resonanz erfahren haben. In Bezug auf die Sotschi-Berichterstattung hatten sich russische Behörden allerdings besonders repressiv gezeigt. Wenn staatsnahe russische Medien bisweilen dann doch kritisch berichteten, so vollzog sich diese Kritik doch in streng begrenztem Rahmen und bedurfte vorheriger Erlaubnis. Ethnische Spannungen und die blutige Kolonialgeschichte der Region gehörten ganz offensichtlich nicht zu den geduldeten Themen.
Umso mehr ist für Anne Gellinek eine Vermeidungshaltung anzunehmen. Gellineks Reportagen suggerierten zwar einen kritischen Rundumblick, konzentrierten sich aber auf Korruption, Umweltschutz, Repression der LGBT-Bewegung, Behördenwillkür, Arbeitnehmerrechte und erboste Anwohner. Hier scheint sich die ZDF-Korrespondentin für ihre „Olympiakritik“ in etwa den Rahmen gesteckt zu haben, der aus Sicht russischer Behörden gerade noch so eben zulässig oder in dieser Form bereits von Anderen ausgehandelt worden war. Sie hat sich jedenfalls aus einem breiteren Themenspektrum diejenigen „kritischen“ Themen herausgepickt, die im Vergleich zu anderen als weniger heikel erscheinen. Eine Beschäftigung mit Tscherkessen und Balkaren hätte dagegen geheißen, bewußt anzuecken und einen zermürbenden Kampf um Deutungshoheiten führen zu müssen. Die Aufgabe ausländischer Journalisten wäre es gemäß sachkundiger Empfehlungen allerdings gewesen, die lokalen Beschränkungen journalistischer Arbeit nicht hinzunehmen, vielmehr Tabus offensiv anzugehen und damit auch einheimischen Kollegen ein Stück weit den Weg zu öffnen. In ihrem Ignorieren der ethnischen Minderheiten der Region hat Gellinek aber gerade diejenigen, die besonders unter dem russischen Repressionsdruck zu leiden hatten, ein weiteres Mal benachteiligt.

Eine Selbstzensur aus opportunistischen Beweggründen steht in starkem Kontrast zu Anne Gellineks Selbstinszenierung. Sie präsentiert sich als besonders unerschrockene Journalistin, die unheimlich „taff nachfragen“ kann. Sie beklagt sogar, daß es unter den gegebenen politischen Umständen in Rußland für sie schwierig geworden sei, noch in ausreichendem Maße kritische Interviewpartner für ihre Filme zu finden. Ein Angebot an das ZDF, Kontakte zu Tscherkessen herzustellen wie zu Personen, die sich mit der Situation der Tscherkessen befassen, wurde allerdings stillschweigend abgelehnt. Indem Gellinek bewußte Auslassungen und vorhandene Beschränkungen nicht einmal benennt, wird ihre selektive Kritik zu Augenwischerei. Ihr nur scheinbar schonungsloser Blick „hinter die Kulissen“ baut gleichzeitig neue Kulissen auf. Die Illusion von Vielfalt bzw. begrenzte und kanalisierbare Kritik liegen in gewissem Sinne sogar im Interesse des Kreml. Vorgeschobene Kritik, in Russland auch „Hofkritik“ genannt, wird von ihm manchmal als Ventil eingesetzt, um eine Opposition, die ihm wirklich gefährlich werden könnte, niederzuhalten.

Nun sollte man nicht behaupten, daß das, was Anne Gellinek berichtet hat, den russischen Autoritäten in keinem Falle wehgetan hat. Trotzdem kommt hier der Eindruck eines Kuhhandels auf, mittels dessen der russischen Seite ein Berühren ihrer wundesten Punkte erspart blieb. In Anlehnung an ein philosophisches Begrifffspaar könnte man sagen, daß Anne Gellinek vorwiegend „bekannte Unbekannte“ behandelt und Abstand genommen hat von den „unbekannten Unbekannten“, also von jenen Problemthemen, von denen ein westeuropäisches Publikum aufgrund erfolgreicher russischer Repressionsmaßnahmen meist nicht einmal wußte und in Bezug auf die es demzufolge auch nicht kritisch nachfragen kann. Daß das nach außen getragene Bild schonungsloser Aufklärung über die Schattenseiten von Sotschi 2014 verfangen hat, entnimmt man etwa einem Medienkommentar in Die ZEIT: Dieser moniert die weitgehend unkritische Olmypia-Berichterstattung von ARD und ZDF, lobt aber ausdrücklich Anne Gellineks „Durch den wilden Kaukasus“ als „tiefgründige Reportage“. Auch Betreiber kremlnaher „Alternativplattformen“ halten die ZDF-Korrespondentin für eine Vertreterin entschieden russland- und iranfeindlicher Sichtweisen und greifen sie deswegen wütend an.

Indem die Boell-Stiftung mit Anne Gellinek eine Vertreterin russischen Geschichtsrevisionismus als „Expertin“ für russische Desinformationspolitik einlädt, weist sie ihr eine Aufgabe zu, die diese umfänglich gar nicht erfüllen kann – jedenfalls nicht, wenn sie ihre eigene Beteiligung nicht offenlegt. Auf diesem Wege werden Angepaßte gefördert, d.h. diejenigen Funktionsträger, die auf entsprechende äußere Anreize reagieren und damit manipulierbar sind. Die Botschaft, die die Organisatoren der Konferenz in der Sache vermitteln, ist die, daß die Leugnung ethnischer Säuberungen und genozidaler Gewalt nicht ins Gewicht fällt: Nach wie vor muß niemand mit realen Konsequenzen rechnen, wenn es sich bei den Betroffenen um Balkaren oder Tscherkessen und damit um Opfergruppen ohne nennenswerte Lobby handelt. Wenn sich hingegen die öffentliche Aufmerksamkeit auf armenische Angelegenheiten und darüber vermittelt europäische Interessen richtet, fordern Grüne und Andere vehement, es dürfe keinen „devoten Umgang“ mit der Türkei geben und man solle sich von Erdoğan nicht „erpressen“ lassen. In Bezug auf die vorwiegend muslimischen Nordkaukasier wird vorauseilender Gehorsam gegenüber dem Kreml nicht nur als gesellschafts- und politiktauglich zugelassen, sondern indirekt sogar mit dem Status des „kritischen“ Experten belohnt. Den Machthabern in Rußland dürfte diese Form halbherziger, dafür aber stark polarisierender „Rußlandkritik“ letztendlich entgegenkommen.

Die deutsche Öffentlichkeit insgesamt scheint bislang kein nennenswertes Problem mit dem Umstand zu haben, daß Personen und Personenkreise mit der Abwehr russischer Propaganda befaßt sind, die Aufklärungsarbeit zuvor behindert hatten. So fühlt man sich nach wie vor nicht einmal bemüßigt, fehlerhafte, geschichtsklitternde Darstellungen öffentlich-rechtlicher Sender richtigzustellen und auf die generelle Einhaltung beruflicher Standards zu dringen, statt sich an der kurzfristigen „Nützlichkeit“ prominenter Meinungsmacher zu orientieren. Einem massiven Propagandaansturm Rußlands und verbündeter Mächte dürfte auf diesem Wege, d.h. ohne selbstkritische Analyse der eigenen Verflechtungen und Vereinnahmungen, kaum zu begegnen sein. Das Resumée besagter Boell-Konferenz fiel denn auch so banal wie selbstbetrügerisch aus: Die EU solle sich nicht auf das Niveau des Kreml herabbegeben und den russischen Informationskrieg nicht mit eigener Propaganda beantworten. Anne Gellinek selbst muß auf dieser Konferenz die feste Überzeugung vertreten haben, daß es möglich sei, Lüge und Wahrheit voneinander zu unterscheiden und daß es der Beruf eines Journalisten sei, die Fakten zu überprüfen.


* „Querfront“ meint den Zusammenschluß linksautoritärer und rechter/rechtsextremer Kräfte zu einer antifreiheitlichen Allianz.

Sonntag, 7. Februar 2016

Presseratsbeschwerde: TAZ - Interview mit Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber über "Blutrache"

Am 6.2.2016 wurde von mir folgendes Schreiben an den Presserat versandt:

                                                                                                  



                                                                                                      Istanbul, den 6.2.2016

Sehr geehrte Damen und Herren,

Hiermit möchte ich Beschwerde einreichen im Sinne des Pressekodex und bitte Sie, die notwendigen Überprüfungen vorzunehmen.

Beanstandete Veröffentlichung

Titel: Psychologin über Blutrache. „Eine grandios-narzisstische Geste“. Womit wird die Selbstjustiz gerechtfertigt? Die Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts über Gerechtigkeit und kollektive Kränkungen.

Genre: Interview

Verantwortlicher Journalist/Interviewführung: Johannes Pitsch

Interviewte: Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber (Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt/Main)

Datum: 7.2.2015 (ohne Uhrzeitangabe)

Erscheinungsort: die tageszeitung (TAZ), online unter: http://www.taz.de/!5021542/

Grund der Beanstandung

Diskriminierung von Minderheiten/volksverhetzende Wirkung


Begründung:

Das Interview verfolgt offenkundig das Ziel, die Charlie Hebdo-Attentate in einen weiteren soziopolitischen Rahmen einzuordnen und im Rückgriff auf wissenschaftliche Theorien der Öffentlichkeit in ihren Ursachen verständlicher zu machen – und damit auch indirekt Anregungen für künftige Präventionsarbeit zu geben. Durch die Taz selbst (Überschrift, Unterzeile, Fragestellungen, Bildunterschrift) wird hierbei von Anfang an das Phänomen des internationalen Terrorismus, das sich gegen staatlich organisierte Gesellschaften richtet, primär als Kommunikationsstrategie zu verstehen ist und weitgehend ein Phänomen der Moderne bzw. Postmoderne darstellt, mit der Institution der Blutrache vermischt und diese dann wiederum mit individualpsychologischen Zuständen und gruppenpsychologischen Phänomenen (im Text: „Wut“, „Rache“, „Kränkungen“) in Verbindung gebracht.

„Blutrache“ ist üblicherweise ein Forschungsgebiet für Ethnologen oder historisch arbeitende Kulturwissenschaftler, es handelt sich bei ihr um einen Mechanismus zur Konfliktaustragung und -beilegung, wie er für segmentäre bzw. staatsferne Gesellschaften typisch ist. Sie folgt einem mündlich überlieferten, teils auch schriftlich fixiertem Kodex, dient der Herstellung bzw. Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Normen und Ordnungen unter Bedingungen der Abwesenheit eines zentralstaatlichen Gewaltenmonopols und hebt sich damit von außergesetzlichen Willkürakten („Selbstjustiz), die gegen eine bestehende gesellschaftliche oder staatliche Ordnung gerichtet sind, ab. Die Blutrache ist Bestandteil eines Rechtssystems, auch wenn dieses westlichen Gesellschaften - mittlerweile - fremd erscheinen mag und die Blutrache selbst modernen rechtsstaatlichen Prinzipien zuwiderläuft. Demzufolge kann man sehr wohl – jenseits kulturrelativistischer Befindlichkeiten - die Sinnhaftigkeit der entsprechenden Normen und Regeln hinterfragen oder sogar deren Abschaffung fordern, sollte man aber konzeptual zwischen „Terrorismus“ als politischem Phänomen, „Blutrache“ als innerhalb bestimmter Gesellschaftsformen vertretener soziopolitischer Institution und individual- oder gruppenpsychologisch motivierten Straf- und Gewalttaten trennen.

Eine Ineinssetzung bzw. Inbezugsetzung , wie sie in der TAZ de facto vorgenommen wird, knüpft an veraltete, wissenschaftlich diskreditierte Lehren aus dem 19./ beginnenden 20. Jahrhundert an, insbesondere an die Völkerpsychologie in ihrer Verbindung mit Kulturevolutionismus. Im Kern beinhalteten diese Lehren die Vorstellung einer Stufenabfolge menschlicher Zivilisation und das Postulat, daß andere (außereuropäische) Völker auf früheren Evolutionsstufen ständen. Man glaubte, daß die Völker, mit denen man im Zuge der Kolonialisierung in Kontakt gekommen war, in Bezug auf westeuropäische Gesellschaften sozusagen „lebendige“ Vergangenheit seien und sich im Vergleich mit den moderneren ,fortgeschritteneren Europäern durch eine mangelnde geistige/intellektuelle und emotionale Reife auszeichnen würden und etwa auch – in einer Parallele zur kindlichen Entwicklung – durch mangelnde Affektkontrolle auffielen. Institutionen wie „Blutrache“ in diesem Sinne als „kulturelle Regression in archaische Zeiten“ (Leuzinger-Bohleber) darzustellen, wie dies in der fraglichen TAZ-Veröffentlichung geschieht, gilt in der heutigen Ethnologie nicht mehr als angemessen. Des weiteren werden die von Redaktion und der Interviewten vorgenommenen Verknüpfungen auch nicht näher explifiziert bzw. mit Bezugnahme auf konkrete Sachzusammenhänge hinreichend begründet.

Vor diesem theoretischen Hintergrund oder Setting, das, soweit ersichtlich, von der TAZ selbst so gewählt wurde, werden im Verlauf des Interviews ethnisch und religiös definierte Kollektive in die Nähe von Straftaten bzw. terroristische Akte oder deren Gutheißung gerückt. Ich beziehe mich im folgenden konkret auf die Aussagen, die auf „Tschetschenien“ und „muslimische Gläubige“ in Tschetschenien bezogen sind, da hier mein eigenes Arbeitsgebiet und meine Fachkompetenzen am stärksten berührt sind. Die entsprechende Passage wird eingeleitet durch die explizite Frage des TAZ-Journalisten nach „Kränkungen“ und „kollektivpsychologische[n] Ursachen“ für die Tatsache, daß andernorts (in der TAZ-Veröffentlichung geographisch und religiös konnotiert, wie etwa die Formulierung „in der muslimischen Welt“ und die Bildunterschrift „In Afghanistan zeigt sich die Wut von Demonstranten gegen „Charlie Hebdo“” belegen) die Anschläge auf Charlie Hebdo „als verhältnismäßig wahrgenommen“ worden seien. Ich zitiere:

Johannes Pitsch:
Die Attentate stießen nicht überall auf Unverständnis, sondern wurden als verhältnismäßig wahrgenommen. Könnten die Kriege des sogenannten Westens in der muslimischen Welt und die Dämonisierung des Islams kollektivpsychologische Ursachen dafür sein?“
Marianne Leuzinger-Bohleber:
Ja, so gab es zum Beispiel in Tschetschenien Demonstrationen gegen Charlie Hebdo, in denen muslimische Gläubige die Karikaturisten beschuldigten, den Propheten und damit gläubige Muslims beleidigt zu haben. Dadurch trügen sie eine Mitschuld an ihrer Ermordung. Bei diesen Demonstranten spielen vermutlich die kollektiven Kränkungen durch die „Kriege des sogenannten Westens“ gegen Irak oder islamistische Terrorgruppen wie die IS durchaus eine Rolle.“
Auf einer faktischen, pragmatischen Ebene ist diese Darstellung verzerrend, da sie die Repressivität des Kadyrow-Regimes und damit die „Freiwilligkeit“ derartiger Demonstrationen ignoriert und dadurch – weitgehend im Sinne Putins – eine scheinbare Mehrheit an Tschetschenen zu „Terrorismusverstehern“ macht. Angesichts der Tatsache, daß die tschetschenische Exilregierung über ihren Vertreter Akhmed Zakayev die Attentate umgehend als „brutal“ und „inhuman“ verurteilt hatte und überdies noch betonte, daß Tschetschenen sehr gut nachvollziehen könnten, was es heiße, wenn im Zuge eines Streben nach Freiheit und Demokratie Journalisten und Menschenrechtler Gewalttaten zum Opfer fielen, mutet die Herstellung eines Zusammenhangs zu einer „tiefe[n] Enttäuschung an westlichen Werten“ (Leuzinger-Bohleber) hier geradezu grotesk an. Damit werden politische Zusammenhänge entstellt wiedergegeben, bis hin zu ihrer Verkehrung ins genaue Gegenteil.
Auf einer theoretisch-analytischen Ebene fällt auf, daß die Darstellung Leuzinger-Bohlebers an kolonialrassistische Stereotypen des 19. Jahrhunderts anschließt, insbesondere an die des „rachsüchtigen Tschetschenen“. Der Topos des gewaltaffinen, kriminellen und unbeherrschten Nordkaukasiers reicht zurück in die Zeit der Eroberung des Kaukasus durch das Zarenreich. In deren Zuge haben sich tiefsitzende kulturelle Codes herausgebildet, die auch dann aktiviert werden, wenn sich der Verwender deren Implikationen nicht oder nicht voll bewußt ist. Das Bild des unbeherrschten und unbeherrschbaren, rachsüchtigen, impulsiven Nordkaukasiers hatte u.a. die Funktion, die ordnungsstiftende und zivilisierende Rolle der russischen Militärverwaltung hervorzuheben und damit die russische Eroberung zu legitimieren. In seiner Extremform bildete es Teil genozialer Diskurse, diente der Vorbereitung, Durchführung und nachträglichen Rechtfertigung einer Politik der Massaker, der Hungerblockade, der Vertreibungen und der (zumindest kulturellen) Exterminierung. Heutigen Nordkaukasiern sind diese diskursiven Zusammenhänge durchaus noch präsent.

In Anbetracht dieser Tatsachen möchte ich Sie bitten, zu überprüfen, inwiefern hier, d.h. insbesondere mit dem Rekurs auf kolonialrassistische Stereotypen, Ziffer 1 („Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde“), Ziffer 10 („Religion, Weltanschauung, Sitte“) und Ziffer 12 („Berichterstattung über Straftaten“) des deutschen Pressekodexes verletzt wurden. Meines Erachtens wird im vorliegenden Interview mittels verzerrender Fragestellungen und Deutungsweisen ein - sachlich nicht gegebener Zusammenhang - zwischen tschetschenischer „Mentalität“ (so möchte ich Leuzinger-Bohlebers Ausführungen hier einmal sinngemäß zusammenfassen) und einem terroristischen Verbrechen hergestellt bzw. ein solcher zumindest dem Leser gegenüber insinuiert. Mit dem vorliegenden Interview wird ethnische und religiöse Stereotypenbildung befördert und werden bereits vorhandene Vorurteile gegenüber den erwähnten Gruppen geschürt und „wissenschaftlich“ bestätigt. Die Veröffentlichung ist damit, gerade zu Zeiten von Bewegungen wie Pegida, geeignet, ein friedliches Zusammenleben innerhalb Deutschlands zu gefährden und dort volksverhetzende Wirkung zu entfalten. Ich sehe die Aufgabe von Medien gerade auch in der Aufklärung über derartige Sterotypen und Klischees und deren ideengeschichtliche Herkunft wie auch deren aktuelle politische Nutzbarmachung (Instrumentalisierung) und bin der Ansicht, daß hier das vorliegende Interview einen gegenteiligen Effekt hat.

Mir ist bewußt, daß Interviews oftmals die Funktion haben, die „Meinungen“ und Positionen bestimmter Personen abzubilden, unabhängig davon, ob diese Meinungen und Positionen nun faktisch korrekt bzw. nachvollziehbar oder ethisch teilbar sind, sowie daß hier dann entsprechend das Gebot der Meinungsfreiheit greift. Allerdings handelt es sich meiner Auffassung nach im vorliegenden Fall weniger um ein personenbezogenes, denn um ein sachzentriertes Interview. Das Interview hat die Gestalt einer Kommentierung bzw. Analyse des Zeitgeschehens aus Expertensicht und konzentriert sich gerade nicht darauf, eine bestimmte Wissenschaftlerin und die von ihr betriebene Forschung vorzustellen. Berücksichtigt werden sollte auch, daß Aussagen von Akademikern in einer modernen Informationsgesellschaft für gewöhnlich ein besonders hohes Maß an Autorität und Legitimität besitzen, einem allgemeinen Publikum „Wahrhaftigkeit“ signalisieren und daß ihnen hiermit in besonderem Maße eine meinungsbildende Wirkung zukommt.

Meiner Auffassung nach hat die TAZ auch selbst in erheblichem Maße ihre eigene Sorgfaltspflicht (Ziffer 2, Pressekodex) verletzt. Daß in der Interviewführung bedeutsame Fehler gemacht wurden, wurde hier bereits in der Form angesprochen, daß der Interviewer mit seinen Fragen und Stichworten bereits selbst einen einen fragwürdigen Rahmen absteckt. Frau Leuzinger-Bohleber hat sich bedauerlicherweise an etlichen Stellen (nicht überall) hierauf eingelassen. Hiermit in Zusammenhang stehend ist zu beobachten, daß die im Interview berührten Themengebiete zu einem beträchtlichen Teil nicht mit den Fachkompetenzen bzw. dem akademischen Profil der Interviewten übereinstimmen, die konkrete Themenstellung für eine Psychologin eher ungeeignet und unvorteilhaft war. Zu bemängeln ist insbesondere, daß die TAZ weder durch Nachfragen während des Interviews noch durch eine nachträglich hinzugefügte Begleitnotiz kenntlich gemacht hat, wo sich Frau Leuzinger-Bohleber als Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts äußert und wo sie lediglich ihrer persönlichen, auf Laienurteilen basierenden Meinung Ausdruck verleiht (wie eben in oben zitierter Passage zu Tschetschenien). Für den Laienleser dürfte damit kaum nachvollziehbar sein, welche der im Interview getroffenen Aussagen denn auch tatsächlich wissenschaftlich untermauert sind. Auch sollte Wissenschaftsjournalismus, und hierum handelt es sich strenggenommen, auf wissenschaftliche Standards Rücksicht zu nehmen und veraltete Theorien nicht einem allgemeinen Publikum als aktuellen Kenntnisstand anbieten.

Auf die Mängel des Interviews aus fachlicher Sicht war die TAZ von mir bereits in Kurzform, u.a. per email, bereits hingewiesen worden, hat hierauf aber nicht reagiert bzw. sogar entsprechende Leserkommentare meinerseits einfach gelöscht, so daß zusätzlich fraglich ist, ob die TAZ hier nicht ihre Pflicht zur Richtigstellungverletzt hat (Ziffer 3 „Richtigstellung“ , evtl. zusätzlich Ziffer 2.6 „Leserbriefe“, Ziffer 2.7 „Nutzerbeiträge“ des Pressekodexes). Diese Nichtkorrektur dürfte auch praktische Relevanz haben insofern, als Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber u.a. in der Traumaarbeit mit Flüchtlingen tätig ist. Sie und andere sollten auf die – zugegebenerweise bei uns noch wenig bekannten – entsprechenden Klischees und Stereotypen sowie deren kolonialgeschichtliche Herleitung hingewiesen werden. Ansonsten besteht Gefahr, daß Flüchtlinge aus der Rußländischen Föderation und Syrien (dort existierte bislang eine nordkaukasische Diaspora) in deutschen Hilfseinrichtungen bzw. von Psychologenseite mit genau denjenigen Stereotypen und rassistischen Klischees konfrontiert werden, die in ihrer Heimat nicht nur weitverbreitet sind und dort für ein feindseliges Klima sorgen, sondern unter Umständen sogar als Rechtfertigung für Repression, Verfolgung und Folter gedient haben.

Da die von mir hier angesprochenen Sachverhalte und Zusammenhänge bzw. die Themengebiete, die von meinen Ausführungen berührt werden, einer allgemeinen Öffentlichkeit eher unbekannt sein dürften, habe ich mir erlaubt, als Ergänzung zum gegenwärtigen Schreiben meine Kritikpunkte an der fraglichen Publikation noch einmal gesondert in einem Blogtext (abrufbar unter: http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com.tr/2016/02/der-rachsuchtige-tschetschene-wie-die_6.html) zu benennen. Bitte beachten Sie, daß Sie dort auch die entsprechenden Belege und Verweise auf die Fachliteratur finden.



Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen,

                                                                      Irma Kreiten, Historikerin und Ethnologin (M.A.)

Samstag, 21. Februar 2015

TAZ-Antwort bestätigt: Generelle Kommentarsperre aufgrund von Kritik an einzelnem TAZ-Redakteur

Am 7.2.2015 hatte die TAZ ein Interview veröffentlicht, in dem (u.a. aufgrund von verfehlter Interviewführung) kolonialrassistischen Stereotypen über Tschetschenen bzw. generell sogennanten "archaischen" außereuropäischen Kulturen der Anschein wissenschaftlicher Expertise verliehen worden war. Anläßlich dieses Artikels hatte ich erstmals bemerkt, daß meine Kommentare in der Taz nicht mehr freigeschaltet wurden. Auch in den folgenden Tagen gingen Nutzerbeiträge von mir spurlos verloren. Am 17.2.2015 habe ich nach einem weiteren nicht erschienenen Kommentar die TAZ hierüber in Kenntnis gesetzt und nach Ausbleiben einer zeitnahen Reaktion am 18.2.2015 dann auch einen ersten Blogeintrag hierzu verfaßt (siehe "Bestrafungsaktion von der TAZ"). 

Zunächst erhielt ich am 18.2.2015 eine email zur Antwort, in der behauptet wurde, daß am Vortag "ein technisches Problem" vorgelegen habe und "viele Kommentare" die TAZ nicht erreicht hätten. Man versprach mir: "Jetzt ist die Störung behoben und Sie können wie gewohnt kommentieren.".Ich habe das ausprobiert und wäre  auch gewillt gewesen, das vorherige Nichterscheinen weitere Kommentare von mir auf technische Probleme zu schieben. Aber nein, auch ein am 18.2.2015 abgeschickter Testkommentar blieb unauffindbar. Am darauffolgenden Tag (19.2.2015) habe ich dies wiederum der TAZ-online-Redaktion mitgeteilt und erhielt daraufhin diese Antwort (ebenfalls 19.2.20145





Diese Antwort scheint denn meinen vorangegangenen Verdacht zu bestätigen, daß das Nichterscheinen meiner Kommentare als Art Berstrafungsaktion (mit mutmaßlich pädagogischer Wirkung?) gedacht war. Der Vorwurf, ich hätte diffamierende Äußerungen getätigt, wird nicht einmal an einer konkreten Belegstelle festgemacht. Möglicherweise ist das Schreiben der Redaktion damit seinerseits als ehrenrührig zu bewerten. Für ein detaillierteres Eingehen auf den Vorwurf des in diesem Falle anonym gebliebenen Online-Redakteurs (die vorangegangene email war immerhin noch freundlich mit einem Vornamen unterzeichnet worden) siehe meine Ausführungen weiter unten.

Meine umgehende Rückfrage an die TAZ-Redaktion lautete: 

"Hallo TAZ,

Danke für die Nachricht. Könnten Sie mir bitte den entsprechenden Facebook-Post nennen und begründen, warum Sie diesen nicht als zulässige und sachlich begründbare Kritik, sondern öffentliche Diffamierung wahrnehmen? Wer hat sich betroffen gefühlt? Herr Bröckers? Frau Lehmann? Derjenige, der fachfremd das Interview mit Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber geführt hat?

Und handelt es sich bei dem inkriminierten Kommentar um einen facebook-Post auf meiner eigenen Seite, einem Forum oder der FB-Seite der TAZ? Verfolgen Sie grundsätzlich, wie Ihre Leser zu einzelnen Beiträgen/Autoren der TAZ stehen und entscheiden demgemäß, ob Ihre Leser bei Ihnen noch kommentieren dürfen? Warum sind bei Ihnen im Laufe des letzten Jahres bei putinkritischen Artikeln massig Kommentare erschienen, die TAZ-Journalisten aus Querfront-Sicht direkt und persönlich angepöbelt und weitgehend argumentationsfrei diffamiert haben? Falls Sie diese selbst nicht mehr auffinden können sollten, schicke ich Ihnen gerne eine Auswahl von entsprechenden screenshots zu. Warum hat selbst das Verlinken verschwörungsideologischer, tendentiell volksverhetzender Desinformations-Quellen wenig bis gar nicht gestört bzw. wurde im Zuge von "Meinungsfreiheit" zumindest akzeptiert? Haben Sie eher ein Problem mit Sachargumenten denn mit abfällig formulierten, persönlich verletzenden "Meinungen"?

Eine Antwort auf diese Fragen dürfte,so nehme ich an, hinsichtlich der TAZ-Praxis in Bezug auf Meinungsfreiheit, antirassistische, antimilitaristische und antifaschistische, d.h. traditionell linksdemokratische Positionen und die Statthaftigkiet von Kritik auch von breiterem öffentlichen Interesse sein. Ich weise Sie auch darauf hin, daß ich das aus meiner Sicht aktuell mangelhaft ausgeprägte Kritikverständnis der TAZ, fehlende Sachlichkeit/Neutralität in mehreren redaktionellen Teilbereichen und einen mangelnden Respekt Ihrerseits vor dem Fachwissen anderer Berufsgrupppen bereits hier

http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com.tr/2015/02/bestrafungsaktion-von-der-taz.html

angerissen habe und diese meine Kritik, sollte von TAZ-Seite hier kein Wunsch zu Klärung und Bereinigung bestehen, auch vertiefen und mit den entsprechenden Literaturbelegen untermauern werde. Ich erwäge auch eine Beschwerde beim Presserat bezüglich der in der TAZ erfolgten Diffamierung der Tschetschenen als Volksgruppe, die seit mehr als 200 Jahren immer wieder Opfer der imperialen Politik des russischen Zentralstaats wurde und deren stereotype Darstellung im Zuge eines kolonialrassistischen Diskurses die TAZ direkt und indirekt fortsetzt. Falls in Deutschland kein hinreichendes Interesse bestehen sollte, werde ich mich in diesem Falle an ausländische Medien und Interessensvertretungen wenden.
MfG,
                                                                     Irma Kreiten"


Weiterere Erläuterungen zum Diffamierungsvorwurf: 

Ich bin hinsichtlich der Unterstellung der TAZ, eine diffamierende Äußerungen in Bezug auf einen konkreten TAZ-Redakteur getägt zu haben, durchaus zuversichtlich und glaube nicht, daß man mir tatsächlich Formulierungen oder Inhalte ankreiden könnte, die eine Löschung ganzer Kommentare oder gar eine vollständige Kommentarsperre legitimieren würden. Ja, ich habe an diversen Artikeln und auch einzelnen TAZ-Autoren Kritik geübt. Ich kann meine diesbezüglichen Beweggründe und Argumentationen gerne auch noch weiter vertiefen sowie entsprechend belegen, insbesondere dann, wenn man mir dafür einen angemesseneren Raum und ein geeigneteres Format zur Verfügung stellt wird als das in Form von Kommentarspalten unter den jeweiligen Artikeln gegeben ist.

 Ich erinnere mich - wenn ich jetzt mal gedanklich mein TAZ-"Sündenregister" durchgehe - auf Facebook mit Bezugnahme auf einen konkreten TAZ-Artikel sowie in Bezug auf eine einzelne Passage eines weiteren Artikels das Adjektiv "wichtelig" bzw. "wahnwichtelig" verwendet zu haben. Warum ich dies getan habe, kann ich, wenn denn die TAZ plausibel macht, daß sie bzw. der entsprechende Redakteur sich hieran gestoßen hat, gerne noch näher erläutern. Des weiteren hatte ich eine angenehm kritisch ausgefallene Buchbesprechung zu Matthias Bröckers, dem hauseigenen Verschwörungsideologen der TAZ, zusammen mit dem Kommentar "Dem TAZ-Molch guckt man nun auch mal auf seine Flossen...gut so." verlinkt. Der fragliche Artikel war in der FAZ erschienen und trug den Titel "Wir sind die Guten. Rassistische Esoterik". Die bröckersche Propaganda berührt mein Arbeitsgebiet und meine Anliegen insofern direkt, als sie eine antiliberale, rückwärtsgewandte deutsch-russische Völker- und wohl auch Seelenverwandtschaft beschwört. Despektierlicher und zynischer bin ich nicht geworden.

Falls die TAZ-Redaktion der Ansicht sein sollte, daß ich (auf meiner eigenen Facebook-Seite wohlgemerkt!) meine Kritik, Meinungen und Gedanken zu flapsig bzw. umgangssprachlich formuliert hätte oder mein auf Facebook zum Ausdruck kommendes persönliches Humorverständnis von ihr nicht nur nicht geteilt, sondern gar als sträflich empfunden wird, dürfte damit ihr Gespür für die strikte Einhaltung des bildungsbürgerlichen Codex und sprachlich "korrekten" Stils derart ausgeprägt sein (jedenfalls in Bezug auf TAZ-Fremde), daß man es als geradezu seismographisch bezeichnen müßte. Vielleicht sollte man künftig auch darüber diskutieren, der TAZ-Redaktion in ihren Berliner Örtlichkeiten zusätzlich zu ihren Redaktionspflichten auch noch die Aufgabe der Erdbeben- und Tsunami-Frühwarnung im ostasiatischen Raum vertrauensvoll zu übertragen. Ansonsten gelten die Bestimmungen des Grundgesetzes in Bezug auf Meinungsfreiheit; Kritik an Presserzeugnissen ist statthaft und in formalisierter Weise im deutschen Pressekodex (vielleicht guckt die TAZ-Redaktion da bei Gelegenheit auch noch mal rein) sogar explizit als Bestandteil eines ethischen Journalismus vorgesehen. 

Aufgrund des zeitlichen Abstandes halte ich es auch für extrem unwahrscheinlich, daß tatsächlich einzelne Facebook-Kommentare von mir den Ausschlag für ein generelles Kommentar"verbot" gegeben haben sollen. Ich war vielmehr von der TAZ auf facebook umgehend gesperrt worden, nachdem ich die fehlende Sachlichkeit und Sorgfalt Anna Lehmanns in Bezug auf einen von ihr verfaßten Artikel zur Zivilklauselbewegung zu thematisieren versucht hatte. Der erste in der online-TAZ nicht freigegebene Kommentar hatte sich, wie schon oben erwähnt, gegen ein Perpetuieren von Kolnialrassismus gewendet. Somit halte ich es für sehr viel wahrscheilicher, daß sich die TAZ schlicht deswegen angegriffen gefühlt hat und möglicherweise tödlich beleidigt war, weil meine Kritik berechtigt war und es sich bei ihr gerade nicht um die durchschnittlichen abfälligen Meinungsäußerungen oder auch Hetzereien gehandelt hatte, wie sie u.a. in der TAZ zu Dutzenden veröffentlicht werden (letztere haben mich und Bekannte oft genug selbst getroffen und waren in Bezug auf die Befindlcihkeiten der Tscherkessen und allgemein der Nordkaukasier vielfach bewußt grenzverletzend und provozierend und ohne daß die TAZ hier in irgendeiner ersichtlichen Form eingeschritten wäre). 

Bisher warte ich also immer noch darauf, daß die TAZ mir mitteilt, welcher meiner Kommentare gemeint gewesen sein soll und was an ihm denn nun als "diffamierend" oder beleidigend gewertet wurde. Aktuell ist Anna Lehmann für das neu lancierte "Hochschulwatch" verantwortlich - sicher auch eines der Prestigeprojekte der TAZ. Angesichts narrativer Parallelen, inhalticher Berühungspunkte und Affinitäten der Netzwerke von Zivilklauselbewegung und Transparenzinitiativen dürfte es sich für die TAZ gut treffen, daß ich an den entsprechenden Artikeln nun keine Kritik mehr anbringen, Verzerrungen und Aussparungen nicht mehr berichtigen und erläutern kann. Ich werde dies dann nun eben an anderer Stelle tun und man wird es trotzdem lesen. 

Allerdings sollte sich die TAZ überlegen, ob sie sich ausgerechnet jetzt, wo es darauf ankäme, einer weiteren Erosion demokratischer Werte und einem generellen gesellschaftlichen Vertrauensverlust entgegenzuarbeiten und dementsprechend für ein Mehr an Transparenz zu sorgen, mit derartigen, öffentlich nicht nachvollziehbaren Entscheidungen und Verhaltensweisen nicht ins eigene Fleisch schneidet. Nicht nur ist ein derart intransparenter und fragwürdiger Umgang mit mutmaßlich ungeliebten Perspektiven geeignet, das Klischee einer schlampig und voreingenommen arbeitenden Presse aufs Schönste zu erfüllen und damit - wenn es denn nicht wie in meinem Falle gerade um querfrontkritische Äußerungen geht - Mahnwachen-Diskurse weiter zu befeuern sowie wiilden Spekulationen das Terrain zu eröffnen.  

Die TAZ läuft hier obendrein Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit gerade auch bei denjenigen zu verspielen, die bereit wären, eine unabhängige, pluralistische und liberale Presse auch zu verteidigen. Es entsteht der Eindruck, daß sich manche TAZ-Autoren im Einklang mit etwa sogenannten "Friedensbewegten" und auf Kosten eines freien Meinungs- und Diskussionsaustausches profilieren und sich mit den Interessen einer weitgefächerten proputinistischen Querfront gemein machen. Die TAZ stößt damit möglicherweise gerade diejenigen Querfrontkritiker vor den Kopf, die sie bräuchte, um sich effektiv gegen Angriffe gegen die sogenannte "Lügenpresse" und den von der Querfront aufgebauten Druck zur intentionsgetreuen Wiedergabe von deren Perspektiven zu Wehr setzen und die eigenen Qualitätsstandards zu wahren. 

Nicht nur Wichtelkreise können sich beschweren, auch Querfront-, Putin- und Mahnwachenkritiker sind dazu aufgefordert, auf eine sachgerechte, sorgfältige und ethisch akzeptable Berichterstattung zu achten und gegebenenfalls mit individuellen Schreiben, formalen Presseratsbeschwerden oder auch eigenen Petitionen auf den Erhalt eines Mindestmaßes an informationeller Ausgewogenheit, Pluralität der Perspektiven und redaktioneller Unabhängigkeit zu dringen. Die TAZ muß lernen, zwischen "Kritik" und "Diffamierung" zu unterscheiden und sollte imstande sein, diese Unterscheidung bei Bedarf auch auf sinnvolle und für die Öffentlichkeit plausible Weise darzulegen. In einem ersten Schritt sollte die TAZ bereits gemachten Fehlern und real vorhandenen Unzulänglichkeiten auf selbstreflexive Weise mit Offenheit begegnen und nicht weiter die eigenen Schwächen sowie mögliche strukturelle Zwänge mit einem überforschem Auftreten und gespieltem Auftrumpfen, einer dem Sachverhalt durchaus unangemessenen Arroganz und einer Fassade aus redaktioneller Unnahbarkeit zu kaschieren suchen.

Mittwoch, 18. Februar 2015

"Bestrafungsaktion" von der TAZ - Maulverbot für Kritik an schlechtem Journalismus?

1. Am  26.1.2014 hat mich die taz kommentarlos von ihrer Facebook-Seite herausgeworfen für wohl allzu offene Kritik an Anna Lehmanns Artikel "Anti-Rüstungsforschung an Hochschulen. Friedensbewegung reloaded". Ich hatte insbesonder auf Reiner Brauns Tätigkeit für die iranische Lobbyorganisation CASMII hingewiesen und auf Dietrich Schulzes moralische Legitimierung von Putins Krimannexion (siehe auch hier) sowie dessen Vorliebe für die Weltuntergangs-Szenarien des Neoeurasien-Propgandisten Michel Chossudovsky und Infos aus dem Umfeld des amerikanischen Verschwörungsfan und Teaparty-Idelogen Ron Paul (vermittelt über den von Schulze in jüngster Zeit offenbar gern zitierten Wolfgang Effenberger). Der Autorin hatte ich diese Zusammenhänge zuvor schon per email samt Nennung seriöser Quellen (u.a. Udo Baron) nahezubringen versucht, sie hatte daraufhin nicht reagiert und - so zeigen die Folgeartikel - auch gedanklich dichtgemacht. Offenbar sind die Beziehungen Lehmanns zu den beiden Hauptexponenten der sogenannten "Zivilklauselbewegung" Dietrich Schulze und Reiner Braun (ja, genau der Reiner Braun, der seit Monaten maßgeblich die rotbraune sogenannte "Friedensbewegung" vorantreibt) weiterhin gut. Auf Dietrich Schulzes "Zivilklausel"-Chronik erschien fast zeitgleich mit dem oben zitierten TAZ-Artikel ein Eintrag, demzufolge dieser freundliche taz-Artikel auf einem persönlichen Gespräch mit ihm und Reiner Braun beruhe. Kurze Zeit darauf wurde das abgeändert in ein "aufgrund Infos von Reiner Braun und Dietrich Schulze", d.h., ein persönliches Zusammentreffen im Rahmen des Zivilklausel-Vernetzungstreffens wurde damit verschleiert. 

Ich vermute, daß man nun auch im Rahmen des neu aufgelegten "Hochschulwatch"-Projektes von taz und Transparency International hinter den Szenen entweder direkt kooperiert oder doch zumindest gemeinsam am gleichen Strang zieht - insofern, als man den gleichen Kreisen angehört, deren Mitglieder und Verbündete sich gegenseitig stärken, sich die Themenbälle zuspielen und gemeinsam gegen Kritik und das Aufdecken unwürdigen Verhaltens in den eigenen Reihen mauern. Das Übereinkommen der Interessen von taz, Junge Welt und dem Schulze-Braun-Umfeld im Rahmen von "unileaks" und dem thematisch verwandten "Hochschulwatch", das gegenseitige Aufgreifen und thematische Befeuern ist jedenfalls für die, die es sehen wollen, nicht schwer zu erkennen.


Aktueller Ausschnitt aus Dietrich Schulzes "Zivilklausel"-Chronik: Junge Welt-TAZ-ZEIT-Hochschulwatch
Leider scheint sich sogar die ZEIT an diesem Projekt beteiligen bzw. dieses durch positive Berichterstattung unterstützen zu wollen, womit dieses Presseorgan samt Zeit-Briefkasten dann eventuell (nicht zwingenderweise!) ebenfalls als Korrektiv wegfällt. Diese Befürchtung drängt sich mir insbesondere auch deswegen auf, weil die ZEIT selbst ebenfalls mit dem Whistleblower-Netzwerk kooperiert, das wiederum dem weiteren Umfeld von Reiner Braun zuzurechnen ist und über dessen Vorstand Prof. Dr. Johannes Ludwig auch mit direkten Abhängigkeiten von der Öffentlichkeitsarbeit der russischen Regierung (hier eine kleine Kostprobe davon, mehr dazu an anderer Stelle) in Verbindung zu bringen ist.

 2. In der Online-taz konnte ich nach dem Herauswurf von der Facebook-taz noch kommentieren. Mittlerweile geht auch das nicht mehr. Das aktuelle Verschwinden von Kommentaren hat dort begonnen mit zwei bissigen Bemerkungen dazu, daß im taz-Interview "Psychologin über Blutrache. "Eine grandios-narzisstische Geste"" fachfremd eine Psychologin rassistische Klischees über Tschetschenen und sogenannte "archaische" außereuropäische Kulturen verbreiten konnte und dabei vom Interviewer noch kräftig mit den entsprechenden Stichworten und Suggestivfragen befeuert wurde (auf manche dieser Steilvorlagen läßt sich Marianna Leuzinger-Bohleber nicht ein, auf andere dann leider doch). Ich schildere das hier, weil ich nicht sicher sein kann, ob dieser Vorfall oder meine kritische Stellung zur Zivilklausel-Bewegung der taz den ausschlaggebenden Grund für ihre aktuelle Blockadehaltung geliefert hat oder irgendwann bei der online-Redaktion das erträgliche Maß an Berichtigungen, Sachergänzungen und inhaltlicher Kritik voll war.

Geführt hatte das unappetitliche Interview ein Johannes Pitsch, zu dem in der taz keinerlei personenbezogene Infos abrufbar sind. Ein wenig Suche ergibt einen Johannes Pitsch, der bis 2014 für ein Feinkost-Catering Unternehmen tätig war und sich seit Sommer letzten Jahres nun als freier Mitarbeiter bei u.a. der Frankfurter Rundschau versucht. Bei der FR scheint Pitsch nur wenige Wochen tätig gewesen zu sein, die Archivsuche fördert einen einzigen Artikel zu Tage, der sich eines von der Schließung bedrohten Karneval-Vereinsheims annimmt. Mir ergibt sich hierdurch das Bild, daß der mutmaßlich identische taz-Autor weder über eine journalistische Ausbildung verfügt noch auf ein hinreichendes Lernen aus der Praxis zurückblicken kann, um sich sensiblen interkulturellen Themen auf halbwegs seriöse Weise nähern zu können. Der Johannes Pitsch der taz hat bislang - abgesehen von besagtem Interview - zu einem Wäschereiservice, britischen Schoko-Ostereiern, einem deutschen Rapper, eine Halbsatire auf SM-Spielzeug, den bulgarischen Käsekuchen-Anreiz und dergleichen mehr geschrieben. Er wäre wohl vorerst besser auch bei dieser Sparte des Unterhaltungs-Journalismus mit seinen Meldungen zu Skurrilitäten und Merkwürdigkeiten geblieben.

Als besonders empörend und beschämend empfinde ich, daß somit in besagtem taz-Interview zwei völlig Fachfremde die phantastischsten Klischees, die man u.a. auf den Kolonialrassismus und die Völkerpsychologie des 19. Jahrhunderts zurückführen kann, einem Laienpublikum als "Expertenwissen" verkünden. Ich dagegen habe von der taz noch nie die Chance erhalten, mein Fachgebiet entsprechend breitenwirksam darzustellen. Obendrein hindert mich die taz-Online-Redaktion nun auch noch systematisch daran, mich als gewöhnlicher Leser zu äußern und meine Empörung über sachlich falsche und tendentiell volksverhetzende Darstellungen zu schildern. Hier begeht die taz offenbar Image-Pflege auf Kosten von Meinungsfreiheit und auf Kosten eines sachlichen, ausgewogenen Informierens ihres Publikums. Schlechter Journalismus soll wohl nicht als schlechter Journalismus erkannt und Rassismus nicht als Rassismus benannt werden. Welch üble kolonialrassistische Klischees in diesem Interview bedient wurden, wie abstrus die vertretenen Ansichten sind und wie sehr die Ausführungen auf einer fast vollständigen Begriffsverwirrung beruhen, werde ich ebenfalls - soweit mir dies angesichts meines Gesundheitszustandes noch möglich sein wird - in einem getrennnten Post samt Verweis auf die entsprechenden rechtsethnologischen Fachkonzepte, die gängige wissenschaftliche Sekundärliteratur und russische Quellenzitate zum vermeintlich "rachsüchtigen" und "kriminellen" Nordkaukasier als solchem erläutern. 

Ob die taz von Ursprung und Tendenz der im Interview getroffenen Behauptungen Kenntnis hatte oder nicht, ist letzendlich genauswenig von Bedeutung, wie es von Bedeutung ist, ob ein Ken Jebsen in der Lage und willens ist, den eigenen Antisemitismus als Antisemitismus zu erkennen oder der deutsche gewöhnliche Mittelstandsrassist in der Lage ist, sein Bild vom "Neger" kritisch zu hinterfragen. Daß seit dieser "Kaukasus-Episode" mit der taz auch andere Kommentare von mir nicht mehr erschienen sind, hatte ich schon bemerkt, wollte dem aber keine allzu große Bedeutung zumessen und hatte abgewartet, ob sich das Problem nicht von alleine behebt. Schließlich wird in der taz ja oft genug sichtbar darauf hingewiesen, wenn Kommentare nicht die Standards der Netiquette erfüllen. Selbst in Bezug auf wüste Putinisten-Pöbeleien gegen taz-Autoren ist man da eigentlich recht großzügig, anstößige Kommentare werden gekürzt freigeschaltet oder zumindest mit "Kommentar gelöscht"markiert. Auch bei einer möglichen Sperre des Nutzerkontos würde ich davon ausgehen, daß die taz diese mitteilt und begründet. Aber mein Konto ist ja auch nicht gesperrt, meine Kommentare gehen lediglich ins Leere.

3. Gestern nun ist in der TAZ ein Artikel zu dem Drittmittel-Problem deutscher Universitäten veröffentlicht worden. Dieser hatte mich vor allem deswegen interessiert, weil es sich bei ihm um einen Gast-Beitrag eines Professors handelte, der deutlich erkennbar aus eigener (schlechter) Erfahrung spricht, das Geschilderte intelligent beobachtet hat und unter dem Titel "Der Geist des Geldes" auch kein Blatt vor den Mund nimmt. Ich dachte, dies sei eine Gelegenheit dazu, auf ein eng verwandtes Thema aufmerksam zu machen, das bisher von fast allen Medien ignoriert worden ist: Der Austausch seriöser Genozidforschung durch einen Sasek-nahen Querfrontdiskurs und das dortige abstrakte Kritisieren von Verschwörungstheorien und Querfrontideologien unter Ausklammerung der eigenen Institution, so geschehen an der Universität Tübingen. Ich zitierte eine Passage aus dem Artikel selbst und schrieb:

"„In demselben Maße, in dem die Universität auf messbare Nutzenmaximierung getrimmt wird, produziert sie Nutzloses und Uninteressantes.“ - Mit dazuzurechnen zu diesem Phänomen wäre wohl auch, daß die universitäre Selbstanpreisung gerne maximale Orientierung an aktuellen gesellschaftlichen Problemkomplexen verspricht, diese vermeintliche Relevanz und Anwendungsorientiertheit dann auch immer wieder äußerst medienwirksam zu betonen weiß, im Zweifelsfall aber vornehme Zurückhaltung geübt wird bzw. man offensichtlich zurückschreckt vor einer wirklichen Intervention in gesellschaftliche Debatten dort, wo diese heikel sind und tatsächlichen Einsatz erfordern würden. Letztendlich findet der Zwang zur Orientierung an im politischen Diskurs bestimmten Interessen seine Ausformung in einer maximalen politischen Unverbindlichkeit und Flexibilität, die intellektuelle Verantwortung gerade nicht stärkt, sondern schwächt. So zumindest stellt es sich mir von außen dar, wenn sich etwa die Universität Tübingen einen prominenten Medienwissenschaftler leistet, der aktuell immer wieder einem breiten Publikum die Gefährlichkeit von Verschwörungstheorien auseinandersetzt und vor einem Dialog- und Kommunikationsinfarkt warnt, derselbe Akademiker aber (zumindest bisher noch) keinerlei Regung zeigt angesichts der Tatsache, daß an seiner eigenen Universität eben diese von ihm kritisierten Verschwörungsideologien mittlerweile sogar in den Lehrplan einfließen ( http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com.tr/2015/02/herr-porksen-auch-ihrer-universitat.html). Mich erinnnert das an die alte Karikatur der Ballettänzerinnen, die drinnen im Übungssaal die verrücktesten Sprünge und Drehungen hinbekommen, bei Verlassen des Saals dann aber nicht wissen, wie sie auch nur über eine kleine, bescheidene Pfütze vor dem Gebäudeeingang hinwegkommen – man könnte sich ja das Gewand schmutzig machen." 




Auch dieser Kommentar, der ja weder Kritik an der taz noch am Artikel selbst enthält, die Aussagen und Feststellungen des Autors vielmehr bekräftigt und bestätigt, erschien nicht. Ich habe daraufhin das getan, was die TAZ bei Nichterscheinen von Kommentaren empfiehlt: Ich habe ein email an kommune@taz.de geschickt.


 Hierauf hat man, wie das in Kreisen, die ihre eigene Lobbytätigkeit (und/oder ihre eigene politische Befangenheit sowie parteiisches Verhalten) oder unprofessionelles Verhalten bzw. beides verschleiern, so gang und gäbe ist, NICHT reagiert. Ich muß damit davon ausgehen, daß die TAZ hier eine nicht als solche erklärte Bestrafungsaktion für nichtkonformes und ihr nicht genehmes Verhalten durchführt bzw. auf eine Weise Revanche übt, die anhand der eigenen Standards nicht rechtfertigbar ist und deswegen nur mit Schweigen beantwortet werden kann. Man vertraut einfach darauf, daß sich der/die Betroffene angesichts übermächtiger und noch dazu von außen nur schwer als solcher erkennbarer Machtstrukturen nicht wird Gehör verschaffen und damit ihr Recht erkämpfen können, oder der eigenen Blick ist derart vernebelt, daß man die Anliegen weniger dreist und massiv agierender Personen und Personengruppen gar nicht als solche wahr- und ernstnehmen kann..

Zynischere Gemüter könnten sich auch überlegen, ob ein Herr Bröckers, der nach wie vor etliche Funktionen für die TAZ ausübt und dort u.a. für das Marketing zuständig ist, von meinen Online-Aktivitäten Kenntnis erhalten hat und mit meiner Kritik an ihm und seinem Liebling Dr. Daniele Ganser (Thema meines nicht erschienenen jüngsten Kommentars) nicht zurechtkommt, dementsprechend auch über die taz-Community seinen Einfluß geltend macht. Und by the way: Bröckers neuester Blogeintrag preist gerade den auch bei Dietrich Schulze offenbar so beliebten Wolfgang Effenberger an. Wichtel sind ja bekanntlich sehr empfindlich, was Kritik an ihren Ideologiegebäuden betrifft. Ich denke jedoch, daß eine sehr viel naheliegendere und plausiblere Erklärung für das Verhalten der taz der konkrete Inhalt meiner Kommentare zur Zivilklauselbewegung und deren prorussischer Ausrichtung liefert sowie das Benennen von abstrusen rassistischen Pseudotheorien als solche; hierauf war dann ja auch entsprechend zeitnah reagiert worden. So lange, wie die taz selbst sich hierzu nicht äußern will, steht es anderen jedenfalls wohl frei, hier über unlautere Beweggründe, insbesondere lobbyistische Einflußnahmen und den offensichtlich vorhandenen Korpsgeist von Querfrontnetzwerken zu spekulieren.

4. Auf den schlechten persönlichen Stil von Anna Lehmann ("unileaks"-Projekt der TAZ), ihr mangelndes Verständnis von Informantenschutz im Sinne eines fairen, offenen und verbindlichen Umgangs sowie die ausbleibende Rechercheleistung bei Vornanstellung der eigenen politischen Gesinnung und Loyalitäten werde ich - sofern ich noch Gelegenheit dazu haben werde - demnächst noch detaillierter eingehen. Offenbar ist man sich bei der taz gar nicht bewußt, wie sehr man mit dieser Art von PR für totalitäre Zusammenhänge anderen Menschen schadet und auch obendrein noch verhindert, daß sich von Querfrontstrukturen und Totalitarismus-Propagandisten Geschädigte Gehör verschaffen und möchte das auch nicht wissen. Auch stillschweigend wird hier nichts korrigiert. So wird auch im Lehman-Artikel "Transparente Forschung.Wenn VW die Studie bezahlt" vom 13.2.2015 Dietrich Schulze wieder wohlwollend als pazifistische Autorität zitiert. Die taz verleiht damit zum wiederholten Male denjenigen das Wort, die zwar landauf landab als Propagandisten einer sogenannten "Friedensbewegung" aktiv sind, selbst aber im konkreten Verhalten keinerlei demokratisches oder gar völkerrechtliches Verständnis aufweisen und erst recht keine Achtung vor Forschungsfreiheit haben, bei denen Worte und tatsächliche Position auf der politischen Skala auf extremste Weise auseinanderklaffen

Dietrich Schulze, dessen Darstellungsweisen Anna Lehmann offenbar völlig unhinterfragt und 1:1 übernimmt, steht auch mit seiner eigenen Biographie in merkwürdigem Gegensatz zu der nachfragefreien Berührungskontaminations-Logik, derer er sich beim Anprangern und Skandalisieren anderer Wissenschaftler  bedient. Dietrich Schulze selbst hat jahrzehntelang am Forschungszentrum Karlsruhe (dem heutigen KIT) gearbeit, seinen eigenen Artikeln zufolge (auch hier) noch dazu in einem extrem antisemitischen Umfeld. Trotz intensivster Suche ist es mir nicht gelungen, im Netz irgendeinen Hinweis darauf zu finden, daß Schulze sich konkret für Léon Grünwald eingesetzt hätte - einen Karlsruher Kollegen, der aufgrund seiner jüdischen Wurzeln von einem Ex-Nazi als Vorgesetzten offenbar drangsaliert und schließlich hinausgeekelt worden war. Dietrich Schulze beruft sich aktuell nur zu gerne mit moraltriefender Trivialrhetorik auf u.a. Grünwald als "Vorbild für die Jugend" und trägt diesen geradezu als Monstranz (siehe auch hier) vor sich her, um auf seine eigenen Themen aufmerksam zu machen. Hat er sich jedoch auch schon zu dessen Lebzeiten für ihn eingesetzt, sich für ihn und gegen den gemeinsamen Chef ausgesprochen? Warum hat er nicht die Konsequenzen gezogen, sich einen anderen Arbeitsgeber gesucht? Wie würde er mit dem Eindruck, den Außenstehende hier hinsichtlich eines unsolidarischen Profitierens von braunen Altnazi-Netzwerken leicht erhalten, umgehen, wenn nicht er selbst hier der Akteur wäre? Seiner eigenen Logik nach, die nicht nach den Chancen, Überlebensstrategien, Motivationen und taktischen Kompromissen, die Wissenschaftler heutzutage gehen (müssen?) fragt, müßte Dietrich Schulze also als gewissenloser Nutznießer der Atomlobby bezeichnet werden und hätte mit Faschisten gemeinsame Sache gemacht - der eigenen Bequemlichkeit und materiellen Sicherheit wegen. Auch hier gilt: keinerlei kritisches Nachfragen von Seiten der TAZ angesichts dieser Ungereimtheiten und offensichtlich in sich widersprüchlichen Verhaltensweisen.

Mich jedenfalls hat Dietrich Schulze im Zuge seines totalitär anmutenden Narrativs zur Erbauung der Jugend als Art propadandistisches Wurfgeschoß mißbraucht (siehe auch hier) und mich anschließend - nach einem für mich nervenaufreibendem mehrmonatigem Herumgezerre aufgrund seines pemanenten Drangs zu propagandistischen Verdrehungen, grotesken Überhöhungen und nach teils auch unautorisiert publizierten Entstellungen - stillschweigend entsorgt. Offenbar ist Schulze auch selbst der Meinung, daß der schäbige Umgang mit mir, zu dem er selbst in beträchtlichem Maße beigetragen hat, und dessen fatale Folgen für meine Biographie für niemanden einen Anreiz oder gar - in seiner eigenen Formulierung - ein "Mutmacher" sein könnten, um es mir nachzutun und konsequent und kompromißlos für eigene Überzeugungen einzustehen. Würde die taz sich dazu durchringen, meine Situation zu schildern oder mit mir zusammen meinem Anliegen - die politische wie wissenschaftliche Aufarbeitung des Völkermordes an den Tscherkessen voranzutreiben und die Netzwerke, die dieses behindern, zu exponieren - nachzugehen, sie würde sich damit implizit oder explizit auch gegen Schulze und dessen Netzwerke stellen. Das will man aber offenbar auch gar nicht.

Ich würde angesichts dieser auch auf persönlichen Interaktionen beruhenden Einsicht in Dietrich Schulzes konkretes Verhalten nur zu gerne wissen, ob  Léon Grünbaum, wenn er heute noch leben würde, mit dieser seiner Vereinnahmung durch Dietrich Schulzes für dessen extremistische, mittlerweile rotbraune Propagandatätigkeit einverstanden wäre. Falls Herr Schulze schriftliche Belegstücke oder glaubwürdige Zeugen dafür vorzuweisen hat, daß er sich Léon Grünbaun zu dessen Lebzeiten - anders als mir gegenüber - tatsächlich solidarisch und seinem Arbeitgeber gegenüber nicht taktisch verhalten sondern in der Tat die von ihm so vielbeschworene "Zivilcourage" beweisen hat, sollte er diese öffentlich machen. Ansonsten kann man - zumal Schulze wenig Gelgenheiten ausläßt, um sich selbst herauszustreichen - wohl  argwöhnen, daß Schulze sich hier auf wohlfeile Weise einer mittlerweile verstorbenen Person bedient, um unter anderem mit einem vorgeschobenen "antifaschistischen" und "antimilitaristischen" Engagement Querfront-Netzwerke und damit auch neurechte Diskurse zu stärken, sowie daß selbst die taz sich noch auf dieses Charade-Spiel einläßt. 

Seine meist billig gestalteten Propagandamachwerke verbreitet Dietrich Schulze mit Vorliebe über die immer brauner werdende NRhZ, dort schreibt er hin- und wieder auch unter falschem Namen, z.B. als "Carl Routier" (Schreibstil und Formatierung der Texte von "Routier" sind identisch, die Photos zu den Routier-Artikeln stammen erklärtermaßen von Schulze, der Inhalt ist teilweise wortgleich und die übergroße Eigenliebe des Dietrich Schulze führt auch noch dazu, daß diese vermeintlichen "Fremdartikel" in der NRhZ dann an anderer Stelle doch wieder als Eigenleistung aufgeführt werden). Mutmaßlich wählt Schulze diesen Weg, um damit auf künstliche Weise den Eindruck eines breiteren gesellschaftlichen Konsenses zu erzeugen, sich als vermeintlich Anderer selbst zu loben und hervorzustreichen und somit mit  - bei ihm auch in anderer Form gegebenen - kleinen unehrlichen Tricks und miesen Ränkespielen für ein Mehr an Aufmerksamkeit und erschlichenes gesellschaftliches Gewicht zu sorgen. Dietrich Schulzes "Antifaschismus" erweist sich, aus der Nähe besehen und zumindest, wenn auf mein Thema und Anliegen eines Erforschens der Wurzeln genozidaler Gewalt bezogen, als nichts anderes als eine weitgehed leere Propagandahülse in bester DDR-Tradition.

5. Daß die taz mit ihrem Covering der sogenannten "Zivilklausel"-Bewegung und nun möglicherweise auch mit ihrem thmematisch überlappenden Projekt "Hochschulwatch" den gleichen Kreisen das Wort redet, die auch die rotbraune Friedensbewegung (die von der TAZ kritisiert wird) befördern, sowie welche Folgen dies für unsere Gesellschaft hat und noch haben wird, wird wohl von der taz-Redaktion bewußt ausgeblendet. Ebenso wird wissentlich verdeckt und vertuscht, daß die Interessen dieser rotbraunen Friedenskreise etwa meinem Anliegen, das Fortwirken der blutigen russischen Kolonialpolitik im Nordkaukasus zu thematisieren, diametral entgegenstehen. Zumindest anhand dieses konkreten Beispiels müßte doch klar, daß die entsprechenden Kreise nicht für die Freiheit und Unabhängigkeit von Forschung stehen und keinerlei lagerübergreifendes Interesse an Transparenz haben. Dietrich Schulze trommelt weiter für "Zivilcourage" und "Widerstand" und ihm ist dabei - genauso wie der taz - offenbar völlig egal, daß er hier die Illusion einer wachsamen, interessierten, Anteil nehmenden und im Zweifelsfall solidarisch eingreifenden Mitwelt erzeugt, die in der Praxis in keinster Weise gegeben ist. Angesichts der Tatsache, daß im Ernstfall weder praktische Hilfe noch der bloße Willen, die Konsequenz von Widerständigkeit überhaupt öffentlich zu thematisieren, gegeben sind, fordert man hier Wissenschaftler explizit dazu auf, ins offene Messer zu laufen. Ungeachtet dieser Tatsachenlage bewußt weiter zu "Whistleblowing", "Offenlegung" etc. aufzurufen, ist bestenfalls äußerst unverantwortlich.

Anna Lehmann, die sich hier recht eindeutig auf der Seite Dietrich Schulzes und der rotbraunen Querfront verortet hat und sich eben nicht zu einem ausgewogenen, verschiedene Perspektiven berücksichtigenden Journalismus fähig zeigt,  "begleitet" nun auch das aktuelle "Hochschulwatch"-Projekt der taz. Ganz klassisch für die extreme Vermachtung unserer Gesellschaft und deren Durchdringung durch demokratiefeindliche wie schwer greifbare Lobbyisten-Netzwerke ist auch, daß Transparency International nun im Rahmen von "Hochschulwatch" an einem Projekt mitwirkt, das zumindst teilweise auf der Basis von völlig intransparenten Netzwerken erwächst und den Erstellern von Querfront-Narrativen die Bälle zuspielt. So hat einer der TI-Kooperationspartner von "Hochschulwatch" als erstes dem russischen Auslandspropaganda- Megakonglomerat "Sputnik" ein Interview gegeben.

TI verleiht diesem Projekt ein Gütesiegel und wird es mir und etwaigen anderen davon Betroffenen damit quasi unmöglich machen, gegen russische Interessenlagen mit Kritik an diesem Etikettenschwindel bis an eine breitere Öffentlichkeit vorzudringen. Die TAZ-Projekte "Hochschulwatch" und "unileaks" dürften, sofern nicht zumindest auf Druck von TI hin "Hochschulwatch" noch korrigiert und von den einseitigen Interessen gewisser TAZ-Kreise sowie insbesondere auch dem Umfeld der "Jungen Welt" entkoppelt wird, gerade auf Kosten derjenigen Personen und Werte gehen, die doch eigentlich - laut eigener Bekundungen - mit diesen Projekten geschützt werden sollten. Hier entstehen mafiöse Strukturen unter Einbindung von Lobby-Interessen totalitärer Regime, die verhindern, daß man sich als einzelnes Individuum und normaler Bürger Luft verschaffen und systematische Regelverstöße im akademischen Umfeld wie auch in dem der vermeintlichen Helfer und Unterstützer zumindest verbal zurückweisen kann.

6. Zu guter Letzt sei mir noch der Hinweis auf einen weiteren, aus meiner Sicht empörenden und skandalösen Widerspruch in der Themengestaltung und Öffentlichkeitspolitik der TAZ gestattet: Die Chefredakteurin Ines Pohl hatte am 20.1.2015 in einem Kommentar namens "Pegida und der Dialog. Strikte Weigerung hilft nicht" dafür plädiert, in Bezug auf die Pegidiasten nicht den Weg der "Ausgrenzung" zu gehen, namentlich auch dann, wenn es um den "Neubau von Asylbewerberheimen" gehe (Ergänzung von mir: in diese könnten dann ja wiederum "terroristische Tschetschenen" einziehen, über die dann wieder im taz-Intervieew gerätselt würde....). Es sei "das falsche Konzept", dieser Bewegung "den Dialog zu verweigern", Pohl meint, die  "definitive Abwehr einer Auseinandersetzung" sei "richtiggehend gefährlich". Damit wird indirekt dem Druck des rotbraunen Mobs nachgegeben, während gleichzeitig mir - und sicher auch anderen - ein ebensolcher Dialog aus linksdemokratischer Perspektive verweigert wird. So fördert man, während man vorgibt, für das Gegenteil zu arbeiten, die Macht des Pöbels und militante Rassisten, während man der Gegenseite immer wieder Beistand und Unterstützung verwehrt, sogar noch aktiv daran mitwirkt, diejenigen, die sich nicht auf ein immer stärker wirkendes politisches Lagerdenken einlassen, als vergleichsweise schwache, leise Stimmen aus der Öffentlichkeit zu verbannen.

Viel ist in den letzten Monaten davon die Rede gewesen, daß Journalisten anständig behandelt werden wollen und wie belastend und anmaßend die ständigen Pöbeleien und Shitstorms der Querfrontler und Putinisten seien. Dafür habe ich vollstes Verständnis und habe mich diesbezüglich auch immer wieder solidarisch geäußert. Daß einige Journalisten und Redaktionen aber auch selbst erst mal einen fairen, demokratischen Umgang mit der Außenwelt lernen müßte und sie ihrerseits verpflichtet wären, auch Angehörigen anderen Berufsgruppen, deren Wissen und deren intellektuelle Produkten den ihnen gebührenden Respekt zukommen zu lassen und diese mit der gleichen Würde zu behandeln, die sie auch selbst für sich reklamieren, daß es ferner angebracht wäre, selbstreflexiver mit der eigenen Gatekeeper-Funktion und deren relativer Machtfülle umzugehen, ist in dieser Diskussion bisher komplett ausgeklammert geblieben.

Frau Pohl schrieb:
"Je aufgeregter die Zeiten, desto schneller scheinen viele den Glauben an die Kraft des besseren Arguments zu verlieren. Und es gibt Formate, in denen man ins Gespräch kommen kann."

Frau Pohl sei gesagt, daß ich diesen Glauben an die Kraft des besseren Argumentes mittlerweile vollständig verloren habe, gerade auch durch das Treiben ihres eigenen Blattes, die regelrechte Abschottung und Unerreichbarkeit der Redaktion, das Ausmerzen von Kritik und die nun schon langjährigen Hinhalte-Taktiken mit abschließender Dialog-Verweigerung. Die "Formate", in denen man "ins Gespräch" kommen kann, sind im Kopf von Frau Pohl offenkundig populistisch definiert, reden eher Plattheit denn Intellektualismus und Analysefähigkeit das Wort und sind mit Subjekten bevölkert, die politisch doch eher im extremistischen Spektrum angesiedelt sein dürften. Mir selbst geht wohl die gesellschaftliche "Gefährlichkeit" ab, um von einer taz-Redakteurin ernst genommen und gehört zu werden.