Sehr geehrter Herr Ditz,
Ich bin Historikerin
und Ethnologin und setze mich schon seit vielen Jahren mit der
Geschichte des Nordkaukasus auseinander. Ich habe heute zum Spiegel-Interview mit Swetlana Gannuschkina unter http://www.spiegel.de/politik/ausland/tschetscheniens-machthaber-kadyrow-sein-regime-ist-grausam-a-920274.html mehrere Kommentare getätigt, die auch alle der Reihe nach und
pünktlich erschienen - bis auf einen. Bei diesem einen Kommentar
handelte es sich um einen Hinweis darauf, daß es nicht nur im
Ostkaukasus zu Repressionen kommt, sondern auch im Westkaukasus,
sowie daß letzteres einer westeuropäischen Öffentlichkeit leider
noch weniger bekannt ist als die problematische Lage im Ostkaukasus.
Ich habe hierbei auch auf meinen blog unter
http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com/
verlinkt, der es sich zum Ziel gesetzt hat, auf Defizite in der
öffentlichen Diskussion zu Sochi 2014 und der hiermit in Verbindung
stehenden tscherkessischen Thematik hinzuweisen. Nachdem ich meinen
Kommentar vergeblich auf Ihrer Seite gesucht hatte, habe ich zu Ihren
Gunsten angenommen, daß u.U. auch ein technisches Problem die
Ursache sein könnte. Ich habe ihn darum sinngemäß wiederholt und
mit Hinweis auf mögliche technische Probleme höflich darum gebeten,
nun diesen zweiten, aus dem Gedächtnis erneut geschriebenen
Kommentar freizuschalten. Auch er ist jedoch nicht erschienen. Wenige
Minuten nach Absenden dieses Kommentars wurde die Kommentarfunktion
zum Artikel geschlossen.
Leider erlebe ich es immer
wieder, daß Kommentare und Beiträge, die auf die unaufgearbeitete
koloniale Vergangenheit des Westkaukasus und das weitgehende
Schweigen einer westlichen Öffentlichkeit hierzu hinweisen, auf
Online-Foren nicht freigeschaltet werden. Das mag u.a. auch der
Unwissenheit der Moderatoren geschuldet sein, die hier geneigt sein
mögen, von „unbelegten Tatsachenbehauptungen“ auszugehen.
Entsprechende Informationen zur kolonialen Vergangenheit des
Westkaukasus und den sich daraus ergebenden Implikationen für die
Olympischen Spiele in Sochi 2914 sind jedoch frei im Netz verfügbar
und für jedermann einsehbar. Ich selbst stehe auch jederzeit für
Rückfragen, Kontaktadressen für Interviewpartner etc., Literaturhinweise und Quellenbelege zur Verfügung. Im konkreten Fall möchte ich auch noch
darauf hinweisen, daß Ost- und Westkaukasus eine historische Einheit
bilden und auch heute sich die jeweiligen politischen Verhältnisse
in West- und Ostkaukasus wechselseitig beeinflussen. Hier ist also
nicht von voneinander unabhängigen Themenblöcken auszugehen, mein
Kommentar war durchaus eng mit dem Interview-Thema verbunden.
Gerne auch überlasse
ich einer professionellen journalistischen Berichterstattung zum
Thema Tscherkessen im Westkaukasus und den politischen Hintergründen der Winterspiele in Sochi das Feld und verzichte dann auch darauf,
auf hausgemachte blogs zu verweisen. Allein im gesamten Spiegelarchiv
findet sich zu dem Thema Sochi 2014 nicht auch nur ein einziger
Artikel, der Tscherkessen und tscherkessische Interessen erwähnen
würde (siehe
http://www.spiegel.de/suche/index.html?suchbegriff=tscherkessen).
Es darf nicht sein, daß die Nichtbehandlung des Themas in den
westlichen Medien auf zirkuläre Weise dazu führt, daß selbst
entsprechende Hinweise in der Kommentarleiste als „nicht belegt“
oder aus anderen, nicht ausgeführten Gründen, nicht freigeschaltet
werden. Die deutsche Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, ausgewogen
über Vorgänge im Ost- wie auch im Westkaukasus informiert zu werden
und Zugang zu unterschiedlichen Perspektiven, einschließlich derer
ethnischer Minderheiten, zu erhalten. Ich darf Sie deshalb um eine
Stellungnahme bitten – zum Nichterscheinen meines Kommentars ebenso
wie zur allgemeinen Nichtbehandlung dieses sensiblen Themas in Ihrem
Medium.
Von meinem letzten
Kommentar wie auch von der Rückmeldung der Webseite, daß mein
Kommentar gespeichert und zur Freigabe an die Redaktion
weitergeleitet wurde, habe ich Screenshots angefertigt. Sollte die
Kommentarfunktion aus anderen, von mir unabhängigen Gründen
geschlossen worden sein, so bitte ich auch hier um eine
Stellungnahme, denn ich finde es sehr verwunderlich, daß man eine
derart lebhafte – und auch dringend notwendige - Diskussion wenige
Stunden nach Erscheinen des Interviews abbricht. Mein gegenwärtiges
Schreiben (zusammen mit den Screenshots) habe ich auf meinem blog
veröffentlicht und werde dort im Sinne einer transparenten,
nachvollziehbaren Diskussion auch Ihre Antwort einstellen.
Mit freundlichen Grüßen,
Irma Kreiten
P. S.: Der Text meines zweiten
Kommentars unter dem Titel „Gewalt und Schweigen im Osten wie im
Westen“ lautete: „Liebe Redaktion, ich nehme an, es gab ein
technisches Problem, da meherere meiner Kommentare doppelt erschienen
sind, ein vorheriger Kommentar unter diesem Titel aber nicht.
Erlauben Sie mir hier also bitte, nun noch einmal zu schreiben.
Russland übt nicht nur
im Ostkaukasus Gewalt aus, sondern verfolgt auch im Westkaukasus eine
Politik des Verschweigens und der Repressionen, dies auch besonders
im Umfeld der Olympischen Winterspiele in Sochi im Jahr 2014. Leider
ist die deutsche Öffentlichkeit kaum informiert, und eine Debatte
findet nicht statt, es scheint geradezu ein großes Zögern zu
herrschen, sich zur ausbleibenden Vergangenheitsbewältigung im
Westkaukasus und der sich daraus ergebenden Minderheitenproblematik
zu äußern, siehe http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com/“